Gegen den Zahn der Zeit
Von Undine Konrad, Swakopmund
Mit seiner Mütze auf dem Kopf würde Klaus-Peter Tietz glatt als Mann der Seefahrt durchgehen. Darauf angesprochen, lächelt er sanft. Die Vorstellung, als Pastor durchaus auch Kapitän und Matrose einer Gemeinde zu sein, findet er gar nicht so abwegig. Er schließt die Seitentür zur Kirche auf. In der kühlen Sakristei mit großem Luther-Bildnis an der Wand legt er seine Mütze ab. Er reibt sich die Stirn und schließt dann einen Moment lang die Augen. Seine Sorge gilt dem „herrlichsten Schmuck dieser Kirche“, gleich nebenan, im Kirchenschiff. Es geht um drei Buntglasfenster oberhalb des Altars, die Jesus in biblischen Schlüsselmomenten zeigen: im Hause der Maria und Martha, beim Lehren und Segnen über den Wolken sowie beim Segnen von Kindern außerhalb des Stadttors. Die Bilder sind so alt wie das Gotteshaus selbst. Eingebaut wurden sie während oder kurz nach der Kirchenweihe im Jahr 1912.
Doch mit bloßem Auge ist zu erkennen, dass einige Stellen der kunstvollen Fenster verschmutzt sind. An etlichen Punkten hat die Farbe gelitten. Im rechten Bild etwa ist das braune Haar des Gottessohns ausgeblichen. So „sympathisch“ der Pastor „den ergrauten Jesus“ auch findet - er kann nicht einschätzen, ob das dauerhaft grelle Sonnenlicht auf den Fenstern Spuren hinterlässt. Dazu kommt das aggressive Küstenklima: „Die Luft an der See greift alles Metall sehr schnell an“, sagt Klaus-Peter Tietz. Wenn stimmt, was ihm zu Ohren gekommen ist, soll Blei nach hundert Jahren ohnehin brüchig werden. Inwiefern damit Schäden gerade an den Bleiverglasungen verbunden sind - er weiß es schlicht nicht. „Die Frage ist: Kann alles so bleiben oder müsste etwas gemacht werden, damit sie noch die nächsten hundert Jahre erhalten bleiben?“
Diese Frage kann einzig ein Fachmann beantworten. Doch Expertenrat ist teuer. „Wir haben nur Leute vor Ort, die es nicht beruflich gemacht haben, sondern aus Freude an der Sache“, sagt der Pastor. Deshalb muss der Gemeindekirchenrat der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche (DELK) einen Spezialisten aus Südafrika oder Deutschland einfliegen lassen. Klaus-Peter Tietz geht von rund 50000 N$ aus, die für die professionelle Begutachtung und Renovierung anfallen würden: „Wir reden vom Flug, Arbeitslohn und Material, von einem Gerüst und von ganz großer Sorgfalt, wenn die Fenster herausgeholt werden müssen.“ Er betont: Die Summe sei nur geschätzt. Erst wenn ein Fachmann da gewesen sei, könne er den schlussendlichen Betrag nennen.
18000 N$ hat die Gemeinde bereits zusammen. 7000 N$ wurden über die Kollekten gesammelt. Einen Erlös von 11000 N$ hat zudem die Benefizausstellung eingebracht, die vom 12. bis 30. April in der Woermannhaus-Kunstgalerie zu sehen war. Die Ausstellung wurde von Ischa Ulrich initiiert. Zwei der Malerinnen gehören der DELK-Gemeinde an, alle Künstlerinnen stammen aus Swakopmund. Sie alle spendeten ihre namibischen Landschaftsgemälde (Pastell, Öl, Tinte etc.) zum Verkauf zugunsten der Kirchenfenster. Diese Aktion ist gerade abgeschlossen. Nun hofft die Gemeinde sehr auf weitere Spender.
Im glücklichsten Falle finden sich auch Unterstützer in Deutschland. Damit ließe sich neu eine Brücke in die Vergangenheit schlagen. Denn die drei Buntglasfenster wurden einst in Deutschland gefertigt. Verschiedene Stifter ließen sie in den Naumburger Glaswerkstätten herstellen und schenkten sie der Gemeinde im kolonialen Swakopmund. Sogar ein viertes Bild sollte das Kirchenschiff zieren. Das Motiv: Martin Luther auf dem Reichstag in Worms. Der Entwurf dazu (von Prof. S. Sigrist, Rektor der Kunstakademie Karlsruhe) hängt bis heute links unterhalb des linken Buntglasfensters. Dieses Bild im Holzrahmen wurde 1914 auch tatsächlich umgesetzt. Doch was das Karlsruher Werkatelier Großkopf schuf, kam nie in Namibia an. Auf dem Überseetransport fiel es während des Ersten Weltkriegs einem Torpedo-Angriff zum Opfer.
