Samson Buch
Wie gehen Namibier mit historischen Tatsachen um? Wie werden sie mit unbequemer, schmerzlicher Wahrheit fertig? Samson Ndeikwila, politischer Aktivist der sechziger, siebziger Jahre, Freiheitskämpfer, Theologe, Sozialarbeiter, politischer Häftling (15 Monate Gefängnis in Tansania auf Anordnung der SWAPO) und Kritiker der Machtelite hat seine Lebensgeschichte und die Ausgrenzung aus dem „Mainstream“ der Machtpolitik niedergeschrieben, um der Wahrheit zu dienen, wie unbequem diese auch seine sollte. Sein Buch, „The Agony of Truth“ wurde zur Jahresmitte von Prof. Joseph Diescho, ansonsten Leiter des Fortbildungsinstituts für Beamte (NIPAM) in Windhoek vorgestellt, der sich generell dadurch auszeichnet, dass er, anders als die machthabende Elite, bei keinem sozio-poltischen Thema Berührungsangst kennt.
Das Werk ist einmal in die Reihe der Offenlegung zur Geschichte einzugliedern, die sich mit der Repression, Folter und Liquidierung befasst, die eine kleine, aber politisch mächtige Gruppe namibischer Exilanten von den sechziger Jahren bis 1988 an ihren namibischen Landsleuten, ebenfalls im Exil, verübt hat. „Diese kleine Gruppe hatte sich die Macht über Leben und Tod der Mehrheit“ angeeignet, schreibt schon ein Zeitgenosse Ndeikwilas, Keshi Pelao Nathaniel in einer ähnlichen Autobiographie zehn Jahre früher in seinem Buch: „A journey into Exile“. Nathaniel und Siegfried Groth mit dem Werk „Namibische Passion“ gehören zu den Wegbereitern, dass die Repression unter Namibiern selbst auf dem Weg zur namibischen Souveränität zumindest für diejenigen, die sich um das Gesamtbild bemühen, dokumentiert wird. In der heroischen und forciert bombastischen Darstellung des Unabhängigkeitskampfes auf Partei- und Regierungsebene ist die makabre Seite bis heute noch total tabu. Das liegt gewiss auch daran, dass Mittäter, Eingeweihte und Verantwortliche der Repression und Folter in den Lagern, bzw. Straflagern, eben noch leben und dazu noch vielfach höchste Posten in der Regierung, in den Streitkräften und der Partei bekleiden, bzw. sich in unantastbarer Stellung befinden wie Altpräsident Sam Nujoma.
Ndeikwilas Buch ist ein beredtes Zeugnis eines Werdegangs aus der Geborgenheit der traditionellen Großfamilie und lutherisch-christlicher Erziehung im ländlichen Milieu von Ombalantu, Region Omusati, bis zum Einstieg ins politische Bewusstsein in Ongwediva und darüber hinaus. Liebevoll beschreibt er im Detail die Struktur und Herkunft seiner Großfamilie, gefolgt von seiner Schulzeit, die bezeichnend für seine Generation im Norden zunehmend in das nationalpolitische Bewusstsein hineinführt. Er schildert den politischen Idealismus und die Entbehrungen, unter denen er und eine kleine Gruppe Kameraden 1965 ins Exil aufgebrochen sind. Und dann ist Ndeikwila mit über tausend jungen Namibiern bei der Parteiführung in Ungnade gefallen, weil er im Exil einen Parteikongress gefordert hat und weil er sich furchtlos für die Freilassung von über 1000 Namibiern eingesetzt hat, die in Sambia und Tansania auf Anordnung der SWAPO-Führung gefangen gehalten wurden.
Ndeikwila hat eine Namensliste von 692 Namibiern aufgestellt, teils mit Herkunftsort der Regionen, die in der „Obhut“ der SWAPO als „vermisst“ gelten, inbegriffen einer Namensliste von Namibiern, die in den Lagern hingerichtet wurden. Er gibt auch 61 Namen von Namibiern an, die in die Hände der südafrikanisch-namibischen Kräfte gefallen sind und von denen jegliche Spur fehlt, bzw. von denen gesagt wird, dass sie sich nach Angola abgesetzt hätten.
Das Buch endet mit einem Abriss über drei politische Führer, die Ndeikwila insbesondere gewürdigt haben will, die von der herrschenden Elite ignoriert werden: Hererochef Clemens Kapuuo (ermordet), der SWAPO-Führer Tauno Hatuikulipi (ermordet) und Erastus Shamena (geächtet).
Der interessierte namibische Leser begegnet auf vielen Seiten bekannten Persönlichkeiten, die es auf der „richtigen“ Seite in hohe Posten geschafft haben. Das Buch ist ein wertvolles Dokument des Unabhängigkeitskampfes-. Es müsste jedoch durch exakte Kalenderdaten der verschieden Abläufe angereichert werden. Eine Überarbeitung zu einem mehr integrierten Text dürfte sich auch lohnen.
