Nach den Wahlen: Kenias unsichere Zukunft
Zwar kam es nach der nun garantierten Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Uhuru Kenyatta zu einzelnen Zusammenstößen zwischen dessen Anhängern und denen seines unterlegenen Herausforderers Raila Odinga. Allerdings verliefen diese nicht so schlimm wie vor zehn Jahren, als das Land durch blutige Stammeskämpfe fast in einen Bürgerkrieg gestürzt wäre.
Dass es in Afrika ungleich häufiger als anderswo zu eklatantem Wahlbetrug kommt, liegt zum einen an dem aus westlicher Sicht fehlenden Demokratiebewusstsein. Wahlen schaffen oft Uneinigkeit und passen deshalb schlecht in das von Konsens und Harmonie geprägte Weltbild der Afrikaner.
Ein Nullsummenspiel
Zum anderen werden die Eigenheiten des (europäischen) Nationalstaats in Afrika mit den traditionellen Normen der dortigen Gesellschaften verknüpft. Geprägt wird dieses Wechselspiel von einer fast unumschränkten, ja absolutistischen Machtfülle des Staatschefs - und einem Verständnis vom Staat, das diesen als reine Einnahmequelle betrachtet. Weil der Wahlverlierer in Afrika fast immer mit leeren Händen ausgeht, sehen die meisten Politiker in den Urnengängen zu Recht ein Nullsummenspiel. Man befürchtet, bei einer Niederlage von den Ressourcen des Staates abgeschnitten zu werden, und kämpft mit allen verfügbaren Mitteln dagegen an.
Die Unterstützung der Zivilgesellschaft im Rahmen der Entwicklungshilfe hat daran wenig geändert. Im Gegenteil: Die oft extrem dreiste Selbstbedienungsmentalität der Eliten in Afrika, auch und gerade in Kenia, hat vielmehr dazu beigetragen, dass viele Staaten wie der Kongo, Südsudan oder die Zentralafrikanische Republik, sich in Auflösung befinden und die dünne demokratische Decke oft frühzeitig erodiert.
Stammesdenken bleibt
Schon aus Enttäuschung über ihre fortgesetzte Verarmung bleiben viele Afrikaner wie auch in Kenia deshalb einem oft stark ausgeprägten Stammesdenken verhaftet und kennen keine stärkere Loyalität gegenüber der neu geschaffenen Nation. „Wenn Korruption und Vetternwirtschaft wie fast überall in Afrika prägende Merkmale einer Gesellschaft sind, bröckelt der dünne zivilisatorische Firnis, mit dem die postkolonialen Staaten eine Zeit lang zu verdecken wussten, dass sie kein Staat im modernen Sinne sind“, schreibt der Konfliktforscher Ulrich Menzel.
Immerhin verfügt Kenia, anders als weite Teile Afrikas zumindest über eine Volkswirtschaft, die von der Landwirtschaft über das Dienstleistungsgewerbe bis zum IT-Sektor relativ breit aufgestellt ist. Auch ist in der kenianischen Hauptstadt Nairobi vor zehn Jahren in einem Ex-Einkaufszentrum eine Art Zukunftslabor entstanden, das in Anlehnung an das viel größere Pendant in Kalifornien stolz den Namen „Silicon Savannah“ trägt. Gedacht war es als eine Art digitale Entwicklungshilfe nach dem Vorbild Indiens, wo in den 1980er Jahren ein IT-Boom für einen Modernisierungsschub gesorgt hatte.
Allerdings sind einige der westlichen Geldgeber, die im Silicon Savannah ein Start-up kaufen wollten, schon enttäuscht weitergezogen. Denn die Auswahl ist überschaubar. Auch bremsen komplexe Steuergesetze und der hohe Mangel an Fachkräften die Euphorie. Und schließlich ist die Infrastruktur selbst im vermeintlich so stark aufstrebenden Ostafrika oft noch rudimentär.
Extreme Strukturprobleme
Erschwerend kommt hinzu, dass die vermeintliche Wirtschaftslokomotive Kenia, immerhin Afrikas viertgrößte Volkswirtschaft nach Südafrika, Nigeria und Angola, unter einem viel zu starken Bevölkerungswachstum sowie extremer Arbeitslosigkeit leidet: Seine Bevölkerung wächst um 2% im Jahr und dürfte sich bis 2050 von derzeit 48 auf fast 100 Millionen mehr als verdoppeln! Überall werden dann noch mehr Schulen, Hospitäler und vor allem Jobs fehlen. Denn bereits jetzt sind knapp die Hälfte seiner Menschen jünger als 24 Jahre - und etwa 40% seiner Bevölkerung ohne Job.
