Etoscha-Jubiläum: "Kein Grund zum Feiern"
Robert Gordon, Professor der Anthropologie an der Universität von Vermont, spricht in seinem Vorwort zu Dieckmanns Buch von "Genozid-Amnesie". Der Völkermord, den er meint, sei ein noch viel boshafterer als der umstrittene von 1904 an den Herero - weil man ihn vergessen habe, weil er unsichtbar gemacht worden sei. Historiker hätten die frühe Geschichte der Hai//om-Buschleute bisher fast völlig ignoriert, ja selbst Vertreter dieser Volksgruppe wüssten kaum noch von dem Unrecht, das an ihren Vorfahren begangen wurde.
Gordon zitiert aus dem Tagebuch des Schutztrupplers Günther Walbaum, der 1914 mit einer Gruppe von 60 Soldaten in den Grootfontein-Bezirk entsandt wurde, um sich dem Problem aufsässiger Buschleute anzunehmen. Seine Instruktionen lauteten, "wenn möglich nicht zu viele (Buschleute) umzubringen". Walbaum berichtet, wie er sich mit seiner Truppe an eine Gruppe von Hai//om anschlich und sie umzingelte, "so wie man es bei Wild macht". Die Buschleute waren gerade dabei, Wurzeln auszugraben. Als sie den Hinterhalt entdeckten, gelang zehn oder 12 Personen die Flucht. Ein gewisser Falckenburg und ein Eingeborener erschossen zwei von ihnen, er selbst, Walbaum, habe sein Ziel "leider verfehlt".
Ein weiteres Zitat aus dem Tagebuch des Schutztrupplers offenbart die grausamen Methoden, wie mit aufsässigen Buschleuten - manche von ihnen wurden verdächtigt, weiße Siedler getötet zu haben - umgegangen wurde. Nachdem sie blutig geschlagen wurden, fesselte man sie nackt an einen Baum und setzte sie eine Winternacht hindurch der Kälte aus. Morgens um 8 Uhr suchte man "die richtigen Bäume", an denen "die Schurken" dann kurzerhand erhängt wurden.
Ute Dieckmann widmet sich in ihrem Buch "Hai//om in the Etosha Region - A History of Colonial Settlement, Ethnicity and Nature Conservation" als erste Wissenschaftlerin ausführlich der Geschichte der Hai//om-Buschleute der Etoscha-Region. Ihre Studie umfasst einen Zeitraum von fast eineinhalb Jahrhunderten und untersucht die Auswirkungen der Kolonialgeschichte sowie späterer politischer Entwicklungen auf Landrechte und das Selbstverständnis der Hai//om-Buschleute als ethnische Gruppierung.
Gordons These vom Völkermord an den Hai//om greift Dieckmann dabei nicht etwa plakativ auf, sondern berichtet faktisch, auf Archivmaterial, Feldstudien und zahllose Interviews gestützt, von demographischen, sozialen, politischen und Zeitgeist-Elementen, die die Geschichte der Buschleute über einen Zeitraum von mehr als 150 Jahren mitbestimmten.
Eine ihrer Schlussfolgerungen: Mit dem Wegfall der natürlichen Ressourcen für die Hai//om blieb ihnen als einziges Arbeitskapital ihre Arbeitskraft. Ihre bis heute andauernde Marginalisierung ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sie sich erst geraume Zeit nach Namibias Unabhängigkeit gewisse Anerkennung als eine ethnische Gruppierung verschaffen konnten. Bei der Gründung von Homelands in den 60er Jahren im Rahmen des Odendaal-Plans waren sie leer ausgegangen. Grund hierfür war auch das Fehlen interner Hierarchien; anders als die meisten anderen Ethnien Namibias hatten sie sich nie als Gruppe organisiert. Heute bleibt den Hai//om immerhin die Möglichkeit die "Buschmannkarte auszuspielen" und sich damit für Förderprojekte ausländischer Geldgeber zu qualifizieren.
Nach einer Neuigkeit klingt das nicht, neu ist aber die umfassende Datensammlung, die Dieckmann in ihrer knapp 400 Seiten umfassenden Studie zusammengetragen und ausgewertet hat. Die Bedeutung ihres Buches liegt unter anderem darin, zu zeigen, weshalb der Etoscha Nationalpark für die Hai//om das Symbol eines ihnen nie zugestandenen Homelands angenommen hat. Logisch, dass dies ein neues Licht auf das 100-jährige Etoscha-Jubiläum wirft.
