Missionarin ohne Heiligenschein  (Teil 59)
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 59)

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 59)

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Wiebke Schmidt
Konzert in Prag

In drei Tagen soll ein Konzert in Prag stattfinden. Wen überrascht es, dass auch hier absolut nichts organisiert wurde. Ich habe nun die Nase voll. Ich sage Jackson, dass ich abreisen will. Da mache ich mir lieber ein paar entspannte Tage in Deutschland. Meine Frustrationsgrenze ist erreicht. Jackson ist erschüttert, und bittet mich zu bleiben. Ich lasse mich breitschlagen, da ich ihn auch nicht hängenlassen will. Hätte ich gewusst was mir noch bevorsteht, wäre ich bei meiner Entscheidung geblieben.

Auch warten wir immer noch auf unsere Gage. Unser „tiefbegabter Freund“ lässt nun endlich durchblicken, dass es kein Geld geben wird. Ich bin inzwischen so genervt, dass ich ihm androhe einen Beschwerdebrief an das Ministerium zu schreiben. Und wenn das nichts nützen würde, würde ich mich persönlich an den Staatspräsidenten wenden. Eigentlich sage ich das nur aus einer großen Hilflosigkeit heraus. Zwei Tage später zahlt er jedem (außer mir) 500 Euro aus. Dabei hält er sich für besonders großzügig. Ich finde es eine Unverschämtheit. Aber die Musiker sind erst einmal zufrieden. Ein zweites, von uns privat arrangiertes Konzert, verläuft ohne Schwierigkeiten. Dafür sind auch extra Jacksons Sohn aus Norwegen und Jackson Wahengo eigens aus der Schweiz angereist. Der Nachtclub ist ausverkauft. Wir können zudem auch etliche CDs verkaufen. Das spült einiges an Cash in unsere mageren Geldbeutel.

Ich „darf“ zwei Tage lang im Büro des „Tiefbegabten“ alles organisieren, was er in einem Jahr versäumt hat. Er selbst muss die Delegierten aus Namibia unterhalten und mit ihnen nach Prag fliegen. Wir nehmen die kostengünstigere Variante - den Zug. Zwei Busse der Botschaft sollen uns zum Bahnhof bringen. Da die Bandmitglieder es mit der Pünktlichkeit nicht so genau nehmen, sind wir bereits spät dran. Nachdem wir aus unserem Bus gestiegen sind, fährt das Fahrzeug, indem sich Gepäck und Instrumente befinden, zurück zur Botschaft. Der Fahrer hat anscheinend nicht mitbekommen, dass wir unser Hab und Gut noch nicht ausgepackt haben. Der Zug fährt in 15 Minuten ab und wir haben keine Instrumente für das Konzert! Ich rufe die Botschaft an, die den Fahrer über Handy erreichen können. Ich hätte nach Deutschland fahren sollen. Ich ärgere mich über mich selber. Zehn Minuten später kommt er wieder angesaust. Nun müssen wir Ruckzuck unser Gepäck entladen und damit über den kompletten Bahnhof sausen, die Treppen hoch und ab in den abfahrtsbereiten Zug steigen. Der Schaffner steht bereits mit der Pfeife im Mund da. Ich zähle vorsichtshalber mal meine „Schäfchen“ durch. Eins, zwei, drei, vier, fünf. Fünf? Moment mal. Es müssen doch sechs sein. Einer fehlt. Aber wer? Nach einem Moment der Ratlosigkeit ist klar, wer fehlt - Ras. Tunackie sagt, sie habe ihn zuletzt auf der Treppe sitzen und eine Zigarette rauchen gesehen. Wie bitte? - Ich bitte den Schaffner, der gerade zur Abfahrt in seine Pfeife blasen will, noch eine Minute zu warten, wozu er sich nach einer Zwei-Sekunden-Erklärung auch bereit erklärt. Tunackie rast auf ihren gewagt hohen roten High Heels davon und kommt nach genau 55 Sekunden mit Ras zurück. Gerade noch rechtzeitig, bevor der Schaffner endgültig zur Abfahrt pfeift.

In Prag verläuft organisatorisch alles bestens. Das Hotel ist sehr gut, das Essen lecker und das Konzert gut besucht. Prag gefällt mir sehr mit seinen historischen Häuschen. Leider sehen wir nicht viel von der Stadt. Aber das Wichtigste ist, dass das Konzert ein voller Erfolg ist.

Als ich vom Organisator, die wohlverdiente Gage abholen will, händigt er mir genau einen Euro aus. „Ist das symbolisch gemeint?“, frage ich ihn überrascht. „Leider nein“, höre ich ihn sagen. „Nach Abzug aller Kosten für die Werbung, Poster, Technik, Essen und Hotel, bleibt genau dieser Betrag übrig. Ich habe mich genau an die vertraglichen Vereinbarungen gehalten. Ich habe dabei noch nicht einmal die Kosten für meine eigene Arbeit berechnet“, sagt er mit Bedauern. Ich versuche positiv zu denken. Immerhin war es ein erfolgreiches Konzert und ein schöner Abend in Prag. Allerdings nehme ich Jackson das Versprechen ab, sich nie wieder selber um Verträge zu kümmern. Außerdem überzeuge ich ihn davon, demnächst öfters mal ohne Band etwas zu machen. Das hat den Vorteil, dass er mehr Arrangements bekommt und er die Gagen nicht teilen muss. Mal ganz abgesehen davon, dass es ohne „Anhang“ viel stressfreier ist. Zumindest für meine bandgeplagte Managerseele.



