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"Ich will keinen Hass und ich möchte auch keine Rache"

Doch der 41-jährige Ben Freeth ist an diesem afrikanischen Winterabend gekommen, weil er etwas zu sagen hat, weil er den Menschen davon erzählen will, was in Simbabwe vorgeht. Weil er seit Jahren kämpft. Gegen ein System, gegen eine Diktatur. Gegen eine Politik, die ihm beinahe alles genommen hat, was er sich in Jahren harter Arbeit aufgebaut hat. Sogar das Fernsehen hat sich der Geschichte von Ben Freeth und seinem Schwiegervater Mike Campbell angenommen. In einer prämierten Fernsehdokumentation, die Freeth an diesem Abend vorstellt, wird das Schicksal seiner Familie und seiner Farm dargestellt. Ein Kamerateam hatte Freeth und seine Familie mehrere Monate lang begleitet und das Filmmaterial unter Lebensgefahr aus dem Land geschmuggelt.
Ben Freeth ist weiß und wie viele andere weiße Farmer in Simbabwe wurde er Opfer der Landreformpolitik von Robert Mugabe, der den einstigen Vorzeigestaat innerhalb weniger Jahre in eine Diktatur verwandelt hat. Seitdem ist für den dreifachen Familienvater nichts mehr so wie es war.

Das Leben als Farmer in Simbabwe war für Ben Freeth alles andere als einfach. Gemeinsam mit seinem Schwiegervater bewirtschaftete er eine Farm, die gleichzeitig mehr als 500 Menschen, Farmarbeiter mitsamt ihren Familien, ernährte. Nach der Unabhängigkeit des Landes 1980 kaufte die Familie die Farm von der Regierung. Im Zuge der Landreform Robert Mugabes im Jahr 2000 sollten sie zwangsenteignet werden. Ein schwerer Schlag für die Familie, die auf einmal vor dem Nichts stand. Zwangsenteignung bedeutet in Simbabwe Terror, Gewalt und unter Umständen Tod. Sie kann Verfolgung, Gefängnis und Elend mit sich bringen. Doch Ben Freeth wollte sich mit seinem Schicksal nicht abfinden. Als erster Afrikaner überhaupt wandte er sich gemeinsam mit seinem Schwiegervater in Vertretung für 77 weiße simbabwische Farmer an das SADC-Tribunal, das Regionalgericht der Staatengemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) mit Sitz in Namibias Hauptstadt Windhoek, und forderte das Regime Mugabe heraus.

Wer Freeth an diesem Abend im Goethe-Zentrum beobachtet, wie er sich den Fragen der Anwesenden stellt, der bemerkt, dass dort ein Mann steht, der an seinen Aufgaben gewachsen ist. "Das Argument Mugabes, mit der Landreform die soziale Ungerechtigkeit im Land lindern zu wollen", will Freeth nicht gelten lassen: "Das ist lächerlich. Reine Propaganda", erklärt er selbstsicher. "Wir haben eine Liste derjenigen Personen zusammengestellt, die in unserem Distrikt die zwangsenteigneten Farmen zugesprochen bekamen. Es waren ausschließlich Mitglieder des Parlaments, Kabinettsmitglieder, führende Polizei- und Armeeangehörige sowie Richter des Obersten Gerichts", sagt der Farmer mit dem wettergegerbten Gesicht entrüstet.

Im SADC-Tribunal sah man dies ähnlich und gab ihm nach einem zähen monatelangen Prozess recht. Im November 2008 erklärten die Richter die Enteignungen als ungesetzlich und diskriminierend und ordneten ihren Stopp an. Die Regierung von Simbabwe müsse die gewaltsame Farmenteignung beenden, betroffene Farmer entschädigen und die Vertreibung, Folter und Mordanschläge gegen weiße Farmer einstellen. Die Landreform der Mugabe-Regierung sei nicht nur rassistisch, sondern auch verfassungswidrig. Der Arm des SADC-Tribunals reichte jedoch nicht weit genug. Während des Prozesses wurden Freeth und seine Familie von Schlägertrupps der Mugabe-Partei ZANU(PF) brutal zusammengeschlagen. Das Urteil verpuffte wirkungslos. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße. Obwohl Simbabwe das SADC-Tribunal in Windhoek mitbegründet hatte, weigert sich das Land, weigert sich Robert Mugabe, das Urteil umzusetzen. Die Repressalien gegen weiße Farmer in Simbabwe gingen weiter.
Nach und nach festigte Diktator Mugabe seinen Machtapparat, für den der weiße Farmer Ben Freeth nur einen Begriff findet: Ein "System der Angst". Ein System, welches Oppositionelle verfolgt, vor aller Augen schlägt, misshandelt und foltert. Ein System, welches Wahlen fälscht und dessen Präsident sich gegen jede Kritik von außen abschottet. Ein System, das davon lebt, dass nicht einmal seine Nachbarstaaten dazu in der Lage sind, es zur Räson zu rufen. Auf einem Kontinent, dessen Machthaber sich als Brüder betrachten, als Freiheitskämpfer eines längst gewonnenen Krieges gegen die weiße Unterdrückung der Vergangenheit.
Freeth und seine Familie blieben von diesem System nicht verschont. Auch nach dem Urteil kamen die Schlägertrupps. Nach wie vor wurden weiße Farmer misshandelt. Nach wie vor drangen Unbekannte in die Farmhäuser ein. Und nach wie vor wurden schwarze Farmarbeiter nachts von Bewaffneten aus ihren Betten geholt, geschlagen und dazu gezwungen, ihre Arbeit aufzugeben, ihre Arbeitgeber und damit ihr Auskommen zu verlassen. Dies alles in einem Land, in der die Arbeitslosigkeit nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei mittlerweile rund 80% liegen dürfte.

