„Es bewegt sich etwas“
„Es bewegt sich etwas“

„Es bewegt sich etwas“

Praktikant Praktikant
Von Undine Konrad, Windhoek
Welche Möglichkeiten hat ein Restaurant ohne Gastraum und Catering-Service? Sagen wir: äußerst begrenzte. In einer ähnlichen Klemme steckte bisher die namibische Filmindustrie. Denn es gab keinen professionellen Vertrieb. Vor drei Wochen nun hat sich die erste Firma auf diesem Gebiet gegründet: die Independence Avenue Films.
„Um in Südafrika kostendeckend zu arbeiten, braucht man zehn neue Spielfilme im Jahr“, weiß Mitgründer Hans-Christian Mahnke. „Das werden wir in den nächsten acht Jahren nicht schaffen.“ Dennoch ist er von der Richtigkeit des Schrittes überzeugt: Bisher übernahm aus der Not heraus die NGO AfricAvenir Windhoek diesen Teil. Als Vorsitzender kümmerte sich Mahnke mit darum, wenn es seine Zeit zuließ. Doch professionell im ökonomischen Sinne konnte der Vertrieb in diesem Rahmen schon deshalb nicht erfolgen, weil eine NGO dem Grundsatz nach nicht kommerziell arbeiten darf. Als Erstes hat daher die neue Independence Avenue Films die mehr als zehn Kurzfilme und Dokumentationen übernommen, um deren Verbreitung sich in den vergangenen Jahren AfricAvenir bemühte.
Was Mahnke positiv überrascht: Seit der Gründung hat das Vertriebsunternehmen zahlreiche Anfragen von Leuten erhalten, die professionelle Filme zu vermarkten haben. Die Zahl der Kunstfilme darunter ist allerdings gering. Independence Avenue Films verhandelt nun bereits mit Fluglinien und Fernsehsendern über die Ausstrahlung. Eine andere Chance bietet Mahnke zufolge die Veröffentlichung auf DVD. Gerade für ältere Produktionen nennt er zudem Video-on-demand-Plattformen im Internet als interessante Geschäftsfelder.
Doch in Namibias kleiner Filmindustrie tut sich einiges mehr. „Es bewegt sich etwas zum Positiven“, registriert Mahnke, der sich seit mehreren Jahren in der Branche engagiert. Beispiel verfügbare Technik und Personalsituation: Vor fünf Jahren sei es wegen der begrenzten Kapazitäten gerade einmal möglich gewesen, maximal zwei Kurzfilme parallel zu drehen. Inzwischen ließe sich an fünf derartigen Produktionen gleichzeitig arbeiten.
Allgemein schätzt er die Entwicklung im Bereich „Kurzfilm“ als gut ein. „Die Namibische Filmkommission NFC hat in den vergangenen drei Jahren zwölf Kurzfilme finanziert. Der staatlich-politische Wille zur Finanzierung namibischer Geschichten ist da“, sagt Mahnke. Voraussichtlich in zwei bis drei Jahren würden anspruchsvolle Produktionen fertig. „Darauf lässt sich aufbauen.“
Etwas diffiziler hingegen erscheint ihm die Situation des Langfilms. Zwar fördert die NFC erstmals seit langem wieder ein solches Projekt. Als Novum bezeichnet Mahnke auch, dass die NFC die Förderung von zwei Dokumentarfilmen ausgeschrieben hat. Doch vor drei Schwierigkeiten stehen Langfilm-Enthusiasten: Die Produktionen sind teuer. „Es braucht noch mehr Erfahrungen und Kontakte, um international private Geldgeber zu gewinnen.“ Hochwertige Technik ist weiterhin rar in Namibia, so dass noch immer eine Abhängigkeit zu südafrikanischen Produktionsfirmen besteht, die die Technik verleihen. Und: Der Pool an professionellen Filmleuten ist nach wie vor begrenzt. Was auch damit zusammenhängt, dass es nicht allzu viele Nachwuchsfilmemacher gibt. Viele, so Mahnke, eigneten sich das Handwerkszeugs Schritt für Schritt als Hilfskraft bei größeren Produktionen an und arbeiteten sich dann langsam hoch. Andere ließen sich - zum Beispiel im Katutura Community Art Centre (KCAC) - im Bereich Fernsehen ausbilden, was aber für den Anspruch an Kunstfilme noch nicht ausreiche. Ihm stellt sich deshalb die Frage, ob es in Namibia Sinn machen würde, eine Filmschule aufzubauen. Dafür spricht: Eine derartige „Talenteschmiede“ könnte zur weiteren Professionalisierung des Sektors einen wichtigen Beitrag leisten. Dagegen halten kann man: Die Tradition des namibischen Films ist kurz, nicht einmal eine Kinofilmkultur existiert bislang.
Um eine solche Kultur zu entwickeln, hat AfricAvenir gemeinsam mit dem FNCC (Französisch-Namibischen Kulturzentrum) vor einer Woche eine monatliche Kinder- und Jugendfilm-Reihe ins Leben gerufen. „Meine Hoffnung ist, dass wir uns mit dem Angebot an ein neues Publikum richten“, sagt Mahnke. „Vielleicht erwischen wir das richtige.“
Und auch die Namibische Filmvereinigung FAN (Filmmakers Association of Namibia) kann in letzter Zeit einige Erfolge vorweisen. So wurde sie jüngst vom Minister für Information und Kommunikationstechnologie als Repräsentant der Filmschaffenden in Namibia anerkannt. Damit gilt die Vereinigung als offizieller Ansprechpartner für die Regierung in Film-Fragen, etwa bei geplanten Gesetzesänderungen, die die Branche betreffen.
Außerdem hat FAN von der staatlichen NFC einen Fördertopf erhalten. Für die nächsten drei Jahre kann die Vereinigung jährlich 200000 Namibia-Dollar zur Unterstützung von Filmprojekten ausschreiben. Bewilligt werden können jeweils Förderungen von maximal 20000 N$. Eine Antragsbedingung ist die FAN-Mitgliedschaft seit mindestens zwei Jahren.
Im Juli vergibt die FAN dann bereits zum dritten Mal die Namibia Film und Theater Awards in Windhoek. Die Preise in mehreren Kategorien werden seit 2009 aller zwei Jahre verliehen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2023-05-28

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