„Die ganze Kirche konnte nur durch die großzügigen Spenden aus Deutschland gebaut werden“, berichtet Klaus-Peter Tietz. In ihrer 102-jährigen Geschichte ist sie zu so etwas wie einer Vertrauten im Leben hunderter Swakopmunder geworden. „Es hängen viele Herzen an diesem Gotteshaus“, versichert der Pastor: Hier wurde und wird getauft, konfirmiert, konzertiert. „Sie ist die Lieblingskirche für Trauungen in Swakopmund“, ergänzt Tietz. Und an diesem Ort kam und kommt auch nach wie vor die Trauergemeinde zusammen.
Doch während die gesamte Kirche peu à peu renoviert wurde, kamen die Fenster in den vergangenen zehn Jahren etwas zu kurz. „Das innen und außen angebrachte Schutzglas ist zehn Jahre nicht entfernt worden, um zu sehen, wie es zwischen der Scheibe und den Buntglasfenstern aussieht“, weiß der Pastor: „Stichwort Schimmel und was es sonst so alles geben kann.“
Seit nunmehr einem Jahr bemüht er sich in dieser Sache. „Wir stehen in direkter Korrespondenz mit zwei Glaswerkstätten in Port Elizabeth und in Deutschland“, sagt Klaus-Peter Tietz. „Außerdem haben wir Kontakt zu dem Team, das sich um die Restaurierung der Kirchenfenster in der Christuskirche Windhoek gekümmert hat.“ Ihm ist klar: „Das gleiche Glas zu bekommen und so zu bemalen, dass man nicht sieht, dass es ersetzt wurde, ist ganz schwierig.“ Deshalb will er handeln. Bevor eine Flickerei anfällt, die dieses Erbe nicht verdient.
Mit seiner Mütze auf dem Kopf würde Klaus-Peter Tietz glatt als Mann der Seefahrt durchgehen. Darauf angesprochen, lächelt er sanft. Die Vorstellung, als Pastor durchaus auch Kapitän und Matrose einer Gemeinde zu sein, findet er gar nicht so abwegig. Er schließt die Seitentür zur Kirche auf. In der kühlen Sakristei mit großem Luther-Bildnis an der Wand legt er seine Mütze ab. Er reibt sich die Stirn und schließt dann einen Moment lang die Augen. Seine Sorge gilt dem „herrlichsten Schmuck dieser Kirche“, gleich nebenan, im Kirchenschiff. Es geht um drei Buntglasfenster oberhalb des Altars, die Jesus in biblischen Schlüsselmomenten zeigen: im Hause der Maria und Martha, beim Lehren und Segnen über den Wolken sowie beim Segnen von Kindern außerhalb des Stadttors. Die Bilder sind so alt wie das Gotteshaus selbst. Eingebaut wurden sie während oder kurz nach der Kirchenweihe im Jahr 1912.
Doch mit bloßem Auge ist zu erkennen, dass einige Stellen der kunstvollen Fenster verschmutzt sind. An etlichen Punkten hat die Farbe gelitten. Im rechten Bild etwa ist das braune Haar des Gottessohns ausgeblichen. So „sympathisch“ der Pastor „den ergrauten Jesus“ auch findet - er kann nicht einschätzen, ob das dauerhaft grelle Sonnenlicht auf den Fenstern Spuren hinterlässt. Dazu kommt das aggressive Küstenklima: „Die Luft an der See greift alles Metall sehr schnell an“, sagt Klaus-Peter Tietz. Wenn stimmt, was ihm zu Ohren gekommen ist, soll Blei nach hundert Jahren ohnehin brüchig werden. Inwiefern damit Schäden gerade an den Bleiverglasungen verbunden sind - er weiß es schlicht nicht. „Die Frage ist: Kann alles so bleiben oder müsste etwas gemacht werden, damit sie noch die nächsten hundert Jahre erhalten bleiben?“
Diese Frage kann einzig ein Fachmann beantworten. Doch Expertenrat ist teuer. „Wir haben nur Leute vor Ort, die es nicht beruflich gemacht haben, sondern aus Freude an der Sache“, sagt der Pastor. Deshalb muss der Gemeindekirchenrat der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche (DELK) einen Spezialisten aus Südafrika oder Deutschland einfliegen lassen. Klaus-Peter Tietz geht von rund 50000 N$ aus, die für die professionelle Begutachtung und Renovierung anfallen würden: „Wir reden vom Flug, Arbeitslohn und Material, von einem Gerüst und von ganz großer Sorgfalt, wenn die Fenster herausgeholt werden müssen.“ Er betont: Die Summe sei nur geschätzt. Erst wenn ein Fachmann da gewesen sei, könne er den schlussendlichen Betrag nennen.
