Shangulas Heimkehr aus dem Ungewissen

Claudia Reiter
Gesundheitsminister Kalumbi Shangula steht seit einem Jahr fast täglich im Brennpunkt, wenn er namibische Corona-Statistiken bekanntgibt und periodisch mit Präsident Geingob aktuelle Verhaltensregeln und Einschränkungen ankündigt. Die Leserschaft kann ihn nun durch recht persönliche Zeilen näher kennenlernen, in denen er seinen Werdegang vom früheren Ovamboland über das Exil bis ins namibische Kabinett lebhaft umreißt.

„Ein Volk, das nicht weiß, wo es herkommt, wird nicht wissen wohin es geht.“ Unter diesem Zitat, das Altpräsident Nujoma zugeschrieben wird, hat ein Vorgänger Shangulas zur Vorstellung seiner Aufzeichnungen beigetragen: Dr Richard Kamwi, ehemaliger Gesundheitsminister, hat Shangula bereits im Exil gekannt, als sie sich im Peter Nanyemba-Krankenhaus in Lubango (Angola) trafen, dessen Leitung der Autor innehatte. Kamwi hält Shangulas Aufzeichnungen für „einen außerordentlichen Einblick in das Leben eines Sohnes von Namibia“.

Shangula hingegen beteuert im Vorwort: „Das Buch ist keine Autobiographie … Es handelt sich um Aussagen und Rechenschaft über den Exodus der zumeist jungen Namibier, die ab 1974 das Land verlassen haben.“ Der Autor, 73 Jahre alt, kommt nicht umhin, dennoch alle wesentlichen - für den Leser spannenden - Stationen seines Lebenslaufs ab seiner Geburt, 8. August 1948, bis nach der Heimkehr aus dem Exil sowie in Amt und Würden in führenden Gesundheitsposten zu schildern. Der Text endet ca 2014 und schließt somit auch den Tod seiner Ehefrau Elizabeth, Oktober 2008, ein. Er widmet ihr viele Zeilen. Sie hatten sich als namibische Studenten der Medizin in Moskau kennengelernt. Nach dem aufgezeichneten exemplarischen Werdegang eines anderen Exilanten, nämlich des ehemaligen Artilleristen bei den militärischen Kräften der Swapo (PLAN) und späteren Hochschuldozenten Andreas Niikondo ist Shangula der zweite Heimkehrer mit Karriere, der seine Memoiren über den Kuiseb-Verlag der Namibia Wissenschaftlichen Gesellschaft veröffentlicht hat.

Zerstörtes Manuskript

Shangulas Vorhaben, seine Erfahrung im Druck zu verbreiten, wurde im ersten Anlauf bei einer Sicherheitsdurchleuchtung in einem Flughafen zunichte gemacht. Die elektronischen Strahlen vernichteten den gesamten Text auf seinem Datenträger. Eine Reservekopie hatte er nicht. Andreas Niikondo hat Shangula dann ermutigt, ja nicht aufzugeben und alles noch einmal aufzuschreiben.

Die chronologische Erzählung erhellt einen der Wege, die die namibische Nation in ihrer ethnischen und ideologischen Verästelung sowie in ihrem Hergang beschritten hat. Shangula ist der ländliche Hirtenjunge, Sohn eines vermittelten Kontraktarbeiters der SWANLA (SWA Native Labour Organisation), der, ähnlich wie der ehemalige Präsident Hifikepunye Pohamba, bei der Kupfermine in Tsumeb arbeitet. Nach Shangulas Geburt im Dorf Etilyasa dauert es drei Monate, bis seine Namensgebung durch seinen Vater seinen Geburtsort erreicht: Eliakim Kalumbi. In der Zwischenzeit nannte seine Mutter ihn Tshomeya, der Oshivambo-Name für Tsumeb. Ab Klasse 5/Standard 3 läuft er täglich zwölf Kilometer zu Fuß zur Schule nach Okahao. Durch die Rede eines der Swapo-Gründer vor den Schülern, Eliaser Tuhadeleni, sowie durch ein frühes Treffen mit Ben Amathila - im souveränen Namibia wurde er der zweite Informationsminister - erwacht Shangulas politisches Bewusstsein und die lebenslange Gefolgschaft der Partei. In Ongwediva trifft er viele Mitschüler, die er namentlich nennt, und die wie er schließlich dem Ruf des Befreiungskampfes ins ungewisse Exil folgen. Darunter Samson Ndeikwila, der später in Ungnade der Swapo fällt.