Das liebe Geld

Während die Bandmitglieder und Jackson am nächsten Tag zurück nach Namibia fliegen, fahre ich mit dem Zug von Wien nach Bremen. Dort verbringe ich noch eine entspannte Zeit mit meinen Freunden. Als ich wieder in Namibia ankomme, wartet Jackson bereits sehnsüchtig auf mich. Auch ich habe ihn sehr vermisst. Aber er muss gleich schon wieder los zu einer Probe. Ein Musical über sein Leben soll im Nationaltheater und im Zoo Park aufgeführt werden. Ich freue mich, dass er etwas Kreatives zu arbeiten hat. Jackson bekommt hier und da Aufträge von der SWAPO, um auf verschiedenen Veranstaltungen der Partei zu spielen. Obwohl Jackson für seine Auftritte inzwischen ganz gut bezahlt wird, bleibt irgendwie nie Geld übrig. Das meiste Geld, dass er verdient, gibt er seiner (Ex-) Frau für das Schulgeld der Kinder, Kleidung, Stromrechnung und Nahrungsmittel. Trotzdem wird ihr eines Tages fast die komplette Wohnungseinrichtung gepfändet. Ich leihe Jackson das Geld, um die Möbel auszulösen. Schließlich sollen seine Kinder nicht auf dem Boden schlafen. Inzwischen habe ich ihm schon über 20000 N$ geliehen. Die ewigen Geldsorgen sind mir schon in meiner Beziehung zu meinem Ex-Mann Johan auf den Senkel gegangen. Dieses ewige Geldleihen von Verwandten und Bekannten ist weit davon entfernt, was mir meine Eltern beigebracht haben. „Kaufe nie etwas, was du dir nicht leisten kannst“, hat mir meine Mutter von Kindheitsbeinen an eingebläut. Mit dem Ratschlag bin ich immer gut gefahren. Das Thema Schulden kam erst in mein Leben, seit ich mit afrikanischen Männern liiert bin. Es wäre ein Dauerstreitthema zwischen uns, wenn ich mich nicht irgendwann mal dazu durchgerungen hätte, mich mit dieser Eigenart zu arrangieren. Meine Geldreserven aus der NBC-Abfindung sind bald erschöpft. Ich überlege, ob ich nicht doch lieber wieder einen Job annehmen soll. Leider ist es immer noch nicht so einfach, als Ausländerin eine Anstellung zu finden. Ich habe jedoch gehört, dass das Gesundheitsministerium dringend Mitarbeiter sucht. Also bewerbe ich mich. Bis es zu einem Ergebnis kommt, wird es ohnehin ein paar Monate dauern. Meine Mutter leiht mir 1000 Euro. Das hilft erst einmal weiter. Die Einkünfte aus den Konzerten und Auftritten von Jackson und der CD-Verkauf reichen nicht aus, um die Kosten des Alltags zu decken.

Andere Einnahmequellen müssen gefunden werden. Ich überrede Jackson, sich auch mal in anderen kreativen Arbeitsfeldern zu betätigen. Zum Beispiel als als „Master of Ceremony“, wie hier die Leute genannt werden, die durch ein offizielles Programm leiten. Tatsächlich bekommt er, gemeinsam mit seiner attraktiven Tochter Ujama, die Chance, bei einem angesagten Modegeschäft in der Windhoeker Innerstadt auf dem Laufsteg die neuesten Trends der Modewelt vorzuführen. Als Gage dafür erhält er zwei sehr elegante Anzüge und Hemden.

Nach dem ersten „Probelauf” spricht es sich schnell bei den verschiedenen Organisationen herum, dass Jackson ein exzellenter Redner ist und mit viel Humor und dem Erzählen von Anekdoten durch die Veranstaltungen leitet. Das führt zu Buchungen in dem Bereich und bei uns zu etwas volleren Geldbörsen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-20

Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu hinterlassen

LaLiga: Athletic Club 1 vs 1 Granada SerieA: Cagliari 2 vs 2 Juventus | Genoa 0 vs 1 SS Lazio Katima Mulilo: 16° | 35° Rundu: 16° | 34° Eenhana: 18° | 35° Oshakati: 20° | 34° Ruacana: 19° | 35° Tsumeb: 18° | 33° Otjiwarongo: 17° | 31° Omaruru: 17° | 33° Windhoek: 16° | 30° Gobabis: 17° | 31° Henties Bay: 17° | 24° Wind speed: 21km/h, Wind direction: S, Low tide: 07:53, High tide: 14:09, Low Tide: 19:53, High tide: 02:00 Swakopmund: 17° | 21° Wind speed: 23km/h, Wind direction: SW, Low tide: 07:51, High tide: 14:07, Low Tide: 19:51, High tide: 02:00 Walvis Bay: 19° | 27° Wind speed: 30km/h, Wind direction: SW, Low tide: 07:51, High tide: 14:06, Low Tide: 19:51, High tide: 02:00 Rehoboth: 18° | 32° Mariental: 21° | 34° Keetmanshoop: 23° | 34° Aranos: 20° | 34° Lüderitz: 18° | 31° Ariamsvlei: 23° | 37° Oranjemund: 16° | 27° Luanda: 26° | 29° Gaborone: 20° | 33° Lubumbashi: 15° | 26° Mbabane: 16° | 30° Maseru: 13° | 27° Antananarivo: 13° | 27° Lilongwe: 15° | 27° Maputo: 19° | 32° Windhoek: 16° | 30° Cape Town: 17° | 26° Durban: 19° | 26° Johannesburg: 18° | 29° Dar es Salaam: 24° | 29° Lusaka: 17° | 28° Harare: 14° | 29° #REF! #REF!