Ein Leben in Spitzenschuhen
Wie Windhoeks „Boereballerina“ Zaandré du Toit hinter den Kulissen ihr Glück fand
Von Annika Brohm, Windhoek
Es ist mucksmäuschenstill im Saal der Kunsthochschule in Windhoek. Die kleinen Mädchen in Ballettkleidung nehmen ihre Position ein, die Musik beginnt zu spielen: Eins, zwei Takte erklingen, da schaltet du Toit die Anlage auch schon wieder ab. „Das war nicht richtig, ich möchte schön gestreckte Füße sehen. Das machen wir direkt noch einmal“, sagt sie und tanzt die Schrittfolge erneut vor. Die Mädchen schauen ihr aufmerksam zu, ihre Bewunderung können sie dabei kaum verbergen. Bei allem, was die 31-Jährige tut, wirkt sie elegant; jede Bewegung steckt voller Grazie. Es scheint, als sei sie für ein Leben als Primaballerina geschaffen.
Ihre Karriere hat tatsächlich schon früh begonnen. Bereits mit fünf Jahren hat sie in eben diesem Saal in Windhoek selbst die ersten Tanzschritte gewagt und die Bewegungen mit den eleganten französischen Bezeichnungen einstudiert: Passé, Plié, Jeté.
Während den folgenden Jahren bleibt sie ihrem Hobby treu. Mehrmals wöchentlich trainiert sie; feilt an ihrer Technik. Eine professionelle Tanzkarriere hat die „Boereballerina“, wie sie sich selbst bezeichnet, damals allerdings nicht angestrebt. Nach ihrem Schulabschluss geht sie zunächst nach Südafrika, um Chemie zu studieren. Wenige Monate später bricht sie das Studium jedoch wieder ab. „Ich habe schnell gemerkt, dass irgendetwas fehlt“, sagt du Toit. Sie sehnt sich danach, zu tanzen. Schließlich führt sie ihr Weg an die Ballettschule in Kapstadt. Du Toit wird zur Ballettlehrerin ausgebildet, nebenbei tanzt sie für das „Cape Town City Ballet“ in Inszenierungen von Klassikern wie „Dornröschen“ und „Cinderella“ über die Bühnen Kapstadts.
„Vor sieben Jahren dachte ich mir dann aber: Du hattest deine großen Auftritte, nun ist Zeit für etwas Neues.“ Sie beginnt, in Windhoek Ballett zu unterrichten - ein Schritt, den sie zunächst bereut. „Anfangs war es kein Traum, der wahr wurde. Im Gegenteil: Manchmal habe ich mich sogar gefragt, warum ich mir das antue“, sagt sie. Plötzlich zählt nicht mehr ihr eigener Erfolg, sondern der ihrer Schüler. Nach einer Weile findet sie aber große Freude daran. Mittlerweile bezeichnet sie die Ballettlehre sogar als ihre Bestimmung. „Es sind vor allem die kleinen Dinge, die mich glücklich machen“, erzählt du Toit schmunzelnd. „Wenn sie ihre kleinen Füße richtig strecken, beispielsweise.“
Der perfekte Tanz
In den letzten Jahren hat du Toit an der Kunsthochschule in Windhoek mehr als 180 Schüler unterrichtet, darunter auch fünf Jungen. Der Andrang ist nach wie vor groß; Ballettlehrer werden händeringend gesucht. Dennoch: So beliebt Ballett bei Kindern und Jugendlichen als Freizeitaktivität auch sein mag - eine berufliche Zukunft auf den Bühnen der Welt streben nur die wenigsten namibischen Nachwuchstalente an. „Man hat nicht gerade tolle Aussichten als professionelle Tänzerin in Namibia, sogar in Südafrika ist die Finanzierung sehr schwierig“, erklärt du Toit. Als Freizeitaktivität für Kinder und Jugendliche würde sie es dennoch jederzeit empfehlen. „Ballett ist toll, um ein Bewusstsein für den eigenen Körper zu entwickeln“, erzählt sie. „Und auch Disziplin kann man dadurch lernen. Man muss am Ball bleiben und jederzeit konzentriert sein.“ Genau diese Disziplin fordert du Toit selbst von ihren kleinsten Schülern, den „Babies“. Jede Choreographie wird bis zur Perfektion geprobt - und auf die Bühne darf nicht jeder: Bevor die Besetzung für eine Aufführung festgelegt wird, müssen die Schüler vortanzen. Du Toits perfektionistische Ader schimmert auch in dieser Hinsicht durch. „Wir möchten ein gewisses Niveau halten“, betont sie. Das gilt auch für die nächste Vorstellung der Ballettschule, die im Juli stattfinden soll.
