Gerichtsdolmetscher: Die Diener der Wahrheitsfindung
Windhoek - Einer von ihnen ist Michael Kondombolo. Er spricht acht Sprachen und ist so etwas wie das Urgestein am Obergericht in Windhoek. Angefangen hat seine Laufbahn als Übersetzer im Jahre 1991. Damals war er als Fahrer in einem Lampenladen angestellt. "Eines Tages kam der Magistratsrichter Frikkie Truter in unser Geschäft und hat dort bemerkt, dass ich mich mit verschiedenen Kunden in unterschiedlichen Sprachen unterhalten habe", erinnert sich Kondombolo, der am Samstag seinen 63. Geburtstag gefeiert hat.
Es war eine Begegnung, die seinem Leben eine unerwartete Wendung geben sollte und bis heute nachwirkt. Truter fragte den damals 43-Jährigen, ob er als Dolmetscher im Magistratsgericht arbeiten wolle und Kondombolo ließ sich nicht lange bitten. Er kündigte seinen Job beim Lampenladen und begann seine Laufbahn als Dolmetscher zu einer Zeit, als dafür keine formale Qualifikation erforderlich war.
"Ich habe damals lediglich einige Sprachkurse an der Universität absolviert und mir nebenher von Kollegen die erforderliche Fachterminologie angeeignet", sagt Kondombolo, der sich rückblickend offenbar noch immer über den unkomplizierten Beginn seiner Karriere wundert. Nach nur vier Monaten Probezeit wurde er zum Dolmetscher am Regionalgericht befördert, wo ihn seine Arbeit über die nächsten acht Jahre durch das ganze Land führte.
"Es gab damals nur in einigen größeren Ortschaften permanente Gerichte - ich bin also regelmäßig mit den Richtern im ganzen Land umhergefahren und habe als Dolmetscher gearbeitet", berichtet er. Dabei nutzt ihm bis heute sein ungewöhnliches Sprachtalent als Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Übersetzern, die nur zwei oder drei Sprachen beherrschen.
Ungewöhnliches Sprachtalent
"Es ist oft so, dass in Strafverfahren mehrere Verdächtige angeklagt sind, die alle andere Sprachen sprechen", erläutert er und ergänzt: "Der Staatsanwaltschaft biete ich also den Vorteil, dass ich fast alle Landessprachen beherrsche und bei solchen Prozessen für alle Angeklagten dolmetschen bzw. die Aussagen von Zeugen aus unterschiedlichen Sprachgruppen übersetzen kann."
Die Arbeit empfindet er nicht nur als Berufung, sondern auch als "große Verantwortung". Schließlich habe jeder Angeklagte das Recht auf einen fairen Prozess und damit auch Anspruch darauf, dem in Englisch geführten Verfahren mit Hilfe eines Übersetzers folgen zu können. Als Dolmetscher habe er somit die Pflicht, sämtliche Aussagen der Prozessbeteiligten wahrheitsgetreu wiederzugeben und Begriffe verständlich zu umschreiben, für die es keine direkte Übersetzung gibt.
Vor den Beschuldigten, die meist neben ihm auf der Anklagebank sitzen und häufig schwerer Gewaltverbrechen verdächtigt werden, fürchtet sich Kondombolo nicht. Schließlich seien immer Polizisten in der Nähe, die im Notfall eingreifen könnten. "Mir ist es in all den Jahren nur einmal passiert, dass mich ein Angeklagter geohrfeigt hat, der mit meiner Übersetzung nicht zufrieden war", erzählt Kondombolo mit einem leisen Lächeln.
Ob er selbst während dem Verfahren einen Eindruck von der Schuld oder Unschuld der Angeklagten entwickelt? Kondombolo überlegt eine Weile und sagt dann: "Mann kann aus der Körpersprache und Stimmlage durchaus Rückschlüsse ziehen. Wenn ein Angeklagter den Blickkontakt meidet oder vor seinen Antworten lange nachdenken muss, liegt die Vermutung nahe, dass er etwas zu verbergen hat."
Ähnliche Signale glaubt der Dolmetscher auch bei den Richtern erkennen und anhand von deren Fragen ableiten zu können, wie das endgültige Urteil ausfallen wird. Schließlich ist er als Dolmetscher in der Regel von Beginn bis Ende für ein jeweiliges Verfahren zuständig und dadurch im Detail mit der Beweislage vertraut.
