Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 15)
Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 15)

Missionarin ohne Heiligenschein (Teil 15)

Autobiografie eines außergewöhnlichen Lebens in Namibia
Wiebke Schmidt
Besuch, Verluste und andere Überraschungen

Endlich habe ich Urlaub. Ich bin körperlich und emotional erschöpft. Zu meiner großen Freude kommt meine Freundin Vera aus Deutschland für drei Wochen zu Besuch. Wir haben zusammen Sozialarbeit studiert. Ihre Großtante ist in zweiter oder dritter Linie mit dem Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz verwandt. Zu sechst tuckern wir in einem gemieteten VW-Bus los. Heidi, Vera, zwei Freunde von Heidi aus Österreich, die Praktikantin Renate und ich. Wir wollen das Damara- und Himbaland erkunden.

Wir sind begeistert von den Buschmännern. Im Befreiungskrieg wurden sie häufig von Südafrikas Armee als Spurensucher angeheuert. Nach der Unabhängigkeit Namibias waren sie dann plötzlich überall unerwünscht. Auch Twyvelfontein finden wir großartig mit seinen uralten Felsmalereien, die es in grandioser Felslandschaft zu bewundern gibt. Der versteinerte Wald, ein Gebiet wo etliche versteinerte Baumstämme liegen, liegt nur ein paar Kilometer weiter entfernt.

Wir sind auf dem Weg zu den Epupafällen im Nordwesten des Landes. Dort siedeln eines der letzten Naturvölker dieser Erde, die Himbas. Die Epupawasserfälle, die sich an der Grenze zu Angola befinden, sind unbeschreiblich schön. Mit großer Kraft stürzen sich die Fälle in diesem wildromantischen Gebiet die steilen Klippen hinunter. Makalanibäume säumen die Ufer des Kuneneflusses.

Riesige Krokodile schwimmen in seinen Fluten. Trotzdem wagen wir es, im Fluss zu schwimmen. Wir unterschätzen die Gefahr. Ich gerate in die Strömung und rase auf die Wasserfälle zu. Ich habe keine Angst. Komisch. Dabei werde ich wohl jetzt sterben. Ich bin eine ausgezeichnete Schwimmerin. Bereits mit vier Jahren habe ich in einem See bei Münster, wo unsere Familie jahrelang in den Sommerferien gecampt hat, mein erstes Schwimmabzeichen erworben. Mit elf Jahren hatte ich bereits meinen Rettungsschwimmer in der Tasche. Wasser ist mein Element. Aber das hilft mir jetzt nicht. Ich habe nicht die Kraft, aus der Strömung heraus zu schwimmen. Ich kann bereits den Abgrund sehen, an dem gewaltige Wassermassen hinunterstürzen. Plötzlich fühle ich Heidis Hand an meinem Arm. Intuitiv streckt sie ihren Fuß aus, der wie eine Barrikade wirkt und zieht mich seitlich aus der Strömung raus. Gerade noch rechtzeitig. So eine Kraft habe ich ihr gar nicht zugetraut. Später sagt sie, dass sie sich gar nicht darüber bewusst war, dass sie mir in dem Moment das Leben gerettet hat. Sie habe ganz unbewusst gehandelt. Ich bin mir sicher, dass Gott hier ganz persönlich eingegriffen hat. Meine Zeit scheint noch nicht gekommen zu sein.

Aber damit nicht genug. Tage später hören wir, dass sich ein Krokodil, genau dort wo wir herumgeplantscht sind, einen Menschen geschnappt und gefressen hat. Im Fernsehen zeigt das Filmteam in Nahaufnahme die Überreste des Festmahls – einen menschlichen Fuß, den man aus dem Bauch des Krokodils schneidet.

Am Abend machen wir ein Lagerfeuer und backen Brot in einem großen, traditionellen Dreifuss-Topf. Dazu gibt es gegrillte Hühnerbeine. Herrlich. Wir übernachten in Zelten. Zumindest versuchen wir es. Durch den plötzlich auftretenden starken Wind und Regen werden unsere Zelte fast in den Kunene gefegt. Das ist der Moment, wo Vera und ich es uns in unserem Bus gemütlich machen.

Am nächsten Morgen erwischen wir ein paar Himbajungen, die sich die Knochen aus dem erloschenen Feuer gefischt haben und die Knochen auffuttern. Wir sind entsetzt! Sie müssen großen Hunger haben. Leider haben wir nichts Essbares mehr für die Jungs übrig. Wir wollen nach Opuwo weiterfahren und auf dem Weg ein Himbadorf besuchen.

