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Ein neues Kapitel

Praktikant Praktikant
Von Thomas Haslböck, Windhoek

Eine frische Küstenbrise weht derzeit durch den beschaulichen Windhoeker Buchmarkt: Demasius Publications, der Brachenprimus im Großhandelsbereich, hat Anfang August den Besitzer gewechselt. Namibia Book Market nennt sich das Unternehmen seither – mit der Namensänderung will die jetzige Inhaberin Angela Hofmeyr ein neues Kapitel in der bislang äußerst erfolgreichen Firmengeschichte einleiten. Hatte sich Demasius Publications noch beinahe ausschließlich auf den Großhandel konzentriert, so soll Namibia Book Market künftig auch den Einzelhandel mitbedienen. Das heißt im Klartext: Windhoek bekommt einen neuen Buchladen.

Zum Vorbild hat Hofmeyr sich dabei ihren Bruder Joachim von Wietersheim genommen – der junge Unternehmer ist Inhaber der Swakopmunder Buchhandlung und Teilhaber am Neuerwerb seiner kleinen Schwester. Aus dem laufenden Geschäft hält er sich zwar heraus – seine Art, Bücher zu verkaufen, beeinflusst Angela Hofmeyr dennoch merklich. Denkt sie an einen funktionierenden Buchmarkt, dann hat sie stets Swakopmund vor Augen.

„Nur weil es in Windhoek nun einen Buchladen mehr gibt, wird der Konkurrenzdruck nicht größer“, meint Hofmeyr. Der Laden, den ihr Bruder betreibt, befindet sich nur wenige Meter vom zweiten Buchgeschäft des Küstenstädtchens entfernt – ist die gewünschte Ware gerade nicht vorrätig, empfiehlt man dort schon mal den Konkurrenten. Und was in Swakopmund geht, das kann auch in Windhoek nicht unmöglich sein, glaubt die junge Frau. Sie will es daher ganz ähnlich handhaben: „Wer hunderte Romane durchstöbern möchte, der ist bei mir falsch – den müsste ich glatt woanders hinschicken.“ Hofmeyr ist überzeugt, dass ein nachsichtiges Miteinander den Buchmarkt insgesamt attraktiver machen könnte – auch weil sich Synergieeffekte einstellen. „Eine größere Bandbreite an Angeboten lockt mehr Leute in die Läden“, mutmaßt die Unternehmerin.

Abgesehen davon befindet sich der Verkaufsraum von Namibia Book Market nicht in unmittelbarer Nähe zu anderen Buchhandlungen. Hofmeyr nutzt ganz pragmatisch den langjährigen Unternehmenssitz von Demasius Publications im Grünen-Kranz-Komplex. Das Büro wird derzeit zum Laden umgestaltet. Etliche Bücherregale stehen dort bereits an den Wänden. Es sollen aber noch mehr werden – gefüllt mit Kinderbüchern, Kochbüchern, Field Guides, Kolonialliteratur und spezifisch namibischen Büchern. Gerade letztere sind oft gar nicht so einfach zu bekommen. Viele hiesige Autoren schreiben einfach drauf los und verlegen ihre Werke in Eigenregie – ohne dass es der Buchhandel immer mitbekommen würde.

Auf längere Sicht plant Hofmeyr zudem, verstärkt in den Onlinehandel einzusteigen. Was andernorts schon seit Jahren üblich ist, wird in Namibia immer noch skeptisch beäugt. „Bei uns herrscht die Meinung vor, dass man im Internet über den Tisch gezogen wird“, bedauert die junge Frau. Der Internetriese Amazon konnte zwischen Oranje und Kunene daher nie richtig Fuß fassen. Für hiesige Unternehmen gibt es darum einen noch völlig brachliegenden Markt zu erobern – wenn sich die Namibier nur davon überzeugen lassen.

Die Gründerin von Demasius Publications, Ingrid Demasius, hat jedenfalls Vertrauen in die Arbeit ihrer Nachfolgerin. „Wenn man ehrlich ist: Wer in diesem Land etwas Wumma hat, der muss es beinahe zu etwas bringen“, meint sie schmunzelnd, aber doch nachdrücklich. Sie selbst hat innerhalb von zehn Jahren aus einer Garagenfirma ein Erfolgsunternehmen gezimmert – und das ohne viel Vorerfahrung. Die ausgebildete Medizinisch-Technische Assistentin träumte zwar immer von einem eigenen Laden, hätte aber nie daran gedacht, Bücher zu vertreiben. Zumindest nicht bis zu dem Tag, an dem ihr der Klaus Hess Verlag anbot, seine Produkte an den Endverkäufer zu bringen. Ohne detailliert mit den Eigenheiten und Regeln der Großhandelsbranche vertraut zu sein, stürzte sich Demasius ins Abenteuer.