Viele weiße Farmer kapitulierten vor dem Terror der Staatsmacht und verließen Simbabwe, ihre Heimat. Ben Freeth blieb. Er blieb mit seiner Frau und seinen drei Kindern im Alter von zehn, acht und fünf Jahren. Ein Jahr nach dem SADC-Urteil ging seine Farm in Flammen auf. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits von dort campierenden Schergen des Mugabe-Regimes besetzt. Die Zitrusfruchtproduktion, die die Familie seit Jahrzehnten erfolgreich betrieb, die Baumwollfabrik und die Unterkünfte der Angestellten wurden ein Raub der Flammen. Freeth und seine Familie waren zu diesem Zeitpunkt in Johannesburg. Offizielle Brandursache: Elektrischer Defekt. Ben Freeth ist sich sicher, dass seine Farm absichtlich in Brand gesetzt wurde, mehrere Zeugen bestätigten dies. Doch auch nach diesem Schicksalsschlag wollte er Simbabwe nicht verlassen. Simbabwe sei auch sein Land. Es ist der Ort, an dem er nach wie vor seine Kinder großziehen möchte. Er, der sich selbst als weißer Afrikaner bezeichnet und mit seiner Familie mittlerweile wieder in Harare lebt.

An den Zuständen in Simbabwe hat sich bislang nichts geändert. Auch nicht nachdem Mugabe, nach den verlorenen Präsidentschaftswahlen im September 2008, dem Druck nachgeben musste und die Macht mit Oppositionsführer Morgan Tsvangirai zu teilen gezwungen war. Dieser bekleidete in Folge das Amt des Ministerpräsidenten. Seine Partei, die MDC, besetzte mehrere Ministerposten. Der Terror gegen weiße kommerzielle Farmer und die Zivilbevölkerung nahm dennoch kein Ende. Ben Freeth ist enttäuscht. Wie so viele in Simbabwe, die ihre Hoffnung auf die Regierung von Tsvangirai gesetzt hatten.

Das Terrorregime Mugabes sei schlimmer geworden. Die Opposition verschmelze mit dem System und stecke in einer tiefen Krise. "Wir haben zahlreiche Briefe an Tsvangirai geschrieben, ihm Petitionen überreicht und ihn auf Konferenzen persönlich angesprochen und um Hilfe gebeten. Nichts ist geschehen. Um die Menschenrechte in Simbabwe ist es nach wie vor schlecht bestimmt", erklärt Freeth mit ruhiger Stimme, während er mit seinen Händen gestikuliert, denen man ein Leben harter Arbeit ansieht. Doch Ben Freeth hat die Hoffnung nicht aufgegeben. Sein Kampf ist noch lange nicht beendet. "Bei den nächsten Wahlen in sechs Monaten muss sichergestellt werden, dass internationale Beobachter vor Ort sind", fordert er mit fester Stimme, während ihn seine Zuhörer im Goethe-Zentrum mit Fragen torpedieren. Ben Freeth ist sich sicher: "Erst wenn Gewalt und Angst aus unserer Gesellschaft verschwinden, können wir als Land und Nation wieder vorankommen."

Freeth bezeichnet sich als gläubiger Christ. Der Glaube habe ihm immer Kraft und Hoffnung verliehen. Selbst in Situationen, in denen er um sein Leben fürchten musste, als er beinahe zu Tode geprügelt, verfolgt und bedroht wurde. "Ich will keinen Hass und ich möchte auch keine Rache", erklärt Freeth. "Ich möchte, dass Simbabwe wieder den richtigen Weg findet, damit die Menschen wieder eine Zukunft haben", sagt er und schaut in die Runde. Es scheint nicht viele Menschen von seinem Format und seinem Mut zu geben. Nicht in Simbabwe, nicht in Afrika, Europa oder dem Rest der Welt. Gäbe es sie, wer weiß, vielleicht wäre der Ort, an dem wir leben, ein besserer.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-01-26

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