Konzert: MR Mustard überzeugte am vergangenen Samstag weniger durch seine Musik als vielmehr durch seine perfekte Masker

Doreen hat Pickel. Noch. "Vor Aufregung", normal nicht. Aber heute ist schließlich der große Tag.

Denn heute kommt ER. Und weil sie diesem Ereignis schon seit Monaten entgegen fiebert, werden sie spätestens um fünf alle verschwunden sein: Die hässlichen Pusteln. Wenn sie vor ihm steht, schmachtend. Am Rande der Bühne, jenseits des pikfeinen Country-Clubs vor den Toren Windhoeks. Denn die 15-Jährige begegnet MR.Mustard, wie der Popstar aus Südafrika ihr begegnet: In perfekter Maskerade.


Sechs Uhr 15, Sonnenaufgang über Ludwigsdorf. Eigentlich keine Zeit für Doreen. Normal ist sie am Wochenende Langschläferin. Weil in der Woche fleißige Schülerin der DHPS. Aber heute ist eben nicht normal. Heute joggt Doreen vor dem Frühstück. "Sport ist gut für den Teint", sagt Heidi Klum. In der letzten Ausgabe der Cosmopolitan, die aufgeschlagen vor dem Spiegel in Doreens Zimmer liegt. "Die sieht gut aus." Findet Doreen. MR Mustard steht auf schlank. Hat sie bei "Radio Wave" gehört. Die präsentieren das Konzert an diesem Wochenende, angekündigt wird ein großes Spektakel mit 6000 Besuchern, seit Tagen giggelt eine aufgedrehte Mädchenstimme alle halbe Stunde über den Sender. "Come to see Mr Mustard on Saturday Evening!" Das Urteil des südafrikanischen Popstars in Sachen Mädchen ist für Doreen und ihre Freundinnen schon seit Monaten das Maß aller Dinge. "Der sieht ja auch so niedlich aus." Blonde Strähnchen in der Gelfrisur, strahlende Augen, Waschbrettbauch und kein Gramm Fett unter dem hautengen Muskelshirt, so zeigen`s die Plakate bei WB um die Ecke. Da holt Doreen sich heute Müsli zum Frühstück und eine Honigmaske. Die gibt`s nach dem Essen. Im CD Player dudelt "Buttercup", schon zum dritten Mal. Doreens Mutter steht genervt vom Tisch auf. "Um 12 kommen Marieke und Debbie." Debbie felt an ihren Nägeln. "Himmel, warum schon um 12?" "Wir müssen uns doch noch fertigmachen!" Doreens Mutter verdreht die Augen, "und Einlass ist um fünf." Deadline. Doreens Mutter seufzt. Um 15.30 Uhr dringt zu Doreen ichts mehr durch. Dafür aus ihrem Zimmer eine undurchdringliche Wolke. Haarspray, Deo und Laura Biagiottis "Emotion" umhüllen drei engbejeanste, bauchnabelfreie weibliche Groupies, die mindestens fünf Jahre älter aussehen, als sie sind. "Wir sind dann jetzt weg", ruft Doreen ihrer Mutter zu. Derweil füllt sie ihren Rucksack mit Bierflaschen aus dem Kühlschrank. "Bye". Lift gibt den drei Mädels Susi aus der zwölf. Der Gasmix, inzwischen viermal personifiziert, verbreitet sich im Wagen von Susis Vater. Susi parkt ihn auf dem Schotterparkplatz vor dem Country-Club. Last Exit MR Mustard "Ist ja noch gar nix los", stellt Doreen fest, während sie das mit Getränkewagen und Werbescheinwerfern umgrenzte Areal abschreitet. Man - auch "die Jungens", von denen es in der Klippe tatsächlich einige gibt (wenn auch langweilig, meint Doreen) sind schon eingetroffen - setzt sich erstmal vor die Bühne und zündet sich ne Kippe an. "Mach das Bier auf", Marieke hantiert mit Susis Feuerzeug. Vier Kronkorken knallen. Noch mindestens dreimal bis zur ersten Vorband: "Kick", und dann kommt "Cheez on Muffin" mit Oasis-Cover "Wonderwall": Grauenvoll, weil ja nicht ER. Um Neun heißt`s nur noch überstehen: "Saints of Bliss". Und sich vielleicht fragen, oder die Freundinnen, ob der Mix gelungen ist. Und noch mehr warten auf den Top Act. Der dann tatsächlich kommt: Herr Senf, und sogar singt. Wenn auch kaum verständlich, und durch Verstärker so verdumpft, dass von Wohlklang kaum mehr die Rede sein kann. Das muss Doreen schon zugeben. Und Susi, Marieke und Debbie. Schlecht geschrammelt, schlecht gemischt.. aber "sooo niedlich!"


Was das alles eigentlich noch Musik mit zutun hat? Um Mitternacht weiß das Doreen nun wirklich nicht mehr. "Zu betrunken", lallt Susi.Und Mr Mustard? Verschwindet sang- und klanglos. Hinter der perfekten Maskerade.