NUR 24 ZEILEN (33. Folge)
NUR 24 ZEILEN (33. Folge)

NUR 24 ZEILEN (33. Folge)

Eine wahre Geschichte über den Krieg, die Liebe und den langen Weg zurück nach Afrika
Claudia Reiter
STILLSTAND UND AUFBRUCH (Kapitel 11, Teil 1/3)

Am 1. Januar 1942 schauen sich die Gefangenen amerikanische und französische Filme an, alle seicht, alle unpolitisch, die meisten albern. Ohne neuen Schwung für ein neues Jahr versuchen sie, den gleichförmigen Alltag mit Gleichmut zu bewältigen, es wird von Monat zu Monat schwerer. Hildegards Leben in Kapstadt ist dagegen bestimmt von Neubeginn, Aufregung, eigenen Entscheidungen. Sie hat sich am Ende des letzten Jahres tatsächlich entschlossen, ihre Arbeit als Hilfslehrerin an der Deutschen Schule Kapstadt aufzugeben und ein Studium zu beginnen. Aber wo? Die liberale englische Universität in Kapstadt, die University of Cape Town, kommt nicht in Frage, denn obwohl ihre Eltern einen großen englischsprachigen Freundeskreis haben, erfahren sie als Deutschsprachige weiterhin starke antideutsche Ressentiments von den englischsprachigen Südafrikanern. Die 60 Kilometer entfernte afrikaanse Universität von Stellenbosch ist dagegen deutschfreundlich, und so schreibt sie sich dort für einen Bachelor of Arts ein. Ihre Hauptfächer sind Englisch und Afrikaans. Ihr Kurs dauert drei Jahre, anschließend wird sie eine einjährige pädagogische Ausbildung machen, um sich als Lehrerin an einer Highschool zu qualifizieren. Mit diesem Schritt nach Stellenbosch tritt sie plötzlich in eine rein Afrikaans sprechende Umgebung ein. Dies hat Folgen für die Beziehung zu Kurt, denn sie lernt einen Kulturkreis kennen und wird sich zunehmend in ihm heimisch fühlen, der ihm fremd ist und ihm auch fremd bleiben wird. Er hat zwar inzwischen im Lager ganz gut Afrikaans gelernt, liest ab und zu ein afrikaanses Buch und, wenn sie durch die Zensur geht, die afrikaanse Zeitschrift Huisgenoot, doch trägt diese Lektüre nicht dazu bei, ihm die afrikaanse Kultur näherzubringen. Eher im Gegenteil. Die afrikaansen Bücher, die er liest, sowie die Artikel in den afrikaansen Zeitschriften findet er sentimental, süßlich und völlig veraltet. Er bleibt jedoch bereit, sich von Hildegard eines Besseren belehren zu lassen.

Durch den Abbruch ihrer Lehrtätigkeit an der Deutschen Schule verlieren die beiden seit über zwei Jahren getrennten Liebenden eine weitere bisherige Gemeinsamkeit – die pädagogische Arbeit, das Lehren, den Unterricht. Und Hildegard lebt ab jetzt fast ausschließlich unter Studenten. Doch Kurt unterstützt Hildegards Vorhaben weiterhin aus vollem Herzen, soweit dies in 24-zeiligen zensierten Briefen möglich ist. Die Lebensbedingungen im Lager bleiben gut, die medizinische Betreuung und die sanitären Einrichtungen sind sogar hervorragend, die Verpflegung reichlich, und es gibt keine vorübergehenden Kürzungen wie in anderen Ländern. Für den regen Lehrbetrieb in den Lagern besorgen jetzt die Young Men’s Christian Association (YMCA) und das Deutsche Rote Kreuz die benötigten Bücher. Vor allem die YMCA beschenkt die Lager reichlich und beschafft selbst die außergewöhnlichsten Dinge wie Musikinstrumente, Samen für Gemüsegärten, Völker für eine Bienenzucht oder Eintagsküken und Enten zur Zucht für den Weihnachtsschmaus.

