Dippenaar deutlich zu schnell

Von Erwin Leuschner, Swakopmund

Den schweren Vorwurf des rücksichtslosen Fahrverhaltens erhob gestern der Kronzeuge und Autounfall-Rekonstruktionsexperte aus Südafrika, Johan Joubert, in dem aufsehenerregenden Verfahren gegen Jandré Dippenaar am Regionalgericht in Swakopmund. Joubert behauptete, kurz nach dem Horrorunfall vor Ort gewesen zu sein, da er im Auftrag der Versicherungsgesellschaft Hollard die Unfallursache feststellen und den Hergang rekonstruieren sollte.

Unter Eid gab Joubert ferner an, Tage lang die Unfallszene untersucht und etliche Faktoren in Kauf genommen zu haben. Er habe das Gewicht der Fahrzeuge, die Dimensionen, die Straßenverhältnisse, den Winkel der Straße und noch vieles mehr berechnet und sei zum Schluss gekommen, dass Dippenaar mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. „Meine Berechnungen ergaben, dass der FJ Cruiser mit einer Geschwindigkeit von 147,6 km/h auf der falschen Seite der Straße unterwegs war, derweil sich der Ford Ranger mit einer Geschwindigkeit von etwa 85 km/h fortbewegte“, sagte Joubert aus. Auf der Strecke sei nur eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erlaubt.

Derweil die Verteidigung unter Leitung von Advokat Louis Botes stets versucht zu beweisen, dass der Fahrer des Ford Rangers, Markus Joschko, den Unfall verursacht habe, sagte Joubert gestern genau das Gegenteil aus. Demnach habe Joschko „keine andere Wahl gehabt“, als nach rechts und somit in die Gegenfahrbahn auszuweichen, bei dem Versuch eine Kollision zu vermeiden. „Wäre er nach links und somit von der Straße ausgewichen, wären die Wagen 100-prozentig frontal zusammengestoßen“, erklärte Joubert und konstatierte: „Da bin ich mir völlig sicher.“

Ferner ergänzte Joubert, dass sich der Unfall - von Swakopmund aus kommend - 17 Meter nach einer Anhöhe ereignete. Da Dippenaar aus der besagten Richtung kam und mit einer errechneten Geschwindigkeit von 41 Meter pro Sekunde auf der „falschen Straßenseite“ diese Anhöhe hinaufgerast sei, habe dies dem Fahrer des Ford Rangers „weniger als eine Sekunde Reaktionszeit gelassen.“

Dippenaar muss sich wegen sechsfachen Mordes, das Fahren ohne gültigen Führerschein sowie Betruges verantworten. Er soll an jenem Tag zwischen Wlotzkasbaken und Henties Bay mit seinem FJ Cruiser ein Fahrzeug an einer Anhöhe überholt haben und daraufhin frontal mit einem ihm entgegenkommenden Ford Ranger kollidiert sein. In dem FJ Cruiser überlebte nur er als Fahrer. Die drei Insassen, Jan Carel „JC“ Horn (27), Dinah Lavinia Pretorius (30) und Charlene Charne Schoonbee (24) kamen dabei ums Leben und verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Eine vierköpfige deutsche Familie war in dem Ford Ranger als Besucher Namibias unterwegs. Markus Walter Helmut Joschko (48), seine Frau Stephanie Dorothea Schemick (49) und deren älteste Tochter Alexandra Marlene (19) verstarben an der Unfallstelle. Nur die jüngste, 16 Jahre alte Tochter, Antonia Joschko, überlebte und hat bei einem vorigen Gerichtstermin ausgesagt.

Der Fall wurde auf heute vertagt und soll mit dem Kreuzverhör des Zeugen Joubert fortgesetzt werden. Für die Staatsanwaltschaft treten Advokatin Ethel Ndlovu und Staatsanwältin Faith Tjipepera auf, während Dippenaar von Advokat Botes und Anwalt Petrie Theron verteidigt wird.