Theater

Die Wasser-Geister der Namib

Alles hört auf die Feder von Ernst van Biljon. Der Musiker und Produzent hebt sie in die Luft. Die Trommelschläge verstummen und es wird still in der Wüste Namib. Die Kulisse braucht keine Kulisse - es ist die einzigartige Schönheit der ältesten Wüste der Welt.

Hier liegen die als Tiere verkleideten Menschen mit weißer und schwarzer Haut. Das eigens von William Hofmeyr für diesen Ort geschriebene Stück "Spirits of the Kuiseb" beginnt. Der Kuiseb-Fluss spielt die Hauptrolle. Von zwei Wasser-Geistern wird der Fluss gelegentlich mit dem kostenbaren Nass versorgt. Wenn sie sich zu Sonnenuntergang treffen und sich in einem Liebestanz vereinigen, gibt es eine Flut - ein Fest für die Tiere, die am Fluss leben: Strauße, Zebras, Oryx-Antilopen oder Elefanten.


Doch dann kommt der machtlüsterne Mensch und bringt dieses Gleichgewicht aus der Ruhe. Die Tiere folgen den Anweisungen der neuen Herren, die Geister werden vertrieben. Erst vertrocknet der Fluss, dann verdursten die Tiere. Die Strauße überleben und bäumen sich gegen die Menschen auf. Sie tanzen im Gedenken an die Fluss-Geister. Und durch ein Wunder kehrt das Leben wieder zurück. Eine zweite Chance. Die Menschen begreifen ihre Lektion: "Wir sind hier, um zu lernen, nicht zum Herrschen."


Die Idee für dieses Theaterstück ist noch ganz jung. Sie wurde im Januar diesen Jahres von Dr. Joh Henschel, Direktor des Forschungszentrums Gobabeb, und Ernst van Biljon entwickelt. Die beiden saßen in der Wüste und bekamen die Idee für solch ein Stück in der Wüste. "Es war ein erster Traum", erinnert sich Henschel. Was dann folgte grenzt schon eher an ein Wunder: Binnen weniger Wochen wurden Sponsoren gefunden und die Handlung weiter ausgebaut. Das Ergebnis versetzte Henschel in Staunen: "Mir lief es die ganze Zeit eiskalt den Rücken herunter", sagte der Wüstenforscher nach der Premiere am vergangenen Samstag.


Eigentlich waren drei Termine für das Stück angesetzt. Doch für den ersten Termin am Freitag gab es zu wenige Anmeldungen: "Es lag wohl daran, dass es ein Arbeitstag war", so Henschel. Vielleicht war aber auch der hohe Eintrittspreis für das exklusive Theater-Vergnügen schuld - eine Karte war für N$ 1000 angesetzt. Scheinbar zahlten aber nur die Wenigsten den Eintrittspreis. Viele der etwa 30 Gäste am Samstag kamen von den Sponsoren. Die Vorstellung am Sonntag wurde für etwa 25 Personen eines zur Forschungstation gehörenden Gremiums aufgeführt.


Zukünftig soll es trotzdem regelmäßig exklusive Kultur in der Wüste geben. "Die nächsten zwei Jahre sind auf alle Fälle finanziell gesichert", so Henschel. Zum einen biete sich Gobebab einfach für solche Veranstaltungen an. Andererseits gibt es allen Grund zu feiern: Die Station ist in Sachen Forschung angesagt - 26 Projekte gebe es durchschnittlich im Jahr.


Mit der Premiere war auch Produzent van Biljon zufrieden. "Es stimmte einfach alles. Die Winterabende im Mai sind dafür perfekt geeignet." Der Wind habe zwar noch bei der Generalprobe am Vortag ordentlich geweht. Zur Premiere war es dann aber fast windstill. Der Künstler ging mit seiner Vorstellung in der Wüste neue Wege: "Bisher habe ich nur auf einer Bühne gearbeitet." Die schier unendliche Bühne der Wüste habe ihm neue Möglichkeiten eröffnet. Die 30 Mitwirkenden des namibischen Jugendchors nutzten diesen Freiraum aus - schon zu Beginn lagen viele der "Tiere" verstreut im Wüstensand herum. Um den "Kuiseb-Fluss" herum, der duch Plastik-Matten angedeutet wurde, spielte sich das Stück ab. Die ausgefallenen Kostüme entwarf übrigens die Ehefrau des Produzenten, Helana Brandt.


Die "Spirits of the Kuiseb" werden im Rahmen des Kulturfestivals im Oktober nochmal aufgeführt. Dann aber nicht in den Dünen sondern auf der Heja Lodge, östlich von Windhoek.