Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 64)
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 64)

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 64)

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Wiebke Schmidt
Ein Abschied für immer
An meinem Geburtstag, den ich am darauffolgenden Wochenende feiere, ist Jackson natürlich auch dabei. Ich habe zum Brunch eingeladen. Er trägt die schwarze Trainingshose, die ich ihm in Deutschland gekauft habe, dazu ein T-Shirt. Alle anderen Kleidungsstücke sind ihm inzwischen drei Nummern zu groß. Er kann kaum die Gitarre halten und blutet ständig aus der Nase. Aber er lässt es sich nicht nehmen, mir zum Geburtstag mein Lieblingslied zu singen. „Soremandendee“. Seine Stimme bricht nach der Hälfte des Liedes. Trotzdem ist er der Star des Tages. Nachdem alle Gäste heimgefahren sind, setzen sich Jackson und ich noch an „unserem“ Tisch im Wohnzimmer zusammen, wo wir so oft zusammen gebetet und gespeist haben. Jackson fragt, ob ich keine Champagnerflasche da hätte. Doch. Habe ich. Wir trinken gemeinsam den edlen Tropfen. Jackson nimmt die beiden Kerzenständer in die Hand, die er mir aus Norwegen mitgebracht hat. „Du bist mir wichtig. Du warst mir immer sehr wichtig“, sagt er. „Ich weiß“, antworte ich. Was ist das jetzt, ein Abschied für immer? Ein letztes Mal die Versicherung seiner Liebe zu mir, ausgedrückt auf seine spezielle Art und Weise? „Jackson. Du weißt, dass du nicht mehr lange leben wirst. Ich denke, dass du vielleicht noch drei Tage hast, vielleicht etwas mehr, vielleicht etwas weniger“, höre ich mich sagen. „Wer weiß, vielleicht lebe ich noch ewig“, entgegnet Jackson. „Ja. Das wirst du. Aber nicht auf dieser Erde“, bemerke ich. Ich merke, dass Jackson darüber nicht weiter sprechen möchte. Jackson ist müde und erschöpft. Er möchte sich hinlegen. Ich decke ihn zu. Er ist sofort eingeschlafen. Nachdem er aufgewacht ist, will er zurück zu seinen Kindern nach Katutura fahren. Da mein Putzmann Paul gerade gekommen ist, bringe ich ihn nur zum Taxi. Vorher packe ich ihm noch eine große Tüte belegter Brötchen ein. Wir verabschieden uns. Es ist ein Abschied für immer.
Am 27. Mai 2010 ruft mich am frühen Abend mein Trauzeuge Frank an. „Kerstin. Hast du dir schon die Nachrichten angesehen?“, fragt er mich.“ „Nein, wieso?“, frage ich. „Dort haben sie eben mitgeteilt, dass Jackson verstorben ist“, sagt er etwas verhalten. Mir wird flau im Magen. Oh nein. Aber vielleicht ist das wieder eine Falschmeldung, denke ich hoffnungsvoll. „Danke. Frank. Ich rufe Jax gleich mal an.“ Ich wähle mich zittrigen Händen Jacksons Handynummer. Jemand geht ans Telefon. Aber statt Jackson geht seine älteste Tochter ans Telefon. Sie bestätigt mir Jacksons Tod. Tränen laufen über mein Gesicht. Ich schalte den Fernseher ein. Es läuft als Dauerschleife die Nachricht über den Bildschirm: „Bekannter namibischer Sänger Jackson Kaujeua heute im Staatskrankenhaus in Windhoek verstorben.“ Dann rufe ich Angela an. „Bitte komm zu mir. Jackson ist tot. Ich muss zum Trauerhaus fahren. Alleine kann ich da nicht hingehen.“ Angela verspricht sofort, gemeinsam mit ihrem Mann Gerson, zu kommen