Ovambo-Jugend und afrikaanse Schulleitung

Er schildert das spannungsgeladene Klima in Ongwediva zwischen der afrikaansen Schulleitung, zuweilen mit uniformierten Hilfslehrern aus der südafrikanischen Armee, und den Schülern, samt einem weißen Englischlehrer, der anders als die anderen Lehrer „gepolt“ war und es folglich nicht lange im Ovamboland ausgehalten hat. Der Abstecher zur Universität von Fort Hare in Natal, die während Shangulas Aufenthalt infolge von Studentenunruhen geschlossen wurde, führt zum Avancement zur pesona non grata in Namibia. Darauf folgt der Aufbruch ins Unbekannte: Angola vor der Unabhängigkeit mit Verhaftung durch die Portugiesen. Danach begeht er Irrwege bis nach Sambia, wo er über die „Old Farm“ zur verlesenen Gruppe gelangt, die zur Militärausbildung in die Sowjetunion entsandt wird, wo er auf der Krim in Simferopol landet. Shangula startet in der Militärakademie und trifft dort u.A. Ben Ulenga, Joseph Iita und Utoni Nujoma, allesamt zu gehobenen Polit-Karrieren prädestiniert. Im Lehrbetrieb spricht der Dozent Russisch, ein zweiter Russe übersetzt ins Englische, an dritter Stelle übersetzt ein Namibier dann ins Oshivambo und viertens gibt ein zweiter Namibier den Inhalt noch auf Rukwangali wieder. „Damit war nur noch ein Viertel der Lehrstunde zur Lehre übrig“, erinnert sich Shangula.

Viel Entbehrung, wenig Kampf

Nach der Wehrausbildung folgt ein drei Jahre dauernder Buscheinsatz mit vielen Entbehrungen hauptsächlich in Sambia, wo seine Gruppe unter Aufsicht von Sambiern steht. Der Kontrast zu Simferopol konnte kaum größer sein. Die Guerillas erhalten keinen Sold, keine Verpflegung und dürfen unter den Sambiern keine Waffen tragen. Vor dem Hintergrund erwähnt Shangula die sogenannte Shipanga-Revolte von 1976, verliert jedoch kein Wort über die tödlichen Straf- und Folterlager der Swapo in Angola, worüber andere Zeitgenossen etliche Schriften und Bücher verfasst haben. Lubango steht bei ihm als Begriff für „ein Netzwerk an Institutionen in Süd-Angola, die von PLAN (vom militärischen Flügel) geführt wurden“. Sollte der Autor an einer Kampfhandlung teilgenommen haben, so ewähnt er sie nicht. Nach seinem Einsatz in den Reihen der PLAN wird Shangula zum Medizinstudium erneut in die Sowjetunion entsandt, das er erfolgreich in Moskau absolviert. Vor Antritt musste er formal noch Russisch lernen.

Nach 16 Jahren im Exil kehrt er mit einem UN-Charterflug nach Namibia zurück: „Ich hatte ein sonderbares Empfinden, als ich nach so vielen Jahren wieder namibischen Boden betrat.“ Und seine Tochter Fenni, ein Ossi-Kind, muss aus Deutschland noch folgen.

Für namibische Leser, die mit der Politik vertraut sind und viele Amtsträger kennen, sind diese Memoiren hoch aufschlussreich und bis ins Detail ergänzend. Namibia-Freunde, die sich tiefer in die Landesgeschichte einlesen möchten, erwartet hier eine packende Erkundungsreise.

Eberhard Hofmann

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-25

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