Ute Dieckmann: "Hai//om in the Etosha Region - A History of Colonial Settlement, Ethnicity and Nature Conservation", Basler Afrika Bibliographien, Basel 2007. ISBN 978-3-905758-00-9.
Gordon zitiert aus dem Tagebuch des Schutztrupplers Günther Walbaum, der 1914 mit einer Gruppe von 60 Soldaten in den Grootfontein-Bezirk entsandt wurde, um sich dem Problem aufsässiger Buschleute anzunehmen. Seine Instruktionen lauteten, "wenn möglich nicht zu viele (Buschleute) umzubringen". Walbaum berichtet, wie er sich mit seiner Truppe an eine Gruppe von Hai//om anschlich und sie umzingelte, "so wie man es bei Wild macht". Die Buschleute waren gerade dabei, Wurzeln auszugraben. Als sie den Hinterhalt entdeckten, gelang zehn oder 12 Personen die Flucht. Ein gewisser Falckenburg und ein Eingeborener erschossen zwei von ihnen, er selbst, Walbaum, habe sein Ziel "leider verfehlt".
Ein weiteres Zitat aus dem Tagebuch des Schutztrupplers offenbart die grausamen Methoden, wie mit aufsässigen Buschleuten - manche von ihnen wurden verdächtigt, weiße Siedler getötet zu haben - umgegangen wurde. Nachdem sie blutig geschlagen wurden, fesselte man sie nackt an einen Baum und setzte sie eine Winternacht hindurch der Kälte aus. Morgens um 8 Uhr suchte man "die richtigen Bäume", an denen "die Schurken" dann kurzerhand erhängt wurden.
Ute Dieckmann widmet sich in ihrem Buch "Hai//om in the Etosha Region - A History of Colonial Settlement, Ethnicity and Nature Conservation" als erste Wissenschaftlerin ausführlich der Geschichte der Hai//om-Buschleute der Etoscha-Region. Ihre Studie umfasst einen Zeitraum von fast eineinhalb Jahrhunderten und untersucht die Auswirkungen der Kolonialgeschichte sowie späterer politischer Entwicklungen auf Landrechte und das Selbstverständnis der Hai//om-Buschleute als ethnische Gruppierung.
Gordons These vom Völkermord an den Hai//om greift Dieckmann dabei nicht etwa plakativ auf, sondern berichtet faktisch, auf Archivmaterial, Feldstudien und zahllose Interviews gestützt, von demographischen, sozialen, politischen und Zeitgeist-Elementen, die die Geschichte der Buschleute über einen Zeitraum von mehr als 150 Jahren mitbestimmten.
Eine ihrer Schlussfolgerungen: Mit dem Wegfall der natürlichen Ressourcen für die Hai//om blieb ihnen als einziges Arbeitskapital ihre Arbeitskraft. Ihre bis heute andauernde Marginalisierung ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sie sich erst geraume Zeit nach Namibias Unabhängigkeit gewisse Anerkennung als eine ethnische Gruppierung verschaffen konnten. Bei der Gründung von Homelands in den 60er Jahren im Rahmen des Odendaal-Plans waren sie leer ausgegangen. Grund hierfür war auch das Fehlen interner Hierarchien; anders als die meisten anderen Ethnien Namibias hatten sie sich nie als Gruppe organisiert. Heute bleibt den Hai//om immerhin die Möglichkeit die "Buschmannkarte auszuspielen" und sich damit für Förderprojekte ausländischer Geldgeber zu qualifizieren.
Nach einer Neuigkeit klingt das nicht, neu ist aber die umfassende Datensammlung, die Dieckmann in ihrer knapp 400 Seiten umfassenden Studie zusammengetragen und ausgewertet hat. Die Bedeutung ihres Buches liegt unter anderem darin, zu zeigen, weshalb der Etoscha Nationalpark für die Hai//om das Symbol eines ihnen nie zugestandenen Homelands angenommen hat. Logisch, dass dies ein neues Licht auf das 100-jährige Etoscha-Jubiläum wirft.
Ute Dieckmann: "Hai//om in the Etosha Region - A History of Colonial Settlement, Ethnicity and Nature Conservation", Basler Afrika Bibliographien, Basel 2007. ISBN 978-3-905758-00-9.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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