"Das Gericht ist wie kostenloses Kino"
Wegen schlechter Gesundheit kündigte Kondombolo im Jahre 1991 seinen festen Job als Dolmetscher und arbeitet seither in freischaffender Eigenschaft für das Obergericht. Für Strafverfahren erhält er von der Staatsanwaltschaft dafür 192 N$ pro Tag. Bei zivilrechtlichen Verfahren wie Scheidungsprozessen und Arbeitsdisputen bezahlen ihm die beteiligten Privatanwälte 350 N$ am Tag.
"Zum Überleben ist das natürlich zu wenig, zumal ich nicht dauerhaft ausgebucht bin", sagt Kondombolo, der sein Einkommen als Dolmetscher gelegentlich durch Schweißarbeiten ergänzt. Dennoch will er die Arbeit am Gericht fortsetzen, weil "ich nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen und mich langweilen kann".
Seine Sprachbegabung führt er darauf zurück, dass er in einem mehrsprachigen Umfeld aufgewachsen ist und noch heute Menschen aus unterschiedlichen Volksgruppen zu seinem Freundeskreis zählt. Außerdem ist er während seiner 15 Jahre im Exil in Ländern wie Botswana, Sambia, Tansania und Uganda mit diversen Sprachen wie Nyasa, Tswana, Swahili und Xhosa in Berührung gekommen, von denen er noch heute einige sprechen, oder zumindest verstehen kann.
Zwischen Zeugenstand und Anklagebank
"Man muss eine Sprache regelmäßig benutzen, wenn man sie nicht verlernen will", sagt Kondombolo. In der Praxis bedeutet das für ihn, den Kontakt zu Freunden und Bekannten unterschiedlicher Sprachgruppen zu pflegen. Diese "Übung im Alltag" empfiehlt er auch seinen Dolmetscher-Kollegen, von denen er viele angelernt hat und die ihn noch heute als Mentor sehen.
Die Arbeit am Gericht hat ihn emotional abgehärtet. "Mich kann eigentlich nichts mehr erschüttern", sagt er. Nach kurzer Bedenkpause relativiert es diese Aussage jedoch wie folgt: "An eines werde ich mich aber nie gewöhnen - wenn Frauen und Kinder zu Opfern von Triebtätern werden. Die Konfrontation mit solchen Kriminellen gehört aber leider zu meinem Job."
Diesen Job will er auch in Zukunft auf freischaffender Basis weitermachen. "Ich finde die Arbeit noch immer interessant und abwechslungsreich", sagt er. "Das Gericht ist wie ein Kino bei dem man keinen Eintritt zahlen muss."
Es war eine Begegnung, die seinem Leben eine unerwartete Wendung geben sollte und bis heute nachwirkt. Truter fragte den damals 43-Jährigen, ob er als Dolmetscher im Magistratsgericht arbeiten wolle und Kondombolo ließ sich nicht lange bitten. Er kündigte seinen Job beim Lampenladen und begann seine Laufbahn als Dolmetscher zu einer Zeit, als dafür keine formale Qualifikation erforderlich war.
"Ich habe damals lediglich einige Sprachkurse an der Universität absolviert und mir nebenher von Kollegen die erforderliche Fachterminologie angeeignet", sagt Kondombolo, der sich rückblickend offenbar noch immer über den unkomplizierten Beginn seiner Karriere wundert. Nach nur vier Monaten Probezeit wurde er zum Dolmetscher am Regionalgericht befördert, wo ihn seine Arbeit über die nächsten acht Jahre durch das ganze Land führte.
"Es gab damals nur in einigen größeren Ortschaften permanente Gerichte - ich bin also regelmäßig mit den Richtern im ganzen Land umhergefahren und habe als Dolmetscher gearbeitet", berichtet er. Dabei nutzt ihm bis heute sein ungewöhnliches Sprachtalent als Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Übersetzern, die nur zwei oder drei Sprachen beherrschen.
Ungewöhnliches Sprachtalent
"Es ist oft so, dass in Strafverfahren mehrere Verdächtige angeklagt sind, die alle andere Sprachen sprechen", erläutert er und ergänzt: "Der Staatsanwaltschaft biete ich also den Vorteil, dass ich fast alle Landessprachen beherrsche und bei solchen Prozessen für alle Angeklagten dolmetschen bzw. die Aussagen von Zeugen aus unterschiedlichen Sprachgruppen übersetzen kann."