„Däumelinchen“ („Thumbelina“) ist der Titel des Bühnenstücks, für das du Toit und ihre Nachwuchstalente derzeit proben. Unterstützt wird sie dabei von dem Tänzer Robin van Wyk aus Pietermaritzburg, den sie während ihrer Zeit in Südafrika kennengelernt hat. In der Balletszene ist van Wyk kein unbeschriebenes Blatt. In Kapstadt ist er als Romeo mehrere Male den Bühnentod gestorben, auch den Prinz aus Tschaikowskis „Nussknacker“ hat er bereits dargestellt. Wie du Toit hat er seine Bewegungen an der Ballettschule in Kapstadt perfektioniert. Seitdem arbeiten beide regelmäßig zusammen. „Robin ist ein toller Choreograph“, erzählt du Toit. Er war es auch, der die Schrittfolge für die namibische Version von „Däumelinchen“ festgelegt hat. „Er zeigt den Schülern die Tanzschritte. So sehen sie auch mal einen anderen Stil als meinen. Das ist auch nicht schlecht“, sagt du Toit und lacht.
Bevor der Vorhang fällt
„Däumelinchen“ ist nicht der erste Auftritt, den du Toit und van Wyk gemeinsam in Szene setzen. Vor vier Jahren haben die beiden „Ballet Bonanza“ auf die Bühne gebracht. Im Jahr darauf folgte „Delights at the Ballet“. Der Saal des Nationaltheaters war jedes Mal restlos ausverkauft, das Publikum begeistert. Und doch konnte im letzten Jahr keine Aufführung realisiert werden. Der Grund: Die finanziellen Mittel dafür haben schlichtweg gefehlt. Insgesamt 350000 N$ benötigt du Toit für die Kostüme, die Beleuchtung und das Engagement mehrerer Tänzer aus Kapstadt. Der Finanz- und Versicherungskonzern Old Mutual, der die letzten Inszenierungen unterstützt hat, ist als Sponsor weggebrochen. Einen Ersatz konnte du Toit bisher noch nicht finden. Dennoch ist sie fest entschlossen, das „Däumelinchen“ über die Bühne des Nationaltheaters tanzen zu lassen. „Diese Aufführung wird stattfinden. Komme, was wolle“, sagt die Ballettlehrerin. „Es ist so schön, die Kinder für ihre harte Arbeit zu belohnen und zu sehen, wie ihre kleinen Gesichter auf der Bühne vor Freude strahlen“, sagt sie.
Dennoch sind es nicht die Aufmerksamkeit und die Begeisterung des Publikums, die für du Toit den Zauber einer Bühnenproduktion ausmachen. Im Gegenteil: Das Schönste am Ballet sind für sie die Momente, bevor der Vorhang fällt.
Das geschäftige Treiben hinter der Bühne, der Geruch der Schminke und des Haarsprays, die Klänge der Instrumente, die vor der Aufführung nochmal gestimmt werden. Es sind Erfahrungen wie diese, die du Toit ihren Schülern mit den Auftritten im Nationaltheater ermöglichen möchte. „Ich möchte sie inspirieren und dazu motivieren, weiterzumachen“, erklärt du Toit. In diesem Moment ist sie nicht nur Perfektionistin, sondern vor allem Idealistin. Wenn ihre Schüler im Juli als Mäuse, Hühnchen und Eisfeen verkleidet über die Bühne tanzen, dann sollen sie „vor allem Spaß haben und sich das kleine Herz aus der Seele tanzen“, sagt du Toit lächelnd. Und dann geht es auch schon weiter mit dem Training: Passé, Plié, Jeté. Wie damals, vor 26 Jahren.
