Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 54)
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 54)

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 54)

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Wiebke Schmidt
Höhen und Tiefen

Überraschenderweise meldet sich direkt nach unserer Rückkehr ein potentieller Sponsor für ein geplantes Musikvideo. Schnell werden wir uns einig. Das Musikvideo soll ein Werbevideo für eine der schönsten Lodges auf diesem Erdball werden, der Divava Okavango River & Spa Lodge, die einmalig schön am Okavangofluss im Okavango-Delta gelegen ist. Es soll sofort losgehen. Kameramänner und zwei Schauspieler müssen noch organisiert werden. Jackson ist mit beiden bekannt. Das befreundete Pärchen ist sofort Feuer und Flamme, ein Kamerateam wird nach harten Gagenverhandlungen zusammengestellt. Meine Mutter möchte nicht mitkommen. Sie bevorzugt es, Windhoek zu erkunden. Schade. Ich hätte auch gerne meinen Geburtstag mit ihr gefeiert. Vielleicht fühlt sie sich auch etwas überflüssig und deplaziert zwischen all den Kameras und fremdsprachigen Menschen. Es ist auch für mich neu, mich plötzlich inmitten der Welt der Musikstars zu befinden und für die Koordination und Produktion eines Musikvideos verantwortlich zu sein. Jackson und ich haben eine Zwischenübernachtung auf der Epacha Lodge eingeschoben. Die Loge gehört derselben Firma, die unser Musikvideo bezahlt. Teil der Abmachung ist, dass Jackson abends ein kostenloses Konzert für die eingeladenen Gäste, Angestellte deutscher Reisebüros, gibt. Wir bekommen die Präsidentensuite. Herrlich. Abends wird in der Wildnis das Abendessen serviert. Später versammeln sich die Gäste noch am Lagerfeuer, wo Jackson sie mit weiteren Liedern unterhält. So einen mondänen Geburtstag hatte ich auch noch nicht.

Die Woche auf der Divava Lodge ist unglaublich schön, aber auch sehr arbeitsintensiv. Früh morgens, wenn das Licht am besten ist, sind wir bereits auf den Beinen. Die Schauspieler müssen geschminkt und für jede Szene anderes gekleidet werden. Die Atmosphäre ist locker und die Filmaufnahmen schnell im Kasten.

Plötzlich passiert während der Dreharbeiten ein Unfall. Bei einer Szene kippen die beiden Einbäume um. Die Schauspieler und ihre einheimischen Begleiter landen im Wasser des Okavango. Um sie herum lauern meterlange Krokodile und massenhaft Nilpferde, die unsichtbar und lautlos unter der Wasseroberfläche schwimmen. Eine bedrohliche Situation. Hinzu kommt, dass einige von den Bootinsassen offensichtlich nicht schwimmen können. Sie geraten in Panik, die sich auch auf uns im Boot überträgt. Das gesamte Kamerateam rennt zum Bug des Schiffes, um den Gekenterten aus dem Wasser ins rettende Boot zu helfen. Durch das dadurch entstehende Ungleichgewicht drohen wir nun selber zu kentern. Ich laufe schnell zum Ende des Bootes, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich ehrlich über mein erhebliches Übergewicht freue! Nachdem alle aus dem Wasser gefischt sind, trocken sie sich ab und wir drehen die Szene erneut. Natürlich unter verschärften Sicherheitsbedingungen. „The Show must go on!“ (das Leben geht weiter). Die nächste Situation ist vielleicht noch „bedrohlicher“, da sie das gesamte Projekt gefährdet.

Es kommt Ärger auf im Paradies. Das Arbeitsteam ist mit dem Essen nicht zufrieden. Sie sind allesamt übelgelaunt, was sich vor einer Kamera nicht besonders gut macht. Sie sind das schicki-micki Essen, bestehend aus mehreren kleinen Häppchen, nicht gewöhnt. Sie wollen Fleisch und Pommes oder Milliepapp, am liebsten zweimal täglich. Dazu Alkohol. Wenn nicht, droht die Schauspielerin sogar mit ihrer vorzeitigen Abreise. Der Koch ist beleidigt, der Lodge Manager fassungslos. Schließlich ist das hier eine fünf Sterne Lodge und keine Imbissbude. Ich bin ein wenig besorgt, dass die Alkoholgelage zu ausschweifend werden. Nun sind meine pädagogischen Fähigkeiten gefragt. Ich kann einen Kompromiss aushandeln. Wir bekommen mittags eine deftige Mahlzeit zusätzlich und können bis zu einer bestimmten Summe Getränke bestellen. Das besänftigt das Team. Nach fünf Tagen ist das Musikvideo im Kasten. „A real treat” wird es heißen. „Lass dich doch mal so richtig verwöhnen”. Die Rohfassung des Liedes hat Jackson mir eines Morgens vorgespielt. Er hat den Song für mich geschrieben, was mich natürlich ausgesprochen freute. Wir überarbeiten es noch einmal gemeinsam und geben dem Ganzen den letzten Schliff. Auf der Lodge wird das Lied uraufgeführt. Die Gäste sind so begeistert, dass wir in zehn Minuten alle mitgebrachten CDs von Jackson verkauft haben.