Die Arbeit empfindet er nicht nur als Berufung, sondern auch als "große Verantwortung". Schließlich habe jeder Angeklagte das Recht auf einen fairen Prozess und damit auch Anspruch darauf, dem in Englisch geführten Verfahren mit Hilfe eines Übersetzers folgen zu können. Als Dolmetscher habe er somit die Pflicht, sämtliche Aussagen der Prozessbeteiligten wahrheitsgetreu wiederzugeben und Begriffe verständlich zu umschreiben, für die es keine direkte Übersetzung gibt.
Vor den Beschuldigten, die meist neben ihm auf der Anklagebank sitzen und häufig schwerer Gewaltverbrechen verdächtigt werden, fürchtet sich Kondombolo nicht. Schließlich seien immer Polizisten in der Nähe, die im Notfall eingreifen könnten. "Mir ist es in all den Jahren nur einmal passiert, dass mich ein Angeklagter geohrfeigt hat, der mit meiner Übersetzung nicht zufrieden war", erzählt Kondombolo mit einem leisen Lächeln.
Ob er selbst während dem Verfahren einen Eindruck von der Schuld oder Unschuld der Angeklagten entwickelt? Kondombolo überlegt eine Weile und sagt dann: "Mann kann aus der Körpersprache und Stimmlage durchaus Rückschlüsse ziehen. Wenn ein Angeklagter den Blickkontakt meidet oder vor seinen Antworten lange nachdenken muss, liegt die Vermutung nahe, dass er etwas zu verbergen hat."
Ähnliche Signale glaubt der Dolmetscher auch bei den Richtern erkennen und anhand von deren Fragen ableiten zu können, wie das endgültige Urteil ausfallen wird. Schließlich ist er als Dolmetscher in der Regel von Beginn bis Ende für ein jeweiliges Verfahren zuständig und dadurch im Detail mit der Beweislage vertraut.
"Das Gericht ist wie kostenloses Kino"
Wegen schlechter Gesundheit kündigte Kondombolo im Jahre 1991 seinen festen Job als Dolmetscher und arbeitet seither in freischaffender Eigenschaft für das Obergericht. Für Strafverfahren erhält er von der Staatsanwaltschaft dafür 192 N$ pro Tag. Bei zivilrechtlichen Verfahren wie Scheidungsprozessen und Arbeitsdisputen bezahlen ihm die beteiligten Privatanwälte 350 N$ am Tag.
"Zum Überleben ist das natürlich zu wenig, zumal ich nicht dauerhaft ausgebucht bin", sagt Kondombolo, der sein Einkommen als Dolmetscher gelegentlich durch Schweißarbeiten ergänzt. Dennoch will er die Arbeit am Gericht fortsetzen, weil "ich nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen und mich langweilen kann".
Seine Sprachbegabung führt er darauf zurück, dass er in einem mehrsprachigen Umfeld aufgewachsen ist und noch heute Menschen aus unterschiedlichen Volksgruppen zu seinem Freundeskreis zählt. Außerdem ist er während seiner 15 Jahre im Exil in Ländern wie Botswana, Sambia, Tansania und Uganda mit diversen Sprachen wie Nyasa, Tswana, Swahili und Xhosa in Berührung gekommen, von denen er noch heute einige sprechen, oder zumindest verstehen kann.
Zwischen Zeugenstand und Anklagebank
"Man muss eine Sprache regelmäßig benutzen, wenn man sie nicht verlernen will", sagt Kondombolo. In der Praxis bedeutet das für ihn, den Kontakt zu Freunden und Bekannten unterschiedlicher Sprachgruppen zu pflegen. Diese "Übung im Alltag" empfiehlt er auch seinen Dolmetscher-Kollegen, von denen er viele angelernt hat und die ihn noch heute als Mentor sehen.
Die Arbeit am Gericht hat ihn emotional abgehärtet. "Mich kann eigentlich nichts mehr erschüttern", sagt er. Nach kurzer Bedenkpause relativiert es diese Aussage jedoch wie folgt: "An eines werde ich mich aber nie gewöhnen - wenn Frauen und Kinder zu Opfern von Triebtätern werden. Die Konfrontation mit solchen Kriminellen gehört aber leider zu meinem Job."
Diesen Job will er auch in Zukunft auf freischaffender Basis weitermachen. "Ich finde die Arbeit noch immer interessant und abwechslungsreich", sagt er. "Das Gericht ist wie ein Kino bei dem man keinen Eintritt zahlen muss."
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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