Es ist mucksmäuschenstill im Saal der Kunsthochschule in Windhoek. Die kleinen Mädchen in Ballettkleidung nehmen ihre Position ein, die Musik beginnt zu spielen: Eins, zwei Takte erklingen, da schaltet du Toit die Anlage auch schon wieder ab. „Das war nicht richtig, ich möchte schön gestreckte Füße sehen. Das machen wir direkt noch einmal“, sagt sie und tanzt die Schrittfolge erneut vor. Die Mädchen schauen ihr aufmerksam zu, ihre Bewunderung können sie dabei kaum verbergen. Bei allem, was die 31-Jährige tut, wirkt sie elegant; jede Bewegung steckt voller Grazie. Es scheint, als sei sie für ein Leben als Primaballerina geschaffen.
Ihre Karriere hat tatsächlich schon früh begonnen. Bereits mit fünf Jahren hat sie in eben diesem Saal in Windhoek selbst die ersten Tanzschritte gewagt und die Bewegungen mit den eleganten französischen Bezeichnungen einstudiert: Passé, Plié, Jeté.
Während den folgenden Jahren bleibt sie ihrem Hobby treu. Mehrmals wöchentlich trainiert sie; feilt an ihrer Technik. Eine professionelle Tanzkarriere hat die „Boereballerina“, wie sie sich selbst bezeichnet, damals allerdings nicht angestrebt. Nach ihrem Schulabschluss geht sie zunächst nach Südafrika, um Chemie zu studieren. Wenige Monate später bricht sie das Studium jedoch wieder ab. „Ich habe schnell gemerkt, dass irgendetwas fehlt“, sagt du Toit. Sie sehnt sich danach, zu tanzen. Schließlich führt sie ihr Weg an die Ballettschule in Kapstadt. Du Toit wird zur Ballettlehrerin ausgebildet, nebenbei tanzt sie für das „Cape Town City Ballet“ in Inszenierungen von Klassikern wie „Dornröschen“ und „Cinderella“ über die Bühnen Kapstadts.
„Vor sieben Jahren dachte ich mir dann aber: Du hattest deine großen Auftritte, nun ist Zeit für etwas Neues.“ Sie beginnt, in Windhoek Ballett zu unterrichten - ein Schritt, den sie zunächst bereut. „Anfangs war es kein Traum, der wahr wurde. Im Gegenteil: Manchmal habe ich mich sogar gefragt, warum ich mir das antue“, sagt sie. Plötzlich zählt nicht mehr ihr eigener Erfolg, sondern der ihrer Schüler. Nach einer Weile findet sie aber große Freude daran. Mittlerweile bezeichnet sie die Ballettlehre sogar als ihre Bestimmung. „Es sind vor allem die kleinen Dinge, die mich glücklich machen“, erzählt du Toit schmunzelnd. „Wenn sie ihre kleinen Füße richtig strecken, beispielsweise.“
Der perfekte Tanz
In den letzten Jahren hat du Toit an der Kunsthochschule in Windhoek mehr als 180 Schüler unterrichtet, darunter auch fünf Jungen. Der Andrang ist nach wie vor groß; Ballettlehrer werden händeringend gesucht. Dennoch: So beliebt Ballett bei Kindern und Jugendlichen als Freizeitaktivität auch sein mag - eine berufliche Zukunft auf den Bühnen der Welt streben nur die wenigsten namibischen Nachwuchstalente an. „Man hat nicht gerade tolle Aussichten als professionelle Tänzerin in Namibia, sogar in Südafrika ist die Finanzierung sehr schwierig“, erklärt du Toit. Als Freizeitaktivität für Kinder und Jugendliche würde sie es dennoch jederzeit empfehlen. „Ballett ist toll, um ein Bewusstsein für den eigenen Körper zu entwickeln“, erzählt sie. „Und auch Disziplin kann man dadurch lernen. Man muss am Ball bleiben und jederzeit konzentriert sein.“ Genau diese Disziplin fordert du Toit selbst von ihren kleinsten Schülern, den „Babies“. Jede Choreographie wird bis zur Perfektion geprobt - und auf die Bühne darf nicht jeder: Bevor die Besetzung für eine Aufführung festgelegt wird, müssen die Schüler vortanzen. Du Toits perfektionistische Ader schimmert auch in dieser Hinsicht durch. „Wir möchten ein gewisses Niveau halten“, betont sie. Das gilt auch für die nächste Vorstellung der Ballettschule, die im Juli stattfinden soll.
