Von der Babywindel zum Forschungspreis

Eigentlich funktioniert das genau wie eine Babywindel", erklärt Chemielehrer Reinhard Koller von der DHPS und zeigt auf sein Versuchsbeet, wo auf zehn kleinen Feldern verschiedene Getreidesorten wie Hirse, Mais und Gerste angebaut sind. "In einer Babywindel sind kleine Kristalle enthalten, die die 400fache Flüssigkeitsmenge ihres eigenen Gewichts aufnehmen können und für einen allzeit trockenen Po sorgen sollen. Wenn diese Substanz mit Wasser in Berührung kommt, wird sie zu Gel. Genau mit diesen kleinen Kristallen haben wir an unserem Beet Versuche durchgeführt", so Koller. "Während der Babypo trocken bleibt, sollen unsere Pflanzen das gespeicherte Wasser allerdings wieder aufnehmen."

Im Herbst 2002 erreichte die DHPS eine E-Mail aus Bochum. Die "Jugend-forscht-AG" der dortigen Albert-Einstein-Schule wollte untersuchen, ob diese Kristalle, im Fachjargon Superabsorber genannt, auch in der Landwirtschaft eingesetzt werden können. Als Versuchsgebiet hatte die Schule Namibia ausgewählt, kurz darauf wurde ein Kooperationsvertrag unterzeichnet. "Der dortige Chemielehrer suchte Partnerschulen, um hier Freilandversuche durchführen zu können, während in Bochum die Wirkung des Absorbers unter Laborbedingungen getestet wurde. Neben uns beteiligt sich auch die Martin Luther High School in Omaruru an der Versuchsreihe", so Koller. Die teuren Kristalle für die Versuche wurden dabei von der deutschen Herstellerfirma Degussa AG bereitgestellt, finanzielle Unterstützung kam außerdem von der Rütgers-Stiftung, einer gemeinnützigen Organisation, die Naturwissenschaften an Schulen fördert.

"In einem trockenen Land wie Namibia wären solche Speicher im Boden natürlich sehr nützlich und könnten helfen, Wasser zu sparen", so Koller. Als der Chemielehrer Anfang 2003 an die DHPS kam, rief er umgehend eine Projektgruppe ins Leben. "Zunächst war es etwas schwierig, die Schüler zu motivieren, denn wer verbringt schon gerne seine Nachmittage auch noch in der Schule?" Nach einiger Zeit fand sich aber ein festes Team von fünf Schülern aus der 9. Klasse. Jeden Dienstag Nachmittag wurde seitdem experimentiert, gemessen und ausgewertet. "Wir wollen herausfinden, ob und wie dieser Superabsorber das Wachstum von Getreidearten beeinflusst. Dabei untersuchen wir, welche Körnung und welche Menge optimal für die Pflanzen sind", erklärt Koller. Endgültige Ergebnisse von dem Versuchsbeet kann die Projektgruppe noch nicht vorweisen. "Aber auch anhand der Laboruntersuchungen scheint es sich zu bestätigen, dass die Pflanzen besonders im Anfangsstadium mit dem Superabsorber schneller anwachsen."

Im Herbst 2003 reichte die Albert-Einstein-Schule dann das Konzept und die Zwischenergebnisse des Projekts unter dem Titel "Wege aus der Desertifikation" für den Wettbewerb "Jugend forscht" ein - mit Erfolg. "Unser Superabsorberprojekt wurde im Januar gleichzeitig mit einem ersten und einem zweiten Preis in der Kategorie Chemie ausgezeichnet, außerdem wurde uns der Umweltpreis des Landes Nordrhein-Westfalen verliehen", freut sich Koller. Über die Höhe des Preisgeldes kann er noch nichts sagen, "wir werden es jedoch für die sicherlich für die weitere Forschung verwenden."

Eine besondere Belohnung für die Schüler kam allerdings wenig später. Die Degussa AG mit Sitz in Bochum hat die Teilnehmer aus Namibia zu einem zweiwöchigen Besuch nach Deutschland eingeladen und übernimmt gemeinsam mit der Rütgers-Stiftung auch alle Kosten dafür. Abflug war am gestrigen Dienstag "Dort wollen wir die bisherigen Ergebnisse besprechen und das weitere Vorgehen planen. Es ist außerdem das erste Mal, dass wir mit den anderen beteiligten Schülern zusammentreffen", erklärt Koller. Besonderer Wert wird auch auf den interkulturellen Austausch der Jugendlichen gelegt: Während des zweiwöchigen Aufenthaltes stehen neben einer Besichtigung des Degussa-Werkes auch gemeinsamer Unterricht und Freizeitgestaltung auf dem Programm. Ein Höhepunkt für die fünf namibischen Schüler wird dabei sicherlich der Besuch eines Bundesligaspiels des VfL Bochum sein. "Es wäre natürlich schön, wenn wir dadurch die Zusammenarbeit mit der Albert-Einstein-Schule noch vertiefen und auf andere Fachbereiche ausdehnen könnten. Außerdem ist es eine gute Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen."

Nach der Rückkehr aus Deutschland soll die Versuchsarbeit weitergehen. "Es gibt sogar schon Anfragen aus der namibischen Wirtschaft", so Koller. Zwei Gartenbaubetriebe haben demnach Interesse an dem Projekt gezeigt und sich bereit erklärt, den Schülern weitere Versuchsfelder zur Verfügung zu stellen. Bis Ende des Jahres will Reinhard Koller die Messungen noch fortsetzen. "Die Schule plant schon weitere Projekte, verraten werde ich darüber aber noch nichts."