Namibia vermittelt Euphorie und Entsetzen

Ein Erfahrungsbericht aus der Sambesi-Region - März 2019
Frank Steffen
Die ethnische Gruppe der Khwe ist ein Teil der South African Natives (SAN), der Ureinwohner Namibias. Seit Menschengedenken in der Sambesi-Region im Nord-Osten Namibias ansässig, kämpfen sie seit langer Zeit um ihr Überleben. Entlang der B8 zwischen Divundu und Kongola präsentieren ihre Dörfer ihre bittere Armut.

In dem Nationalpark der Sambesi-Region wird viel gewildert. Dagegen setzt die Regierung Anti-Wilderer-Einheiten (Anti Poaching Units, APU) ein. Peter, ein junger Khwe berichtet: „Mit Pfeil und Bogen gelten wir als Jäger bzw. Wilderer und können verhaftet oder erschossen werden. Dafür hat die APU die Legitimation vom Staat bekommen.“ Er erzählt von Gewalttätigkeiten gegenüber seinen Mitmenschen. „Eine unserer Haupteinkünfte ist das nachhaltige Ernten der Heilpflanze Teufelskralle. Wir gehen in den Busch, ernten die Pflanzen, trocknen sie und verkaufen sie legal an Händler. Im Juli 2017 kampierten acht Personen im Busch - zwei Männer, fünf Frauen und ein Kind -, um Teufelskrallen zu ernten. Dabei entdeckten sie unbekannte Fußspuren und meldeten dies dem ortsansässigen Naturschutzbeamten. Zwei Tage später tauchten morgens Sondereinsatzkräfte der namibischen Polizei und des Naturschutzes auf und schossen ohne Vorwarnung in das Lager dieser Menschen. Sie hörten erst auf als ein Mann, dessen Oberschenkel von einer Kugel durchbohrt wurden, vor Schmerzen schrie. Die beiden Buschmänner trugen ihren verletzten Kameraden nach Hause. Sein Name ist John Johannes Kamba. Mittlerweile geht es ihm wieder gut. Eine Aufklärung über den Tathergang ist uns Khwe nicht bekannt.“

Paulus bestätigte den Vorfall und ergänzt: „Wenn ich Hunger aber kein Geld habe, um an Essen zu kommen, außer der Veldkost (vegetabilische Nahrung) aus dem Busch, gehe ich bis zu der uns auferlegten Bannmeile. Doch von der Siedlung bis zur Begrenzungslinie ist bereits jetzt alles abgeerntet. Wenn ich die alten Leute sehe, die manchmal drei bis vier Tage nichts zu essen haben, kann ich das kaum ertragen!“

Ein weiterer Vorfall ereignete sich im gleichen Jahr. Vier Buschleute vom Stamm der Khwe liefen auf einem Wild-Pfad auf der Suche nach Feldfrüchten. Ohne Vorwarnung und ohne ersichtlichem Grund nahm eine APU die unbewaffneten Buschmänner unter Beschuss. Das Ergebnis dieser brutalen Aktion: Ein Toter, namens Smith Mukwasha, zwei Verletzte, namentlich Iwandamm Jackson und Mafuta Berries. Tucho Malesewa hat diesen Horror unverletzt überstanden.

Der Tote und die Verletzten wurden vom Naturschutz und der APU in deren Gemeinde transportiert und den entsetzten Dorfbewohnern angedroht: „Erzählt das all euren Leuten! Solltet ihr euch weiterhin außerhalb der Bannmeile bewegen, passiert euch das Gleiche!“ Seit der Zeit traut sich keiner mehr in den Busch um Veldkost oder Teufelskralle zu ernten.

Rentner bekommen 1200 Namibia-Dollar (ca. 80€) monatlich an staatlicher Rente. Voraussetzung dafür ist der Besitz eines offiziellen Dokumentes. Markus erklärt mir: „Sie müssen vom Staat registriert sein. Von ihnen wird ein Dokument mit einem Stempel ihres Häuptlings verlangt, der ihnen seit 1990 von der Regierung nicht zugestanden wird.“ Und ohne Stempel gibt es kein gültiges Dokument und darum für mehr als die Hälfte der alten Menschen seit 29 Jahren keine staatliche Rente. Ich frage mich wie die Menschen dort überleben können? Vor fünf Monaten haben sie letztmalig von der Regierung 36 kg Mehl, drei Fischdosen und 15 Liter Speiseöl für eine durchschnittlich achtköpfige Familie bekommen. Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Versprochen wurde ihnen eine monatliche Lieferung.

