NUR 24 ZEILEN (50. Folge)
NUR 24 ZEILEN (50. Folge)

NUR 24 ZEILEN (50. Folge)

Eine wahre Geschichte über den Krieg, die Liebe und den langen Weg zurück nach Afrika
Claudia Reiter
IN EINER FREMDEN WELT (Kapitel 15, Teil 6/6)

Im Juli gibt es immer noch keinen Antwortbrief aus Kapstadt. Kurt arbeitet weiterhin als Abwäscher, Kochassistent und Gärtner an der Schule. Eines Tages spricht ihn ein Vertreter des Colleges an. Kinder der Schule, die ihn in der Küche besucht haben, hätten ihm berichtet, dass er eigentlich gar kein kitchen-boy sei, sondern ein richtiger Lehrer. Ob er nicht Lust hätte, an dem College zu unterrichten? Nach anfänglichem Zögern sagt Kurt zu. Er möchte aber auf jeden Fall bis Ende des Jahres damit warten, um sein Englisch zu verbessern, denn er würde alle Fächer auf Englisch unterrichten müssen. Auch zögert er, weil das College, ähnlich wie in Paarl, eine „Kirchenschule“ ist und ihm die kirchlich-konfessionelle Einstellung fehlt, die er bei den Südafrikanern und den Australiern gleichermaßen vorfindet. Nach Kapstadt schreibt er:

Ich glaube, die Kirchen sind tot, und die Zeit ist reif für etwas Neues, etwas ganz anderes. Äußerer Schein, unechte Sonntagsheiligung und fromme Worte machen nicht den frommen Menschen aus. Ich bin kein Christ in diesem Sinn, auch wenn ich an den geistig lebendigen Menschen glaube. Aber ich versuche, mich innerlich freizumachen von all dem Äußeren, das uns auferlegt wird. Das Leben fordert ganz andere Kräfte und stellt ganz andere Aufgaben, als nur einer Form ohne Inhalt die Treue zu halten. – Und doch, solange wir nichts anderes haben, sollte man das Alte nicht abschaffen. Insofern sind die Kirchen noch wichtig.

Am 12. Juli geht der nächste Brief nach Kapstadt, ein weiterer Ruf mit der Hoffnung auf ein Echo.

Meine liebe Hildegard!

Der Brief ruhte einige Tage in meiner Schreibmappe, immer in der Hoffnung, Dir einen Brief bestätigen zu können. Leider habe ich nicht das Glück gehabt.

Ich habe inzwischen Australien besser kennengelernt. Es ist ein noch unerschlossenes Land, die großen Straßen führen an jungen Farmen vorbei, auf denen gerade die ersten Bäume gepflanzt wurden, und an älteren Farmen, die nach den ersten Hütten bereits ein schönes, geräumiges Haus haben und einen wohlhabenden Eindruck machen. Es gibt alle Arten von Farmen: Geflügel – Obst – Weizen – Bienenfarmen. Überall Neuanfang. Man kann hier gut verdienen, und viele von uns sind nach Nord-Queensland zum Zuckerrohrschneiden gefahren. Eine höllische Arbeit, aber gute Bezahlung. In den Januarmonaten werde ich Früchte pflücken.

Und dennoch warte ich immer noch sehnsüchtig auf einen Brief meiner alten Lagerkameraden aus Deutschland, die mir mitgeteilt hätten: Komm nach Hause, für Dich ist auch noch ein Plätzchen da. Nichts dergleichen. Deutschland wird Dich nicht vermissen, schreiben sie. Dieses In-die-Welt-hinaus-geschleudert-Sein ist für mich manchmal schwer zu ertragen, da plötzlich aller Sinn für eine Arbeit mit einem größeren Ziel dahingegangen ist.

Manchmal glaube ich, diese Gedanken nicht mehr ertragen zu können und daß es vielleicht schöner gewesen wäre, für das Vaterland zu sterben wie meine Brüder; ein gütiges Geschick hat sie das Ende nicht erleben lassen; ja, das ist schöner, als in einer zerbrochenen Welt weiterleben zu müssen im Kompromiß, in Zugeständnissen und Einschränkungen, die man nie in seinem Leben erdulden zu können glaubte.