Wolfgang Drechsler, Kapstadt
Dass es in Afrika ungleich häufiger als anderswo zu eklatantem Wahlbetrug kommt, liegt zum einen an dem aus westlicher Sicht fehlenden Demokratiebewusstsein. Wahlen schaffen oft Uneinigkeit und passen deshalb schlecht in das von Konsens und Harmonie geprägte Weltbild der Afrikaner.
Ein Nullsummenspiel
Zum anderen werden die Eigenheiten des (europäischen) Nationalstaats in Afrika mit den traditionellen Normen der dortigen Gesellschaften verknüpft. Geprägt wird dieses Wechselspiel von einer fast unumschränkten, ja absolutistischen Machtfülle des Staatschefs - und einem Verständnis vom Staat, das diesen als reine Einnahmequelle betrachtet. Weil der Wahlverlierer in Afrika fast immer mit leeren Händen ausgeht, sehen die meisten Politiker in den Urnengängen zu Recht ein Nullsummenspiel. Man befürchtet, bei einer Niederlage von den Ressourcen des Staates abgeschnitten zu werden, und kämpft mit allen verfügbaren Mitteln dagegen an.
Die Unterstützung der Zivilgesellschaft im Rahmen der Entwicklungshilfe hat daran wenig geändert. Im Gegenteil: Die oft extrem dreiste Selbstbedienungsmentalität der Eliten in Afrika, auch und gerade in Kenia, hat vielmehr dazu beigetragen, dass viele Staaten wie der Kongo, Südsudan oder die Zentralafrikanische Republik, sich in Auflösung befinden und die dünne demokratische Decke oft frühzeitig erodiert.
Stammesdenken bleibt
Schon aus Enttäuschung über ihre fortgesetzte Verarmung bleiben viele Afrikaner wie auch in Kenia deshalb einem oft stark ausgeprägten Stammesdenken verhaftet und kennen keine stärkere Loyalität gegenüber der neu geschaffenen Nation. „Wenn Korruption und Vetternwirtschaft wie fast überall in Afrika prägende Merkmale einer Gesellschaft sind, bröckelt der dünne zivilisatorische Firnis, mit dem die postkolonialen Staaten eine Zeit lang zu verdecken wussten, dass sie kein Staat im modernen Sinne sind“, schreibt der Konfliktforscher Ulrich Menzel.
Immerhin verfügt Kenia, anders als weite Teile Afrikas zumindest über eine Volkswirtschaft, die von der Landwirtschaft über das Dienstleistungsgewerbe bis zum IT-Sektor relativ breit aufgestellt ist. Auch ist in der kenianischen Hauptstadt Nairobi vor zehn Jahren in einem Ex-Einkaufszentrum eine Art Zukunftslabor entstanden, das in Anlehnung an das viel größere Pendant in Kalifornien stolz den Namen „Silicon Savannah“ trägt. Gedacht war es als eine Art digitale Entwicklungshilfe nach dem Vorbild Indiens, wo in den 1980er Jahren ein IT-Boom für einen Modernisierungsschub gesorgt hatte.
Allerdings sind einige der westlichen Geldgeber, die im Silicon Savannah ein Start-up kaufen wollten, schon enttäuscht weitergezogen. Denn die Auswahl ist überschaubar. Auch bremsen komplexe Steuergesetze und der hohe Mangel an Fachkräften die Euphorie. Und schließlich ist die Infrastruktur selbst im vermeintlich so stark aufstrebenden Ostafrika oft noch rudimentär.
Extreme Strukturprobleme
Erschwerend kommt hinzu, dass die vermeintliche Wirtschaftslokomotive Kenia, immerhin Afrikas viertgrößte Volkswirtschaft nach Südafrika, Nigeria und Angola, unter einem viel zu starken Bevölkerungswachstum sowie extremer Arbeitslosigkeit leidet: Seine Bevölkerung wächst um 2% im Jahr und dürfte sich bis 2050 von derzeit 48 auf fast 100 Millionen mehr als verdoppeln! Überall werden dann noch mehr Schulen, Hospitäler und vor allem Jobs fehlen. Denn bereits jetzt sind knapp die Hälfte seiner Menschen jünger als 24 Jahre - und etwa 40% seiner Bevölkerung ohne Job.
Wolfgang Drechsler, Kapstadt
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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