Das Trauerhaus
Nach einer gefühlten Ewigkeit holen mich die beiden ab und wir fahren gemeinsam nach Katutura zum Haus, wo seine (Ex-) Frau wohnt. Dass ich dort nicht gerne gesehen werde, kann ich mir denken. Deshalb bin ich froh, Angela als Pastorin dabei zu haben und ihren Mann, der genau wie Jackson, auch zum Volk der Hereros gehört. Es haben sich bereits viele Verwandte und Nachbarn eingefunden. Im Schlafzimmer liegt seine (Ex-) Frau vollkommen in eine Wolldecke gehüllt auf dem Bett. Im Zimmer haben sich viele nahe Verwandte versammelt. Wir kondolieren und Angela beginnt eine kurze Andacht zu halten und zu beten. Danach bittet uns Jacksons Neffe Moses, dass wir den Raum verlassen. Zuvor flüstere ich der trauernden Witwe jedoch noch zu, dass ein Testament existiert. In ihren Augen sehe ich weder Trauer noch Schmerz. Aber vielleicht zeigt sie es nur nicht so offen. Ich kann meine Tränen nicht zurückhalten. Sie fließen einfach. Ununterbrochen. Der Schmerz, den ich empfinde, ist unerträglich. Jackson ist tot. So langsam erreicht diese Botschaft meinen Verstand. Dieses Mal ist es wahr und kein unpassendes Gerücht. Meine Einschätzung ist eine prophetische Voraussage gewesen. Jackson hat tatsächlich nur noch drei Tage gelebt. Neben dem Schmerz fühle ich aber auch einen Anflug von Erleichterung. „Er hat es geschafft“, denke ich. Ein bisschen Wut und Entrüstung mischt sich auch unter meine Gefühle. Warum hat seine Familie mich nicht angerufen? Ich habe immer Bescheid gesagt, wenn ich Jackson wieder ins Krankenhaus gebracht habe. Die Gräben zwischen uns scheinen größer zu sein als ich dachte. Es gibt aber auch andere Stimmen. Jacksons Tochter ruft mich ein paar Tage später an und bedankt sich für alles, was ich für ihren Vater getan habe. Sehr berührt bin ich auch, als die Schwester seiner Mutter bei mir anruft und viele nette Worte findet. Ich fahre immer wieder in den nächsten Tagen zum Trauerhaus und bringe für die vielen Gäste Getränke vorbei und für die Kinder einige Spielsachen. Einer von Jacksons Brüder erzählt mir, dass Jackson ihm bei einem Besuch in Swakopmund gesagt hätte, dass er mich liebt. Ich freue ich sehr, dass von Seiten einiger Familienmitglieder etwas differenziertere Meinungen mir gegenüber bestehen und sie diese auch zum Ausdruck bringen. Andere sind nicht so respektvoll. Einige der Ältesten bitten mich zu einem Gespräch. „Van Wyk. Bring uns die Firmenunterlagen. Wir wollen wissen wieviel Geld da ist“, befiehlt mir einer von ihnen. Ich habe bereits geahnt, dass es um Geld gehen wird. Als Jackson todkrank im Krankenhaus lag, haben sie ihn bereits unter Druck gesetzt. Er sollte die Firma und meine Anteile auf sie übertragen. Was schon alleine rechtlich nicht möglich gewesen wäre. Meine Anteile gehören mir. Jackson war wütend geworden und hat ihnen deutlich zu verstehen gegeben, dass er das nicht machen wird. Dabei wirft die Firma keinen Pfennig ab. Sie verursacht derzeit nur Kosten. Aber die Verwandten scheinen mit dem Wort Firma Unsummen an Geld zu verbinden. Und sie scheinen der Ansicht zu sein, dass es allein ihnen gehört. Meine Antwort lautet betont höflich: „Warum fragen Sie mich das? Alle Unterlagen der Firma liegen in Kopie hier im Haus. Außerdem gibt es ein Testament, das Jacksons letzten Willen regelt. Sprechen Sie mit dem Nachlassverwalter.“ Ein Testament ist etwas Ungewöhnliches in der Tradition der Hereros. Erbschaften werden gewöhnlich nach traditioneller Weise geregelt. Sie verstehen nicht, dass ein Testament rechtlich über den Traditionen steht. Auch der Nachlassverwalter, der extra ein paar Tage später nach Ovitoto reist, um das Testament im Kreise der Familie zu verlesen, hat den Eindruck, dass sie es nicht verstehen oder verstehen wollen. Ich sehe, dass ihnen meine Antwort nicht behagt. „Wieviel Geld wirst du zur Beerdigung beisteuern?“ ist ihre nächste Frage, die mich allmählich innerlich auf die Palme bringt. Mit in die Planung der Beerdigung werde ich nicht mit einbezogen, aber zahlen soll ich alles. Man hat mir noch nicht mal einen Tee angeboten in all den Tagen, die ich hergekommen bin, um gemeinsam zu trauern. Meine Antwort fällt ausweichend aus. „Van Wyk. Du kannst gehen“, werde ich von der Gruppe schlussendlich aufgefordert. Dieser Aufforderung komme ich nur allzu gerne nach.
Ich treffe auf Jacksons Kinder. Ujama umarmt mich. Wir weinen beide. Nach langem Überlegen nehme ich Jacksons ältesten Sohn beiseite und teile ihm Jacksons tatsächliche Todesursache mit. Ich möchte nicht, dass seine Kinder mit einer Lüge leben. Er will mir erst nicht glauben. Aber ihm ist natürlich klar, dass ich in dieser Hinsicht nicht lügen würde. Was er mit dieser Information anstellt, überlasse ich ihm.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-03-28

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