Kein seriöser Historiker oder Student des historischen Werdegangs wird Ndeikwila, Nathaniel und Groth ignorieren können.
Eberhard Hofmann
The Agony of Truth, eine Autobiographie von Samson Ndeikwila, broschürter Band, 220 Seiten. Verlag Kuiseb Publishers, 2014. ISBN:978-9945-76-27-2. Unverbindlicher Richtpreis: 230 N$.
Das Werk ist einmal in die Reihe der Offenlegung zur Geschichte einzugliedern, die sich mit der Repression, Folter und Liquidierung befasst, die eine kleine, aber politisch mächtige Gruppe namibischer Exilanten von den sechziger Jahren bis 1988 an ihren namibischen Landsleuten, ebenfalls im Exil, verübt hat. „Diese kleine Gruppe hatte sich die Macht über Leben und Tod der Mehrheit“ angeeignet, schreibt schon ein Zeitgenosse Ndeikwilas, Keshi Pelao Nathaniel in einer ähnlichen Autobiographie zehn Jahre früher in seinem Buch: „A journey into Exile“. Nathaniel und Siegfried Groth mit dem Werk „Namibische Passion“ gehören zu den Wegbereitern, dass die Repression unter Namibiern selbst auf dem Weg zur namibischen Souveränität zumindest für diejenigen, die sich um das Gesamtbild bemühen, dokumentiert wird. In der heroischen und forciert bombastischen Darstellung des Unabhängigkeitskampfes auf Partei- und Regierungsebene ist die makabre Seite bis heute noch total tabu. Das liegt gewiss auch daran, dass Mittäter, Eingeweihte und Verantwortliche der Repression und Folter in den Lagern, bzw. Straflagern, eben noch leben und dazu noch vielfach höchste Posten in der Regierung, in den Streitkräften und der Partei bekleiden, bzw. sich in unantastbarer Stellung befinden wie Altpräsident Sam Nujoma.
Ndeikwilas Buch ist ein beredtes Zeugnis eines Werdegangs aus der Geborgenheit der traditionellen Großfamilie und lutherisch-christlicher Erziehung im ländlichen Milieu von Ombalantu, Region Omusati, bis zum Einstieg ins politische Bewusstsein in Ongwediva und darüber hinaus. Liebevoll beschreibt er im Detail die Struktur und Herkunft seiner Großfamilie, gefolgt von seiner Schulzeit, die bezeichnend für seine Generation im Norden zunehmend in das nationalpolitische Bewusstsein hineinführt. Er schildert den politischen Idealismus und die Entbehrungen, unter denen er und eine kleine Gruppe Kameraden 1965 ins Exil aufgebrochen sind. Und dann ist Ndeikwila mit über tausend jungen Namibiern bei der Parteiführung in Ungnade gefallen, weil er im Exil einen Parteikongress gefordert hat und weil er sich furchtlos für die Freilassung von über 1000 Namibiern eingesetzt hat, die in Sambia und Tansania auf Anordnung der SWAPO-Führung gefangen gehalten wurden.
Ndeikwila hat eine Namensliste von 692 Namibiern aufgestellt, teils mit Herkunftsort der Regionen, die in der „Obhut“ der SWAPO als „vermisst“ gelten, inbegriffen einer Namensliste von Namibiern, die in den Lagern hingerichtet wurden. Er gibt auch 61 Namen von Namibiern an, die in die Hände der südafrikanisch-namibischen Kräfte gefallen sind und von denen jegliche Spur fehlt, bzw. von denen gesagt wird, dass sie sich nach Angola abgesetzt hätten.
Das Buch endet mit einem Abriss über drei politische Führer, die Ndeikwila insbesondere gewürdigt haben will, die von der herrschenden Elite ignoriert werden: Hererochef Clemens Kapuuo (ermordet), der SWAPO-Führer Tauno Hatuikulipi (ermordet) und Erastus Shamena (geächtet).
Der interessierte namibische Leser begegnet auf vielen Seiten bekannten Persönlichkeiten, die es auf der „richtigen“ Seite in hohe Posten geschafft haben. Das Buch ist ein wertvolles Dokument des Unabhängigkeitskampfes-. Es müsste jedoch durch exakte Kalenderdaten der verschieden Abläufe angereichert werden. Eine Überarbeitung zu einem mehr integrierten Text dürfte sich auch lohnen.
Kein seriöser Historiker oder Student des historischen Werdegangs wird Ndeikwila, Nathaniel und Groth ignorieren können.
Eberhard Hofmann
The Agony of Truth, eine Autobiographie von Samson Ndeikwila, broschürter Band, 220 Seiten. Verlag Kuiseb Publishers, 2014. ISBN:978-9945-76-27-2. Unverbindlicher Richtpreis: 230 N$.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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