„Däumelinchen“ („Thumbelina“) ist der Titel des Bühnenstücks, für das du Toit und ihre Nachwuchstalente derzeit proben. Unterstützt wird sie dabei von dem Tänzer Robin van Wyk aus Pietermaritzburg, den sie während ihrer Zeit in Südafrika kennengelernt hat. In der Balletszene ist van Wyk kein unbeschriebenes Blatt. In Kapstadt ist er als Romeo mehrere Male den Bühnentod gestorben, auch den Prinz aus Tschaikowskis „Nussknacker“ hat er bereits dargestellt. Wie du Toit hat er seine Bewegungen an der Ballettschule in Kapstadt perfektioniert. Seitdem arbeiten beide regelmäßig zusammen. „Robin ist ein toller Choreograph“, erzählt du Toit. Er war es auch, der die Schrittfolge für die namibische Version von „Däumelinchen“ festgelegt hat. „Er zeigt den Schülern die Tanzschritte. So sehen sie auch mal einen anderen Stil als meinen. Das ist auch nicht schlecht“, sagt du Toit und lacht.
Bevor der Vorhang fällt
„Däumelinchen“ ist nicht der erste Auftritt, den du Toit und van Wyk gemeinsam in Szene setzen. Vor vier Jahren haben die beiden „Ballet Bonanza“ auf die Bühne gebracht. Im Jahr darauf folgte „Delights at the Ballet“. Der Saal des Nationaltheaters war jedes Mal restlos ausverkauft, das Publikum begeistert. Und doch konnte im letzten Jahr keine Aufführung realisiert werden. Der Grund: Die finanziellen Mittel dafür haben schlichtweg gefehlt. Insgesamt 350000 N$ benötigt du Toit für die Kostüme, die Beleuchtung und das Engagement mehrerer Tänzer aus Kapstadt. Der Finanz- und Versicherungskonzern Old Mutual, der die letzten Inszenierungen unterstützt hat, ist als Sponsor weggebrochen. Einen Ersatz konnte du Toit bisher noch nicht finden. Dennoch ist sie fest entschlossen, das „Däumelinchen“ über die Bühne des Nationaltheaters tanzen zu lassen. „Diese Aufführung wird stattfinden. Komme, was wolle“, sagt die Ballettlehrerin. „Es ist so schön, die Kinder für ihre harte Arbeit zu belohnen und zu sehen, wie ihre kleinen Gesichter auf der Bühne vor Freude strahlen“, sagt sie.
Dennoch sind es nicht die Aufmerksamkeit und die Begeisterung des Publikums, die für du Toit den Zauber einer Bühnenproduktion ausmachen. Im Gegenteil: Das Schönste am Ballet sind für sie die Momente, bevor der Vorhang fällt.
Das geschäftige Treiben hinter der Bühne, der Geruch der Schminke und des Haarsprays, die Klänge der Instrumente, die vor der Aufführung nochmal gestimmt werden. Es sind Erfahrungen wie diese, die du Toit ihren Schülern mit den Auftritten im Nationaltheater ermöglichen möchte. „Ich möchte sie inspirieren und dazu motivieren, weiterzumachen“, erklärt du Toit. In diesem Moment ist sie nicht nur Perfektionistin, sondern vor allem Idealistin. Wenn ihre Schüler im Juli als Mäuse, Hühnchen und Eisfeen verkleidet über die Bühne tanzen, dann sollen sie „vor allem Spaß haben und sich das kleine Herz aus der Seele tanzen“, sagt du Toit lächelnd. Und dann geht es auch schon weiter mit dem Training: Passé, Plié, Jeté. Wie damals, vor 26 Jahren.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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