Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 71)
Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Verwunderliches
Im Februar nehme ich an einer einwöchigen Konferenz zum Thema: „Effektive Elternschaft”, teil. Ich bin völlig erstaunt, dass man hier Fragen zu bedenken gibt und diskutiert, die in Deutschland bereits seit 40 Jahren selbstverständlich sind. Gleichzeitig frustriert mich das aber auch unglaublich. Mir wird immer deutlicher, wie weit Namibia entwicklungsmäßig noch immer im Hintertreffen ist.
Man bittet mich spontan über Elternschaft, ins besondere im Zusammenhang mit der HIV/Aids-Problematik, zu referieren. Dabei wird deutlich, dass sich von den 120 anwesenden Sozialpädagogen sich kaum jemand mit dem Thema HIV auskennt. Auch das schockiert mich, da unsere Berufsgruppe die Beratung in allen Zusammenhängen der HIV/Aids-Problematik durchführt.
Es wird nochmal in meinem Büro eingebrochen und alles „privatisiert” was nicht niet- und nagelfest ist. Sogar mein Mittagessen ist verschwunden. Der Dieb muss hungrig gewesen sein. Mein Büro sieht aus wie bei einer Morduntersuchung. Wände, Möbel und Türen sind mit schwarzem Puder angepinselt worden auf der Suche nach Fingerabdrücken. Der Einbruch interessiert aber nicht wirklich jemanden. Der Kleinkriminelle, einer unserer Angestellten vom Reinigungspersonal, ist bereits wieder auf freiem Fuß und arbeitet sogar weiterhin im Haus!
Alle diese Erlebnisse bringen mich erneut darüber ins Nachdenken, ob Namibia noch der richtige Platz für mich ist. Mal ganz abgesehen davon, dass ich immer noch keine Rente erhalten würde. Ich habe das Gefühl, dass ich mich nicht weiterentwickeln kann, dass ich feststecke, stagniere. Ich bin unzufrieden. Finanziell gesehen geht es mir auch nicht gut. Jedes Jahr wird alles um die zehn Prozent teurer. Die Gehälter bleiben jedoch gleich, was mich immer mehr in finanzielle Bedrängnis stürzt. Ich ziehe die Konsequenzen und bewerbe mich übers Internet bei verschiedenen Arbeitgebern in Deutschland.
Geißel Tuberkulose
Seit ich beim Ministerium arbeite, muss ich an ausgesprochen vielen Workshops und Konferenzen teilnehmen. Kürzlich war ich deshalb seit langer Zeit mal wieder im Norden des Landes, nahe der angolanischen Grenze. Dabei ging es um Tuberkulose.
Es ist fast erschreckend, wie sehr die Zahl in den vergangenen Jahren an Tuberkulose-Erkrankten gestiegen ist. Besonders multiresistente TB-Erkrankungen (MDR). Eine Infektion mit MDR bedeutet für den Patienten einen mindestens zwölfmonatigen Krankenhausaufenthalt, ohne das Krankenhaus verlassen zu dürfen, dazu jeden Tag die Einnahme von starken Antibiotika und mindestens acht Monate lang jeden Tag schmerzhafte Spritzen in den Gesäßmuskel. Durch eine bestimmte Antibiotikagabe werden viele MDR-Patienten häufig schwerhörig oder sogar taub. Manchmal werden sie auch psychotisch.
Einem meiner ersten Patienten, den ich beraten habe und der bereits jahrelang therapiert wird, hält es anscheinend nicht mehr aus. Er sticht sich mit einem Messer in den Herzmuskel. Dabei ist gerade das erste Mal eine Heilung in Sicht. Seine Familie ist so fassungslos, dass sie eher an einen Mord als an Selbstmord glaubt.
Ein anderer Fall geht mir persönlich echt nahe. Normalerweise kann ich mich ganz gut abgrenzen. In diesem Fall gelingt es mir nicht so richtig. Ein junger Himba kommt in Begleitung seines Vaters in unsere Klinik. Seit nunmehr sieben Jahren ist der Vater von Krankenhaus zu Krankenhaus, von Arzt zu Arzt gelaufen, um letztendlich bei den Zauberern sein komplettes Vermögen für die Heilung seines Sohnes auszugeben. Die den Gesundheitszustand jedoch nur noch verschlimmert haben. Inzwischen ist der Vater verbittert und misstrauisch. Deshalb bitten die Ärzte mich, die Kooperation wieder herzustellen. Der junge Mann hat sich vor Jahren beim Jagen im Halswirbelbereich eine kleine Wunde zugezogen, die sich infiziert hat. Die Wunde wurde größer, die Infektion breitete sich aus. Inzwischen ist sogar die Wirbelsäule angegriffen, was zu Lähmungen führt. Außerdem haben sich Löcher in der Luft- und Speiseröhre gebildet, wodurch alles, was er runterschluckt durch die Wunden wieder austritt. Im Gespräch mit dem Vater faßt dieser wieder Vertrauen. Leider verstirbt der junge Himba nach drei Tagen. Die Entzündungen waren zu weit fortgeschritten. Mich beeindruckte, wie der Vater um das Leben seines Sohnes gekämpft hat. Es war nicht sein einziges Kind. Er hat mit mehreren Frauen um die 80 Kinder. Mich erinnert das an Jesus, dem jeder einzelne Mensch auch so unendlich wichtig ist und um dessen Wohlergehen er sich sorgt.