Auch die schönste Zeit geht einmal dem Ende zu. Wir fahren die 950 km zurück nach Windhoek. Ich schlage Jackson vor eine CD zu produzieren, dafür Sponsoren zu suchen und zu seinem 55. Geburtstag in zehn Wochen ein Comeback zu feiern. Jackson findet die Idee großartig. Auf ein Hoch folgt bekanntlich ein Tief. Uns ergeht es da nicht anders. Noch während der Rückreise, ruft uns der Filmemacher Andy an und berichtet etwas verlegen, dass ihm seine Kamera im Etoscha Nationalpark abhanden gekommen sei - mit sämtlichen Aufnahmen. Bevor ich einen Herzinfarkt bekomme, fügt er schnell hinzu, dass auf der zweiten Kamera genug „Footage”, Aufnahmematerial, vorhanden sei, um das Video zu produzieren. Dem ist zum Glück auch so.

Die größte Katastrophe meines Lebens wartet jedoch noch direkt nach unserer Ankunft in Windhoek auf mich. Es wird der schwärzeste Tag in meinem bisherigen Leben. Danach wird nie mehr etwas so sein wie zuvor.

Meine Welt stürzt ein

Jackson will noch schnell seine Kinder in Katutura besuchen. Ich frage ihn, ob es ihm recht sei, wenn meine Mutter und ich bereits alle Gepäckstücke ausräumen und seine Wäsche anfangen zu waschen und aufzuräumen. Es ist ihm recht. Beim Auspacken von Jacksons Klamotten fällt mir eine Plastiktüte mit Tabletten in die Hände. Eine ganze Tüte voll von Tabletten. Das macht mich stutzig. Ich bin besorgt. Ist Jackson krank? Oder nimmt er etwa Drogen? Erklären würde das zumindest seine merkwürdigen Verhaltensweisen. In dem Moment kommt meine Mutter in mein Zimmer. Sie sieht die vielen Tabletten und denkt genau das Gleiche wie ich, nachdem ich ihr erklärt habe, wem die Medikamente gehören. Ich muss es genauer wissen. Was zum Kuckuck nimmt er da alles? Die Namen der Medikamente sagen mir auf den ersten Blick nicht viel. Dann wird mir plötzlich eiskalt. Das sind Medikamente gegen Aids! Aber ich bin mir nicht sicher. Meine Mutter hat eine ausgezeichnete Idee.

„Ruf doch mal in der Apotheke an, die müssen das doch wissen.” Die Apotheke bestätigt, was ich im Herzen längst weiß, aber mein Verstand nicht fassen will - Jackson ist HIV-positiv! Schlimmer - er ist bereits im Stadium Aids angelangt. Ich weiß nicht was mich wütender und verzweifelter macht - die Tatsache, dass mich Jackson in der Hinsicht belogen hat, die Möglichkeit mich eventuell angesteckt zu haben oder die Sorge um Jacksons Gesundheit und die Angst davor, ihn vielleicht bald zu verlieren. Am Schlimmsten ist, dass meine Mutter Zeuge des ganzen Geschehens ist. Da ich völlig aus dem Häuschen in der Wohnung rumlaufe und abwechselnd wütend unverständliches Zeug vor mich hin schimpfe um dann wieder untröstlich loszuheulen, schulde ich ihr eine Erklärung. Ihre erste Reaktion ist: „Bin ich jetzt etwa auch mit Aids angesteckt?” Dieser Satz ist in meiner Gefühlsverfassung nicht gerade besonders hilfreich. Wenn meine Mutter nicht so alt wäre, würde ich jetzt wahrscheinlich völlig austicken. Aber meine Wut gehört an die richtige Adresse. Ich muss mit Jackson reden. Sofort. Ich rufe Jackson auf dem Handy an und bitte ihn, mich umgehend im Parlamentsgarten zu treffen. Er spürt intuitiv, dass es sich um etwas sehr Wichtiges handeln muss und verspricht in zehn Minuten da zu sein.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-20

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