Manchmal erblicke ich eine Lösung all dieser Probleme in der Hingabe an das Land, an Mutter Erde, an den Ursprung allen Seins. Vielleicht so wie Faust erst am Ende seines Lebens erkennt, daß Nutz- und Fruchtbarmachung des Landes höchste und vornehmste Aufgabe des Menschen sein sollte.

Hildegard, schreib wieder einmal, ich bin in großer Unruhe um Dich!

Am 5. September 1947, er hat immer noch keine Antwort von Hildegard, schreibt er einen Brief nach Pretoria, an das Department of the Interior, und schickt seinen Antrag auf Permanent Residence ab. Acht Fotos schickt er mit und anstelle eines Geburtsscheins die Kopie einer alten Steuererklärung, auf der sein Geburtsdatum vermerkt ist. Leider, fügt er hinzu, kann er keine Dokumentation über seine Universitätsabschlüsse als Beweis seiner Qualifikation als Lehrer schicken, da sie irgendwo in Deutschland und zurzeit unauffindbar seien.

Am selben Tag schickt er noch einmal einen besorgten Brief an seine Freundin, eigentlich ist sie schon seine Verlobte, in Kapstadt:

Meine liebe Hildegard!

Von Tag zu Tag empfinde ich Dein langes Schweigen schmerzlicher, denn es vergeht für mich ein Tag nach dem anderen ohne ein liebes Wort von Dir. Was ist geschehen? Habe ich Dir wehgetan? Ich denke an so viele Möglichkeiten und weiß doch nicht, was Dein Schweigen verursacht haben mag.

Es ist wieder September, der achte seit unserer langen Zeit der Trennung. Ob wir wohl das bittere Alleinsein bis zum letzten durchschreiten müssen, das Alleinsein in seiner Einseitigkeit, seiner trostlosen Einsamkeit? Aber gerade heute lebte in mir die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Dir mehr denn je wieder auf, haben sich doch einige Dinge zu unseren Gunsten entwickelt. Vielleicht kann ich Dir in diesem Brief ein klein wenig von meiner Hoffnung abgeben:

Ich habe Antwort auf mein Gesuch um Einwanderung erhalten, wurde gebeten, meine Papiere einzusenden, und ich habe Hoffnung, daß mein Gesuch genehmigt werden könnte. Aber eines sollst Du wissen: Ich komme nur nach Südafrika um Deinetwillen! Alle anderen Gründe verblassen hinter einer Begegnung mit Dir. Denn ich liebe Dich mit meinem ganzen Herzen und all mein Denken und Handeln umschließt Dich.

Zum anderen bin ich seit gestern von meinem „Lutheran College“ hier in Toowoomba als Lehrer fest angestellt, für Latein, Geschichte, Deutsch und Mathematik. Damit wäre auch hier in Australien eine Existenzgrundlage geschaffen. Selbstverständlich werde ich diese Stelle sofort aufgeben, wenn ich nach Südafrika zurückkehren kann. Aber was geschieht, wenn ich nicht einwandern darf? Dann wäre wohl die letzte Möglichkeit, daß Du mich in Australien aufsuchst. Meine liebe Hildegard, würdest Du dieses Opfer bringen, wenn ich nicht zurück darf?

Sieh, es hängt viel von Deiner Antwort ab. Denn ohne Dich wäre mein Leben sowohl in Südafrika als auch in Australien sinnlos. Wenn Du Dich von mir wenden solltest, würde ich in meine deutsche Welt zurückkehren. Ich allein frage nicht nach Sicherheit, Geld, Glück, Geborgenheit. Diese Dinge haben für mich nur Bedeutung im Zusammenhang mit Dir, mit Familie – in Gemeinsamkeit. Bitte, schreibe mir ein paar liebe Zeilen über diese Angelegenheit, gib mir wieder die nötige Sicherheit, eine wichtige Entscheidung zu treffen. Versuche, mich zu verstehen in meiner Not, hilf mir vorwärts in all meinen Fragen und Dingen. In den letzten neun Monaten bin ich schon ein ganz schönes Stück vorwärtsgekommen! Und ich versichere Dir, ich bin noch genau der frische, lebenslustige Kurt wie vor acht Jahren, und ich glaube, ich wüßte vor Glück und Übermut nicht, was ich täte, wenn ich Dir eines Tages gegenüberstehe in diesem, aber ganz bestimmt im nächsten Jahr.

Auf diesen Brief bekommt er endlich eine Antwort. Aber eine unerwartete.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-03-29

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