Im Februar nehme ich an einer einwöchigen Konferenz zum Thema: „Effektive Elternschaft”, teil. Ich bin völlig erstaunt, dass man hier Fragen zu bedenken gibt und diskutiert, die in Deutschland bereits seit 40 Jahren selbstverständlich sind. Gleichzeitig frustriert mich das aber auch unglaublich. Mir wird immer deutlicher, wie weit Namibia entwicklungsmäßig noch immer im Hintertreffen ist.
Man bittet mich spontan über Elternschaft, ins besondere im Zusammenhang mit der HIV/Aids-Problematik, zu referieren. Dabei wird deutlich, dass sich von den 120 anwesenden Sozialpädagogen sich kaum jemand mit dem Thema HIV auskennt. Auch das schockiert mich, da unsere Berufsgruppe die Beratung in allen Zusammenhängen der HIV/Aids-Problematik durchführt.
Es wird nochmal in meinem Büro eingebrochen und alles „privatisiert” was nicht niet- und nagelfest ist. Sogar mein Mittagessen ist verschwunden. Der Dieb muss hungrig gewesen sein. Mein Büro sieht aus wie bei einer Morduntersuchung. Wände, Möbel und Türen sind mit schwarzem Puder angepinselt worden auf der Suche nach Fingerabdrücken. Der Einbruch interessiert aber nicht wirklich jemanden. Der Kleinkriminelle, einer unserer Angestellten vom Reinigungspersonal, ist bereits wieder auf freiem Fuß und arbeitet sogar weiterhin im Haus!
Alle diese Erlebnisse bringen mich erneut darüber ins Nachdenken, ob Namibia noch der richtige Platz für mich ist. Mal ganz abgesehen davon, dass ich immer noch keine Rente erhalten würde. Ich habe das Gefühl, dass ich mich nicht weiterentwickeln kann, dass ich feststecke, stagniere. Ich bin unzufrieden. Finanziell gesehen geht es mir auch nicht gut. Jedes Jahr wird alles um die zehn Prozent teurer. Die Gehälter bleiben jedoch gleich, was mich immer mehr in finanzielle Bedrängnis stürzt. Ich ziehe die Konsequenzen und bewerbe mich übers Internet bei verschiedenen Arbeitgebern in Deutschland.
Geißel Tuberkulose
Seit ich beim Ministerium arbeite, muss ich an ausgesprochen vielen Workshops und Konferenzen teilnehmen. Kürzlich war ich deshalb seit langer Zeit mal wieder im Norden des Landes, nahe der angolanischen Grenze. Dabei ging es um Tuberkulose.
Es ist fast erschreckend, wie sehr die Zahl in den vergangenen Jahren an Tuberkulose-Erkrankten gestiegen ist. Besonders multiresistente TB-Erkrankungen (MDR). Eine Infektion mit MDR bedeutet für den Patienten einen mindestens zwölfmonatigen Krankenhausaufenthalt, ohne das Krankenhaus verlassen zu dürfen, dazu jeden Tag die Einnahme von starken Antibiotika und mindestens acht Monate lang jeden Tag schmerzhafte Spritzen in den Gesäßmuskel. Durch eine bestimmte Antibiotikagabe werden viele MDR-Patienten häufig schwerhörig oder sogar taub. Manchmal werden sie auch psychotisch.
Einem meiner ersten Patienten, den ich beraten habe und der bereits jahrelang therapiert wird, hält es anscheinend nicht mehr aus. Er sticht sich mit einem Messer in den Herzmuskel. Dabei ist gerade das erste Mal eine Heilung in Sicht. Seine Familie ist so fassungslos, dass sie eher an einen Mord als an Selbstmord glaubt.
Ein anderer Fall geht mir persönlich echt nahe. Normalerweise kann ich mich ganz gut abgrenzen. In diesem Fall gelingt es mir nicht so richtig. Ein junger Himba kommt in Begleitung seines Vaters in unsere Klinik. Seit nunmehr sieben Jahren ist der Vater von Krankenhaus zu Krankenhaus, von Arzt zu Arzt gelaufen, um letztendlich bei den Zauberern sein komplettes Vermögen für die Heilung seines Sohnes auszugeben. Die den Gesundheitszustand jedoch nur noch verschlimmert haben. Inzwischen ist der Vater verbittert und misstrauisch. Deshalb bitten die Ärzte mich, die Kooperation wieder herzustellen. Der junge Mann hat sich vor Jahren beim Jagen im Halswirbelbereich eine kleine Wunde zugezogen, die sich infiziert hat. Die Wunde wurde größer, die Infektion breitete sich aus. Inzwischen ist sogar die Wirbelsäule angegriffen, was zu Lähmungen führt. Außerdem haben sich Löcher in der Luft- und Speiseröhre gebildet, wodurch alles, was er runterschluckt durch die Wunden wieder austritt. Im Gespräch mit dem Vater faßt dieser wieder Vertrauen. Leider verstirbt der junge Himba nach drei Tagen. Die Entzündungen waren zu weit fortgeschritten. Mich beeindruckte, wie der Vater um das Leben seines Sohnes gekämpft hat. Es war nicht sein einziges Kind. Er hat mit mehreren Frauen um die 80 Kinder. Mich erinnert das an Jesus, dem jeder einzelne Mensch auch so unendlich wichtig ist und um dessen Wohlergehen er sich sorgt.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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