Nach drei Stunden Autofahrt erreichen wir das Dorf. Als Gastgeschenk haben wir einen fünf-kg-Sack Milliepappmehl (Maismehl) mitgebracht.

Obwohl wir keinerlei essbare Dinge im Dorf entdecken und die Kinder teilweise mit aufgeblähten Hungerbäuchen herumlaufen, lehnen sie unser Geschenk ab. Wir sind erstaunt. Dann rücken sie unverblümt damit heraus, was sie stattdessen wollen. Antibiotikatabletten, Alkohol, Zigaretten, Geld, Zucker und andere Süßigkeiten. Nun sind wir ein wenig verärgert. Nichts davon möchten wir ihnen geben. Da sind wir konsequent. Trotzdem heißen sie uns willkommen. Sie sind neugierig. Vor allem scheinen sie begeistert von der langen blonden Haarpracht, die drei von uns Frauen schmückt. Im Gegenzug sind wir ganz fasziniert von ihren verschiedenen, mit rotem Lehm gefärbten, Haaren. Jede Frisur hat eine andere Bedeutung. Der Haarstil verrät, ob ein Mädchen bereits ihre Menstruation hat oder eine schon verheiratete Frau ist. Die Frisuren der Männer haben ähnliche Bedeutungen. Nachdem wir die Lebensweise der Himbas ein wenig erkundet haben, brechen wir wieder auf. Nach drei Stunden Fahrt fragt Vera plötzlich: „Wo ist denn meine Handtasche? Hat jemand meine Handtasche gesehen?” Sie schaut in ratlose Gesichter. Wir wissen es nicht. Wir sind allerdings davon überzeugt, dass sich die Tasche im hinteren Teil des Busses befindet, in dem ein unglaubliches Durcheinander herrscht. Koffer, Essen, Schlafsäcke und Jacken wurden ohne jeglichen logischen Bepackungsplan im Bus verstaut. Als wir in Opuwo ankommen und den kompletten Bus ausgeräumt haben, ist von Veras Handtasche nicht das Geringste zu sehen. Es gibt nur eine Erklärung – Vera hat die Handtasche im Himbadorf vergessen! Nun haben die Himbas, wenn auch von unserer Seite aus ungewollt, genau das bekommen was sie wollten - Geld und Schmuck. Leider auch Veras Reisepass und ihr Flugticket. Ohne die Dokumente kann sie nicht ausreisen. Vera ist verzweifelt. Wir müssen schleunigst neue Papiere besorgen, damit Vera nicht in Namibia festhängt. Das erweist sich als gar nicht so einfach. Von Opuwo aus können wir nichts organisieren. Es gibt in dem Himbagebiet keine Kommunikationsmöglichkeiten mit der Außenwelt. Handys sind noch nicht verbreitet und schon gar nicht in diesem Teil der Welt. Wir reisen weiter an die Küste Namibias, nach Swakopmund. Während der Rest der Gruppe am Meer entspannt, kümmern Vera und ich ums um das Beschaffen der Dokumente. Die Deutsche Botschaft ist ausgesprochen hilfreich. Per Fax schicken wir mehrere Formulare hin und her. Und ausnahmsweise genügt mein Wort, dass es sich bei Vera tatsächlich um Vera handelt. Manchmal ist Vitamin B echt nützlich. In Windhoek treffen wir den stellvertreten Botschafter, den ich ja bereits durch die Einladung in seiner Residenz kenne, der uns den neuen Reisepass in einem Café vorbeibringen will. Er ist wenig „amused“. Er merkt, dass er den Stempel vergessen hat. Daraufhin verliert er etwas die Fassung und meckert uns an: „Wissen Sie überhaupt was hier los ist?“ Wir wissen es nicht. „Lesen Sie überhaupt keine Zeitung?”, fragt der Diplomat kopfschüttelnd. Ähm. Zeitungen gab es nicht im Kaokoveld. „Ein Namibisches Transportflugzeug ist mit einem amerikanischen Flugzeug an der Skelettküste zusammengeprallt. Auf dem Flughafen sieht es aus wie im Krieg. Die Amerikaner untersuchen, ob es sich um einen Terroranschlag handelt“, klärt er uns auf. Du meine Güte! Flugzeugabsturz hin oder her. Es hilft alles Meckern nichts. Er muss zurück zur Botschaft und den Stempel holen. Erleichtert nimmt Vera ihren funkelnagelneuen deutschen Pass entgegen. Für 100 DM Bearbeitungsgebühr bekommt sie auch ein neues Flugticket ausgestellt. Sie fliegt erleichtert zurück nach Bremen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-20

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