EU-Afrika-Gipfel: Wie man die Flucht bekämpfen kann

Stefan Fischer
Wie verlässlich solche Prognosen sind, weiß niemand. Dem britischen Migrationsexperten Paul Collier zufolge würde sogar fast die Hälfte der heute bereits mehr als eine Milliarde Menschen im Süden der Sahara gerne im reichen Teil der Erde leben. Insofern sind die mehr als 100000 Afrikaner, die allein in diesem Jahr bislang via Libyen nach Italien gekommen sind, vermutlich nur der Anfang einer viel dramatischeren Entwicklung.

2015 war nur der Anfang

Fest steht nur: Europa und vor allem Deutschland haben mit der Ankunft von rund 1,5 Millionen Flüchtlingen seit 2015 nur den Anfang einer Bewegung gesehen, die enorme demographische und sozioökonomische Folgen haben wird. Der EU-Afrika-Gipfel, der vergangene Woche in der Elfenbeinküste stattfand, hatte deshalb auch nur ein Ziel: Wie schafft es Europa, den drohenden Ansturm auf seinen Wohlstand zu kontrollieren?

Viel Aussicht auf Erfolg haben die bisher gemachten Vorschläge zur Bekämpfung der Fluchtursachen schon deshalb nicht, weil die Probleme dafür viel zu tief liegen - und nur über einen weit längeren Zeitraum gelöst werden können als man jetzt Zeit dafür hat. Zumal der Exodus vor allem junger Menschen Afrikas Regierungen in die Hände spielt, weil er den sozialen Druck mindert, den die weit verbreitete Perspektivlosigkeit auf dem Kontinent erzeugt hat.

Die Gründe der Migration

Sinnvoller wäre stattdessen ein nüchterner Blick auf den Hauptgrund der Migrationswelle. Sie ist weit weniger dem Klimawandel oder Kriegen in Afrika geschuldet, wie viele in Europa noch immer glauben, sondern einer extrem hohen Arbeitslosigkeit, die wiederum mehr als alles andere auf der Bevölkerungsexplosion gründet. Bis 2050, also in nur einer Generation, wird sich die Bevölkerung Afrikas auf rund 2,5 Milliarden Menschen verdoppeln - und mehr als die Hälfte davon unter 20 Jahren alt sein. Allein für sie werden in einem Kontinent ohne Industrie und Institutionen fast 20 Millionen neue Arbeitsplätze pro Jahr gebraucht.

Allein in Nigeria, der zweitgrößten Volkswirtschaft in Subsahara-Afrika, werden jedes Jahr sieben Millionen Kinder geboren - mehr als in ganz Europa zusammen. Dabei liegt die Jugendarbeitslosigkeit in dem mit 170 Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Land des Kontinents schon jetzt bei mehr als Zweidrittel.

Doch den meisten Regierungen in Afrika ist das Thema völlig egal. In Ostafrika verdoppelt sich die Bevölkerung alle 20 Jahren, weil außer im kleinen Ruanda kein einziger Staatschef Verantwortung übernimmt. Dabei werden ohne eine Begrenzung der Bevölkerung alle Bemühungen um eine Verbesserung der Lage dort erfolglos verpuffen.

Skepsis bei Investoren

Das zentrale Thema des EU-Afrika-Gipfels war eine bessere Perspektive für all die jungen Afrikaner. Gefragt sind dabei vor allem private Investoren aus dem Westen. Doch gerade die blicken angesichts politischer Willkür und wirtschaftlicher Stagnation seit langem mit großer Skepsis auf Afrika. So ist der Bestand deutscher Direktinvestitionen in Afrika zwischen 2012 und 2015 sogar leicht rückläufig. Selbst in kleinen EU-Ländern wie Ungarn investieren deutsche Unternehmen deutlich mehr als auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, wenn der Sonderfall Südafrika als einziges Industrieland in Afrika einmal beiseitegelassen wird.

Neben einer rigorosen Bevölkerungskontrolle scheint der einzig gangbare Weg für den Agrarkontinent Afrika über einen Wirtschaftszweig zu gehen, der schnell Arbeitsplätze schaffen könnte: die Landwirtschaft. Zumal bislang nur ein Bruchteil seiner nutzbaren Agrarfläche kultiviert ist - und wenn dann zumeist nur mit mittelalterlichen Methoden wie Pflug und Hacke. Die Folge ist, das 36 der 48 Länder südlich der Sahara Nahrungsmittelimporteure sind und jedes Jahr mehr als 40 Milliarden US-Dollar in den Import von Lebensmitteln stecken, die beim Aufbau einer nachhaltigen Landwirtschaft weit besser investiert wären.

Afrika muss selbst handeln

Um nachhaltig zu wachsen, wäre zudem nötig, was die deutsche Industrie kürzlich in einem Positionspaper mahnte: eine grundsätzliche „Veränderung der politischen und sozialen Rahmenbedingungen in Afrika. Zumal viele Investitionshindernisse hier wie die gesellschaftlich oft akzeptierte Korruption „vorwiegend politischer Natur sind und weder finanziell noch technisch gelöst werden können“. Dass Afrika sich zuallererst selbst helfen muss, sollten dabei vor allem jene zur Kenntnis nehmen, die, wie etwa die deutsche Kanzlerin und ihr Entwicklungsminister, noch immer glauben, man könne Afrika von außen zu einem Wirtschaftswunder verhelfen.

Wolfgang Drechsler, Kapstadt

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-20

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