18000 N$ hat die Gemeinde bereits zusammen. 7000 N$ wurden über die Kollekten gesammelt. Einen Erlös von 11000 N$ hat zudem die Benefizausstellung eingebracht, die vom 12. bis 30. April in der Woermannhaus-Kunstgalerie zu sehen war. Die Ausstellung wurde von Ischa Ulrich initiiert. Zwei der Malerinnen gehören der DELK-Gemeinde an, alle Künstlerinnen stammen aus Swakopmund. Sie alle spendeten ihre namibischen Landschaftsgemälde (Pastell, Öl, Tinte etc.) zum Verkauf zugunsten der Kirchenfenster. Diese Aktion ist gerade abgeschlossen. Nun hofft die Gemeinde sehr auf weitere Spender.
Im glücklichsten Falle finden sich auch Unterstützer in Deutschland. Damit ließe sich neu eine Brücke in die Vergangenheit schlagen. Denn die drei Buntglasfenster wurden einst in Deutschland gefertigt. Verschiedene Stifter ließen sie in den Naumburger Glaswerkstätten herstellen und schenkten sie der Gemeinde im kolonialen Swakopmund. Sogar ein viertes Bild sollte das Kirchenschiff zieren. Das Motiv: Martin Luther auf dem Reichstag in Worms. Der Entwurf dazu (von Prof. S. Sigrist, Rektor der Kunstakademie Karlsruhe) hängt bis heute links unterhalb des linken Buntglasfensters. Dieses Bild im Holzrahmen wurde 1914 auch tatsächlich umgesetzt. Doch was das Karlsruher Werkatelier Großkopf schuf, kam nie in Namibia an. Auf dem Überseetransport fiel es während des Ersten Weltkriegs einem Torpedo-Angriff zum Opfer.
„Die ganze Kirche konnte nur durch die großzügigen Spenden aus Deutschland gebaut werden“, berichtet Klaus-Peter Tietz. In ihrer 102-jährigen Geschichte ist sie zu so etwas wie einer Vertrauten im Leben hunderter Swakopmunder geworden. „Es hängen viele Herzen an diesem Gotteshaus“, versichert der Pastor: Hier wurde und wird getauft, konfirmiert, konzertiert. „Sie ist die Lieblingskirche für Trauungen in Swakopmund“, ergänzt Tietz. Und an diesem Ort kam und kommt auch nach wie vor die Trauergemeinde zusammen.
Doch während die gesamte Kirche peu à peu renoviert wurde, kamen die Fenster in den vergangenen zehn Jahren etwas zu kurz. „Das innen und außen angebrachte Schutzglas ist zehn Jahre nicht entfernt worden, um zu sehen, wie es zwischen der Scheibe und den Buntglasfenstern aussieht“, weiß der Pastor: „Stichwort Schimmel und was es sonst so alles geben kann.“
Seit nunmehr einem Jahr bemüht er sich in dieser Sache. „Wir stehen in direkter Korrespondenz mit zwei Glaswerkstätten in Port Elizabeth und in Deutschland“, sagt Klaus-Peter Tietz. „Außerdem haben wir Kontakt zu dem Team, das sich um die Restaurierung der Kirchenfenster in der Christuskirche Windhoek gekümmert hat.“ Ihm ist klar: „Das gleiche Glas zu bekommen und so zu bemalen, dass man nicht sieht, dass es ersetzt wurde, ist ganz schwierig.“ Deshalb will er handeln. Bevor eine Flickerei anfällt, die dieses Erbe nicht verdient.
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Allgemeine Zeitung
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