Allerdings ist auch ein vergoldeter Stacheldraht nur ein Stacheldraht, und das Lagerleben fordert der großen Anzahl zusammengewürfelter Männer, die Tag um Tag in Gemeinschaftssälen und in umzäunter Umgebung aufeinander hocken und aufeinander angewiesen sind, Selbstzucht, Disziplin und tägliches Zusammenreißen ab. Wenn es dies nicht gäbe, schreibt Kurt, wäre die Lage im Kamp unerträglich. Kameradschaft wird großgeschrieben, jeder weiß, dass der andere gleiche Schwierigkeiten zu überwinden hat, dies hilft, die unabänderliche Situation leichter zu ertragen. Sie sind sich dabei ihrer privilegierten Situation bewusst – zu einem Nichts schmelzen unsere kleinen Nöte zusammen, wenn wir an unsere Kameraden denken, die ihr Leben verloren.

In dieser trüben Zeit am Anfang des Jahres erfährt er von seiner Mutter, dass sein jüngster Bruder Werner, sein Lieblingsbruder, im August des vorigen Jahres in Russland gefallen ist. Wie schmerzlich muss es gewesen sein, diese Nachricht allein im Lager, ohne den Beistand von Familie und Freunden, zu lesen!

Leider habe ich Dir einen für mich sehr schmerzlichen Verlust mitzuteilen, schreibt er an Hildegard. Mein jüngster Bruder Werner ist in Rußland am 29. August als Leutnant gefallen, nachdem er in den letzten beiden Kriegsjahren dreimal verwundet worden war. Er war ein lieber Kerl, dem ich sehr nahestand und den ich gerne wiedergesehen hätte.

Als Hildegard diesen Brief erhält, kann sie tagelang mit niemandem darüber reden. Am meisten schmerzt es sie, dass sie Kurt nicht trösten, nicht bei ihm sein kann. Andererseits, was soll sie ihm auch sagen? Schon der zweite Bruder, den sie nie kennenlernen wird – es ist als bröckelten Stücke von Kurt ab und ließen ihn immer dünner, immer unbehüteter erscheinen. Erst nach einer Woche erzählt sie ihrer Mutter, was geschehen ist, und bricht in Tränen aus, weint um diesen Lieblingsbruder, aber auch um dieses schreckliche Morden, das dieser Krieg mit sich bringt, der ihr von Tag zu Tag sinnloser erscheint.

Kurt nimmt Anteil an allem, was sich ihm bietet, um der Einförmigkeit des Lagerlebens zu entrinnen. Im Lager wird der Tennisplatz fertiggestellt, und er spielt Tennis. Als es für ein paar Tage Arbeit außerhalb des Lagers gibt – Holz schlagen –, schlägt er Holz. Es ist, so schreibt er, Anstrengung und Erholung zugleich. Dann lernt er das Weben, sitzt Stunden am Webstuhl und webt sich einen Schal. Aus Südafrika lässt er sich Spielkarten schicken und spielt, um die langen Mittagszeiten zu überbrücken, Bridge. Doch all die Beschäftigungen helfen ihm nicht darüber hinweg, dass er seine besten Jahre unproduktiv, ohne Arbeit und Aufgabe, verbringt und er die Trennung von Freunden und Familie, von der geliebten Frau und von seinem Heimatland nur mit großer Selbstdisziplin erträgt.

Vielleicht gehören wir ja zu einem verlorenen Haufen, schreibt er, vielleicht erinnert man sich unser eines Tages – wer weiß es? Unsere ungewisse Zukunft in Australien und unsere Gedanken darüber kann uns niemand abnehmen. Jeder muß selbst damit fertig werden. Es geht mir gut, ganz davon abgesehen, aber jeder Monat, jedes Jahr wird für mich schwerer.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-27

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