Wenn Sie nicht aus Abenteuerlust nach Namibia gekommen sind

Ein Thema welches sich über Jahrhunderte verfolgen lässt. Oft waren es klimatische Bedingungen, die die Menschen aus Ihren angestammten Gebieten wegziehen ließen.

Aber der schlimmere Gedanke ist, dass seit Gedenkzeiten Menschen vor Menschen auf der Flucht sind.

Heute, wo die Welt eng geworden ist, gibt es kaum noch ein Fleckchen Erde, wo nicht irgendwer vor irgendwem auf der Flucht ist.

Erfreulich, wenn der Mensch vor Naturgewalten fliehen muss, da gibt es das zwischenmenschliche Gefühl der Solidarität. Und wir können unsere Errungenschaften der Technik zum Einsatz bringen, um zu helfen und Not zu lindern.

Anders ist es, wenn die "schleichenden" Erkrankungen unserer Menschheit einsetzen. Wenn Menschen von Menschen aus ideologischen Gründen in ihren Freiheiten beschnitten, bedroht und verjagt werden, oder hinter Gittern landen. Dann brauchen wir eine Ewigkeit, bis man hinzuschauen beginnt. Denen, die die Flucht geschafft haben, beginnt man zu helfen. Es ist Hoffnung für viele.

Das Hitlerdeutschland landete in Schutt und Asche, weil die Machthaber es verstanden, dem einzelnen Menschen im Kollektivdenken die Verantwortung abzunehmen. Tausende und Abertausende liefen mit, weil ihnen der Staat die Gewissensfragen abgenommen hatte. Und mit der neuen Stalinmacht, die lange vororganisiert über den Osten Deutschlands hereinbrach, hat man mit einem System der Angst so unglaublich schnell wieder den denkenden Menschen in die Enge getrieben. Von einem Übel befreit musste er nun wieder alles über sich ergehen lassen. "Diesen hat man geholt, jener ist verschwunden, der hat keiner Fliege etwas zu leide getan", hörte man hinter vorgehaltener Hand reden... 44 Jahre unglaublichen Unrechts mussten vergehen, bis die friedlichen Märsche in Leipzig begannen, bis die Mauer brach. Und ohne den wirtschaftlichen Machtzusammenbruch im Hintergrund des Systems, wäre selbst das nicht gelungen.

Wie viel Gewalt muss Menschen noch zugemutet werden, bis wir endlich im Einzelnen bereit sind, Verantwortung zu tragen und nicht in den Massen mitlaufen, die die Parolen aufs Banner setzen! Es gibt erfreuliche Ansätze, wo Menschen über die verfahrenen Ideologien hinauszuwachsen versuchen. Ansätze aus allen Religionen und Kulturkreisen, dem Menschen wieder die Menschlichkeit zurückzugeben, die in der Verrohung der Seele unterzugehen droht. Ich glaube daran, dass jeder gesunde Mensch das Zeug in sich trägt, zwischen Menschlichkeit und Machtmissbrauch zu entscheiden. Wir müssen beginnen, den Einzelnen wieder zur Verantwortung zu ziehen. Die Vernunft und die Fähigkeit zur Toleranz sind noch nicht gestorben!

Was mich zu diesen Gedankengängen veranlasst, ist eine schon 15-jährige, in meinem Fall schon sogar über 70-jährige Aufarbeitung einer in zwei Machtsystemen zerstörten Welt. Der Welt eines Menschen, der mit seiner ganzen freudigen Schaffenskraft der Menschheit dienen wollte.

1957 kam ich nach Namibia, dem damaligen Südwest. überall traf man deutschsprachige Menschen bis der Tag der Wende zur Deutschen Einheit kam. Menschen, die man nie vorher befragt hatte, warum sie in Namibia sind, wurden plötzlich zu "Ossis" und "Wessis".

Schicksale sprudelten heraus, aus was für Gründen man immer hier im tiefen Süden gelandet war.

Heute nach meiner jetzt fast 15-jährigen Odyssee durch die Archive der Ex-DDR sind mir Tausende von Schicksalen begegnet, die mich immer wieder in die Gedanken hineingrübeln lassen - warum rennen wir mit, wenn die Macht uns im Rücken sitzt? Wie kann der Einzelne wieder mächtig werden? Den der Einzelne befragt, möchte weder das Morden im Irak, die Flüchtlinge auf den Straßen der Welt, wer möchte Kinder im Elend sehen und Menschen hinter Gitter, die nichts verbrochen haben? Jeder gesunde Menschenverstand denkt so - ist das am Ende keine Macht? Wir müssen diese zu nützen lernen!

Mein Gedanke geht dahin: wir dürfen die Vergangenheit nicht abstreifen. Wie sollen wir aus Fehlern lernen und unsere Jugend lernfähig machen, wenn sie die kleinen menschlichen Intermezzi einzelner Personen oder Familien nie kennen lernen dürfen. Wer immer hierher verschlagen worden ist weil er einen Krieg oder einer bedrohlichen Macht entkommen ist, erzählen Sie mir Ihre Geschichte, denn das, was innerhalb Familien an Schicksalen eingetreten ist, kann jeder besser erfassen, als wenn man in den großen Strömungen der Weltpolitik Nachforschungen anzustellen beginnt. Die Einzelschicksale erreichen den Menschen, der einmal vielleicht entscheiden muss, ja oder nein zu einem Schema zu sagen, in das er hineingeboren oder gezwungen wird. Schaffen wir den Kern der Entscheidung auf Recht oder Unrecht abwägen zu können, dann sind wir ein wenig weitergekommen.

Wenn Sie also nicht gerade aus purer Abenteuerlust hierher gekommen sind, sondern hier Fuß fassten, weil ihnen die Heimat verloren ging, dann geben Sie mir einen Abriss Ihres Schicksals. Hier gibt es tausend Fragen:

Haben Sie hier eine neue Heimat gefunden - blieben Sie mit der Alten verbunden - verloren Sie Ihre Familien - fand man sich nach der Wende wieder- waren hier Welten dazwischengekommen - konnten Sie Ihre einstige Heimat inzwischen besuchen - oder stellten Sie Brücken zu Ihrer neuen Heimat her, hatten sie Glück ihr verlorenes Eigentum wieder zurückzubekommen - oder leben fremde Seelen in Ihrem zu

Hause - Wie sind Sie damit zurechtgekommen?

Dahin liefe mein Interesse. Innerhalb Deutschlands sind viele Erlebnisse bekannt, dass aber viele eben nicht in Westdeutschland Fuß fassen konnten und sich eine neue Zukunft in der Ferne aufbauen mussten, das wäre eine Ergänzung, die man aufzeichnen sollte.

Niemand braucht hier Namen oder innerfamiliäre Geheimnisse preiszugeben. Es geht um die Schicksale selbst.

Ich würde mich auf Antworten freuen. Vielleicht kann man bei einem gemeinsamen Plausch einmal diese Erlebnisse aufzeichnen. Ich denke, wir sind es den künftigen Generationen schuldig.

Meine Adresse: S. Itting-Enke, P.O.Box 5198 Windhoek

Tel/Fax 061 238982

Ich hoffe in naher Zukunft auch E-mail Anschluss zu bekommen

Frohe Weinachten und ein Gesundes Neues 2005

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-20

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