Vom Virus der Abstumpfung
Wer ist schuld an den chronischen Prozessverzögerungen auf Magistratsebene? Neben vielen anderen Faktoren vor allem eines: Die ansteckende Wirkung der Apathie.
Gewiss trägt es zur allgemeinen Lähmung bei, wenn laxe Magistratsrichter keine Fristen setzen und jeder Vertagung zustimmen. Wenn Polizisten in Zeitlupe ermitteln und damit Prozesse verzögern. Wenn organisatorische Mängel zum Bremsklotz werden, weil keine Vorbereitungen für die Anwesenheit von Angeklagten, Dolmetschern und Zeugen getroffen wurden.
Der Stillstand hat abgesehen von derlei Versäumnissen aber auch einen anderen Grund: Die mentale Abstumpfung von Juristen, das weit verbreitete Phlegma an Magistratsgerichten, das eine paralysierende Wirkung hat und wie ein Virus übertragbar ist. Wer bereitet sich schon gern intensiv auf ein jeweiliges Verfahren vor, dass im Zweifelsfall frühzeitig vertagt wird, wie dies bereits unzählige Male zuvor geschehen ist, weil irgendwem, irgendwas gefehlt hat.
Wer in einem solchen Umfeld nicht verzweifeln will, der muss die Trägheit zur Tugend machen, der darf sich nicht aufregen, wenn defekte Tonbandgeräte die Beweisaufnahme sabotieren oder Stromausfälle eine Verhandlung vereiteln. Der darf sich nicht wundern, wenn Staatsanwälte ohne Vorwarnung verreisen oder ein seit langem angekündigtes Urteil nicht fällt, weil die inzwischen versetzte Magistratsrichterin keine Spesen erhalten hat, um anreisen und es verkünden zu können. Der muss sich damit arrangieren, dass Angeklagte ihr Verfahren verschleppen, indem sie mehrmals ihren Verteidiger entpflichten, bereits abgelegte Geständnisse widerrufen, Krankheit simulieren oder Befangenheitsanträge gegen ihren Richter stellen.
All das ist zermürbend, nervenaufreibend und frustrierend. Und all das kann langfristig nur überstehen, wer sich anpasst, seinen Elan und Arbeitseifer ablegt, sich die Indifferenz der Kollegen aneignet und das tut, was alle anderen machen: Das absolute Minimum und nicht mehr oder weniger.
Marc Springer
Gewiss trägt es zur allgemeinen Lähmung bei, wenn laxe Magistratsrichter keine Fristen setzen und jeder Vertagung zustimmen. Wenn Polizisten in Zeitlupe ermitteln und damit Prozesse verzögern. Wenn organisatorische Mängel zum Bremsklotz werden, weil keine Vorbereitungen für die Anwesenheit von Angeklagten, Dolmetschern und Zeugen getroffen wurden.
Der Stillstand hat abgesehen von derlei Versäumnissen aber auch einen anderen Grund: Die mentale Abstumpfung von Juristen, das weit verbreitete Phlegma an Magistratsgerichten, das eine paralysierende Wirkung hat und wie ein Virus übertragbar ist. Wer bereitet sich schon gern intensiv auf ein jeweiliges Verfahren vor, dass im Zweifelsfall frühzeitig vertagt wird, wie dies bereits unzählige Male zuvor geschehen ist, weil irgendwem, irgendwas gefehlt hat.
Wer in einem solchen Umfeld nicht verzweifeln will, der muss die Trägheit zur Tugend machen, der darf sich nicht aufregen, wenn defekte Tonbandgeräte die Beweisaufnahme sabotieren oder Stromausfälle eine Verhandlung vereiteln. Der darf sich nicht wundern, wenn Staatsanwälte ohne Vorwarnung verreisen oder ein seit langem angekündigtes Urteil nicht fällt, weil die inzwischen versetzte Magistratsrichterin keine Spesen erhalten hat, um anreisen und es verkünden zu können. Der muss sich damit arrangieren, dass Angeklagte ihr Verfahren verschleppen, indem sie mehrmals ihren Verteidiger entpflichten, bereits abgelegte Geständnisse widerrufen, Krankheit simulieren oder Befangenheitsanträge gegen ihren Richter stellen.
All das ist zermürbend, nervenaufreibend und frustrierend. Und all das kann langfristig nur überstehen, wer sich anpasst, seinen Elan und Arbeitseifer ablegt, sich die Indifferenz der Kollegen aneignet und das tut, was alle anderen machen: Das absolute Minimum und nicht mehr oder weniger.
Marc Springer
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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