Wissenschaft, die Wissen schafft
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Wissenschaft, die Wissen schafft

Stefan Fischer
Die Route, entlang der mit den Schlachttieren getreckt werden musste, war nicht abgezäunt. Zu Anfang der Reise versuchten deshalb einzelne Tiere oder auch kleinere Gruppen, immer wieder auszubrechen und davonzulaufen. Die vielen Tiere, die von klein auf immer frei herumlaufen konnten, waren es nicht gewohnt, in geschlossener Gruppe und in einer bestimmten Richtung getrieben zu werden. Sie mussten deshalb anfangs mit größter Umsicht und reiterlichem Geschick der Treiber, und deren wendigen Pferden, zusammengehalten werden, was genaue Übersicht, reiterliches Können und unbedingte Sattelfestigkeit erforderte.

An einzelnen Übernachtungsplätzen, wo genügend Dornbusch, „hakies“, vorhanden war, wurde ein provisorischer Verhau, ein Kraal, errichtet, worin die Tiere für die Nacht eingesperrt werden konnten. Diese behelfsmäßigen, unzulänglichen Dornenverhaue waren aber, im wahrsten Sinne des Wortes, nichts anderes als notdürftige Attrappen. Es wurde immer dafür gesorgt, dass der Treck am frühen Nachmittag bei der nächsten Wasserstelle eintraf, damit die Tiere, nach dem Tränken, noch bis zum Dunkelwerden in der Nähe des Camps genügend weiden konnten. Sobald es anfing zu dämmern, wurden die Tiere behutsam in den Kraal getrieben, der von der Begleitmannschaft von außen umstellt war. Sobald sie sich beruhigt und der Leitochse sich niedergelegt hatte, woraufhin bald danach der Rest der Herde dem Beispiel folgte, konnten die Treiber an ihr eigenes Wohl denken. War genügend Holz vorhanden, was in der Kalahari nicht immer selbstverständlich war, wurden rund um den Kraal kleine Feuerchen für die Nacht entzündet, um das Raubwild abzuschrecken.

Nicht selten aber griffen Löwen des nachts die in den notdürftig errichteten Dornenverhauen eingepferchten Rinder an. Günstig war, wenn die Begleitmannschaft Hunde mit sich führte, die bei Gefahr anschlugen und die Räuber vertrieben. Nicht immer jedoch ließen sich die mächtigen Kalahari-Mähnenlöwen und ihr Gefolge von ein paar verängstigten Dorfkötern vertreiben. Sie umschlichen das Lager so lange, bis die Rinder Wind von ihnen bekamen, voller Panik aus dem notdürftigen Dornenverhau ausbrachen und in der Dunkelheit in alle Himmelsrichtungen verschwanden. Hin und wieder gelang es den Löwen jedoch, eines der Tiere zu reißen, wodurch die anderen Tiere dann davonkommen konnten. Glücklicherweise liefen sie meistens nicht sehr weit weg, da sie hungrig waren und bald anfingen zu grasen. Im Morgengrauen mussten dann alle Tiere wieder zusammengesucht werden, damit der Treck weitergehen konnte.

Fast katastrophaler jedoch war, wenn es sich herausstellte, dass, nach einem langen, durstigen Tagestreck, die spätnachmittags erreichte Wasserstelle trocken vorgefunden wurde oder nur unzureichendes, ungenießbares Schlammwasser vorhanden war. Einige Zeit bevor die Viehtrecks durch die Kalahari stattfinden sollten, wurden Kundschafter entlang der vorgesehenen Route ausgesandt, um festzustellen, ob ausreichend Tränkmöglichkeiten an den in Tagesmärschen zu bewältigenden Etappen vorhanden waren. Es passierte jedoch hin und wieder, dass entlang der kurz vorher ausgekundschafteten Strecke, die eine oder andere Wasserstelle, Lehmpfanne, bei Ankunft des Trecks inzwischen ausgetrocknet war oder nur noch ungenügend Schlammwasser enthielt. Manche dieser Wasserstellen waren nichts anderes als eine mit einer wasserundurchlässigen Lehmschicht bedeckte Bodensenke zwischen den Dünen, worin sich Regenwasser für einige Zeit staute. Bei den hohen Sommertemperaturen in der Kalahari verdunstete das Wasser jedoch oftmals schneller als erwartet.

Oder aber Tiere waren beim Saufen erschreckt worden und zu tief in das Wasser gelaufen, wodurch die dünne, abdichtende Lehmschicht durchtreten wurde, das Wasser auslief und im darunter liegenden Dünensand versickerte. So kam es dann, dass eine Wasserstelle dann unerwartet ausgetrocknet war oder nur noch ungenießbares Schlammwasser enthielt. Folglich mussten die Tiere dann bis zum nächsten Abend ohne Wasser durchhalten, was sich, wenn es mehrmals vorkam, nachhaltig auf ihre Kondition auswirkte und dies wiederum niedrigere Preise zur Folge hatte. In manchen Fällen konnte zu abseits der vorgesehenen Marschroute gelegenen Tränkmöglichkeiten ausgewichen werden, was allerdings wiederum Zeit in Anspruch nahm und die Treckzeit verlängerte.

Waren die Tiere schließlich beim Schlachthof in Lobatsi abgeliefert, wurden die Treiber, es waren meistens junge Farmersöhne, die sich neben dem abenteuerlichen Erlebnis auf diese Weise etwas Geld verdienen wollten, entlohnt und kehrten auf demselben Weg wieder heim. Sie wurden verhältnismäßig gut bezahlt, mussten aber ihre eigenen Reitpferde stellen und für die Verpflegung während des wochenlangen Trecks selbst sorgen. Etwas Maismehl und Biltong, Trocken- oder Dörrfleisch, Kaffee, Zucker und Sonstiges zum Essen wurde in den Satteltaschen mitgeführt, während das Schlafzeug in Form eines dünnen Deckenbündels hinter dem Sattel festgeschnürt wurde. Einigen der Begleitmannschaft war es ausnahmsweise, zum Schutz gegen das Raubwild, erlaubt, eine Schusswaffe mitzuführen, die aber meist nur für Warnschüsse verwendet wurde.

Es war hart und anstrengend, wochenlang, jeden Tag von Sonnenaufgang bis spätnachmittags, bei sengender Sonne und dichtem Staub im Sattel sitzen zu müssen. Nur abgehärtete, junge Männer fanden Gefallen an diesen Ochsentrecks und konnten diese Strapazen durchhalten. Die Anstrengungen wurden aber von den Beteiligten bereitwillig in Kauf genommen, da es für manch einen Farmersohn, der auf der einsamen Farm lebte und selten Gelegenheit hatte, einmal rauszukommen, ein abenteuerliches und bestimmt unvergessliches Erlebnis war.

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Allgemeine Zeitung 2024-03-28

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