Ihren vorläufigen Mangel an Fachwissen machte die resolute Unternehmerin durch harte Arbeit wett. „Ein halbes Jahr habe ich beinahe rund um die Uhr geschuftet“, erinnert sie sich. Bis heute ist die Geschäftsfrau überzeugt: Wer es zu etwas bringen will, der muss selbst anpacken und sogar noch jede Briefmarke mit der eigenen Zunge lecken. Ingrid Demasius hat daher nie darauf gewartet, dass die Kunden zu ihr kommen. Im Gegenteil: Sie setzte sich ins Auto, fuhr ins Land hinaus, klapperte alle möglichen Lodges ab und bot dort ihre Bücher feil. Mehr als einmal musste sie dabei im Auto übernachten. Doch ihr Einsatz verschaffte ihr schnell einen großen Marktvorteil. „Ich kannte meine Kunden bald alle persönlich, wusste wie viel Platz sie im Verkaufsraum haben und welche Art von Gästen sie betreuen“, erzählt Demasius. Auf diesen Informationen aufbauend, konnte sie den Lodges beinahe maßgeschneiderte Buchpakete zusammenstellen. Die Bücher zum Markt bringen – das war ihre Strategie.

Natürlich gab es auch Rückschläge. Bei einem Einbruch wurde ihr beispielsweise der Computer gestohlen – mit allen darauf gespeicherten Rechnungsdaten. „Das Finanzamt hätte keine Gnade gehabt. Da wär’s fast zu Ende gewesen, bevor es richtig angefangen hat“, erinnert sich Ingrid Demasius. Doch die hartnäckige Unternehmerin hatte vorgesorgt: Ein simples Backup rettete damals ihre Existenz. „Bis heute sichere ich meine Daten täglich“, sagt sie.

Harte Arbeit und eine gewisse Zähigkeit sind aber nur ein Teil ihres Erfolgsrezeptes. „Mindestens ebenso wichtig ist es, die richtigen Entscheidungen zu treffen“, so Demasius. Dazu muss man zunächst einmal den Markt überblicken, wissen was wo gebraucht wird und wie viel davon. „Es war immer schwierig, die richtige Menge an Büchern aus Südafrika zu bestellen“, erinnert sie sich. Das Problem: Der namibische Markt ist klein und wer mehr einkauft als er absetzen kann, der bleibt schnell auf seiner Ware sitzen – zurückschicken ist nicht möglich.

Um auch diesen Aspekt in den Griff zu bekommen, ist Demasius bereits im zweiten Jahr ihrer Unternehmertätigkeit zu einer Buchmesse nach Kapstadt gefahren. „Mich hat das damals total stimuliert“, erinnert sie sich. Wie bei ihren Kunden, so suchte sie auch bei ihren Zulieferern den direkten Kontakt – bald kannte sie die meisten Verlagsvertreter persönlich.

Der Erfolg hat dieser Strategie rechtgegeben. Schon drei Jahre nach Unternehmensgründung wurde ihre Garage zu klein – Demasius Publications zog in den Grünen-Kranz-Komplex um. „Damals dachte ich: Um Gottes Willen, das ist alles viel zu groß hier. Aber dann füllten sich die Räumlichkeiten schnell“, lacht die Unternehmensgründerin. Am Ende beschäftigte Demasius dort drei Angestellte – das macht sie besonders stolz. In den Verhandlungen mit Angela Hofmeyr und Joachim von Wietersheim war ihr die Weiterbeschäftigung ihrer Mitarbeiter daher ein großes Bedürfnis.

Der Unternehmensname war ihr da weniger wichtig. „Keine Sekunde habe ich darüber nachgedacht, wie die Firma in Zukunft heißen soll“, versichert Demasius. Sie stellte die Entscheidung daher ihren Nachfolgern frei. Das jetzt „Namibia Book Market“ auf den Schildern vorm Grünen Kranz Komplex steht, findet sie nicht schlimm. „Demasius Publications – das hängt vielleicht wirklich etwas zu sehr an der Person“, glaubt die Pensionärin.

Dass sie jetzt eine „has been“ ist, stört sie kaum. Obwohl Demasius zehn Jahre am Aufbau ihres Geschäfts geackert hat, ist ihr der Rückzug nicht sonderlich schwer gefallen. „Klar war ich zunächst hin- und hergerissen – ich bildete mir ein, dass ich noch weiter arbeiten müsse. Aber auf der anderen Seite wollte und will ich noch so viel mit meinem Leben anstellen“, sagt sie. Eine gesundheitliche Diagnose in ihrem engsten Umfeld wirkte schließlich wie ein Weckruf. Bereut hat sie ihre Entscheidung seither nicht. „Ich bin in kein Loch gefallen, sondern genieße es, ohne Druck zu leben“, meint Demasius zufrieden. Jetzt macht sie all das, worauf sie gerade Lust hat – die Pensionärin reist herum, geht schwimmen und liest Bücher. „Auch meine Schränke habe ich bereits aufgeräumt“, lacht sie. „Das ist der Traum jeder berufstätigen Frau.“ Hat sie dann genug vom spontanen Dahinleben, will sie Stammbäume und alte Akten wälzen, um ihre Familiengeschichte zu erforschen. Die ehemalige Buchhändlerin schmunzelt wieder: „Aber eines verspreche ich schon jetzt: Mein Ergebnisse werden NICHT in Buchform erscheinen.“

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-10-12

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