Aus historischer Literatur gewann ich den Eindruck, dass die körperlich kleinen und zierlichen Jäger und Sammler seit jeher von migrierenden Stämmen gejagt, versklavt oder ermordet wurden. Bis heute werden ihre Existenz und ihr Recht auf humanitäre Behandlung missachtet. Doch Namibia ist seit 1990 ein demokratischer Staat, von den meisten deutschen Touristen wegen der einmaligen Tierwelt und ihrer einzigartigen Naturlandschaften geliebt. Wie passt das alles zusammen?

Es ist eine perfide Art der Siedlungspolitik, die Erwin Mbambo, König der Mbukushu, betreibt. Er pflegt die Vermischung der Völker in der Art und Weise, dass in den Liegenschaften der Khwe die Mbukuschu ihre Hütten bauen dürfen. Selbst auf dem Grab des von allen Khwe verehrten letzten Häuptlings Kipi George wurde in demütigender Weise ein Mbukuschu-Haus errichtet.

Von Mbukushu geführte Kneipen, dienen als Treffpunkt zur Vertreibung von Hoffnungslosigkeit und Trübsal. Junge Khwe berichtet mir sinngemäß: „Mädchen werden dort alkoholisiert und gefügig gemacht. Oft sind sie noch minderjährig. Die martialisch auftretenden Männer der APU haben Geld und bei den Mädchen leichtes Spiel. Auch Fernfahrer, die sich auf dem ‚Aids-Highway‘ durch den Caprivi befinden, wissen, wo die kleinen, zierlichen Mädchen anzutreffen sind.“

Mir ist mittlerweile bewusst, dass die Khwe nicht mehr in der Lage sind, eigenständig für sich zu sorgen. Deren Not nutzen die Mbukushu schamlos aus. Was machen Frauen, wenn ihre Familie, ihre Kinder hungern müssen? Die Mbukushu geben ihnen Arbeit. „Sklavenarbeit“, ereiferte sich Matthäus. „Sie müssen ihnen den Haushalt machen, Zäune errichten, beim Hausbau helfen. Alles, was so anfällt. Sie bekommen einen Teller zu essen, das war‘s. Wenn ich in meinem Dorf von Haus zu Haus gehe, und das fällt mir jetzt schwer zu sagen, sieht man vor den Khwe-Hütten, da ist der Vater ein Mbukuschu, dort ist der Vater ein Mbukuschu … nächste Hütte das Gleiche …“

Auch das Gesundheitswesen liegt im Argen. Die Sterberate bei Säuglingen unter fünf Jahren liegt bei drei von fünf Kindern. Durch ihre Unterernährung erleiden sie schnell Tuberkulose oder Malaria. Hospitale in der Umgebung sind häufig nicht besetzt, größere Krankenhäuser liegen über 200 km entfernt. Realistische Aids-Raten werden angeblich hinter diversen Krankheiten statistisch verwässert.

Der Unterricht bis zum 4. Schuljahr in der jeweiligen Stammessprache ist gesetzlich verbrieft. Doch gibt es nur eine Handvoll Lehrer, die die Sprache der Khwe beherrschen und unterrichten. Es ist nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Buschkinder lernen in der Schule nichts, weil in ihrer Sprache Khwedam, eine Khoisan-Sprache mit Klick-Konsonanten, weder gesprochen noch gelehrt wird. Und da sie die Bantu-Sprache der Mbukushus nicht beherrschen, werden sie von der aktiven Teilnahme an den Schulen ausgeschlossen. Frühe Schwangerschaften und hohe Arbeitslosigkeit sind die Folgen.

Es wäre für die Regierung ein Leichtes, kurzfristig effektive Hilfe zu leisten. Dazu braucht es Beamte, die den alten Menschen vor Ort ihre Dokumente ausstellen, um an ihre Renten zu gelangen. Dies würde zunächst ihre größte Not lindern. Der Winter erfordert warme Kleidung und Decken. Ein mobiler Arztwagen kann helfen, viel Leid zu lindern. Zu einem demokratischen Staat mit Bewahrung aller selbstverfassten Grundrechte über alle Ethnien ist es in Namibia noch ein langer Weg.

Wolf Bernhard Braun

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-03-29

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