Die unsichtbare Flut - eine Reise durch den Caprivi

Manchmal weiß man vorher, dass man gerade einen Fehler macht, aber es nützt nichts - die Frage muß raus. "Frau Ndiyepa, kann es sein, dass diese ganze Flut genau wie die Dürre hier im Caprivi von der Regierung wahnsinnig aufgebauscht wird, damit es ordentlich Spendengelder aus dem Ausland gibt?" Jetzt ist es raus. Schnell Luft anhalten und unschuldig gucken.

Aber die Reaktion von Erica Ndiyepa fällt überhaupt nicht so aus wie befürchtet. Die stellvertretende Staatsekretärin am Ministerium für Landwirtschaft, Wasserbau und ländliche Entwicklung ist Mitglied des Emergency Management Unit (Emu) im Caprivi und viel zu erschöpft, um sich über diese Art Fragen aufzuregen.

Gerade kommt sie von einer Sitzung des Emu, jetzt ist sie bei einer Spendenübergabe der Unicef und ein wenig später muß auch noch der Besuch von Premierminister Theo-Ben Gurirab vorbereitet werden, der für den nächsten Tag, Sonnabend, den 24. April angesetzt ist. Sie seufzt. "Wissen sie, ich versteh Sie, ich versteh sogar diese Frage. Diese ganze Situation hier oben ist auf eine Weise grotesk, dass ich das selber manchmal nicht glauben kann", sagt sie. "Aber es stimmt alles, leider - links der Sraße verdorren die Maisfelder, die Menschen verlieren zum zweiten Mal in Folge ihre Ernten, haben das ganze Jahr umsonst gearbeitet. Und rechts der Straße stehen die Rinder bis zur Brust im Wasser, Kinder können ihr Schulgelände nicht verlassen und ganze Dörfer müssen evakuiert werden. Wir haben Tote. Und wir müssen furchtbar aufpassen, dass nach Rückgang des Wassers nicht Krankheiten um sich greifen, die den Leuten hier den Rest geben. Wenn das geschieht, wird es im nächsten Jahr wieder schlimm... reicht ihnen das als Antwort?"

Nein, eigentlich nicht, denn Zweifel bleiben. Diese Situation ist so anders als gewohnt. Hier gibt es keine Hubschrauber voller Fernsehkameras und Livereportern, die "hautnah" das Geschehen einfangen. Keine Tagesschausprecherin, die halbstündlich mit Tränen in den Augen über "das schreckliche Ausmaß der Katastrophe" berichtet und auch keine Nahaufnahmen von Opfern, deren Haus gerade im Hintergrund im Wasser einer reißenden Flut versinkt. Nichts dergleichen.

Stattdessen fallen zwischen den Kartons zentimeterdick mit Staub bedeckte Spinnenweben auf, die im Hilfslager von Katima Mulilo gestapelt sind. "Government Drought Aid Scheme" steht darauf. Und "Vegetable Oil - Not for Sale". Experten erzählen den Journalisten dort von einer furchtbaren zweiten Flutwelle, die am Ende jedoch ganze neun Zentimeter ausfällt. Und auf dem Weg nach Lusese, 75 Kilometer süd-südöstlich von Katima, wo sich die meisten der Evakuierten aufhalten sollen, sieht man tatsächlich kilometerweit verdorrte Maispflanzen. Nur sind die alle abgeerntet, denn Maiskolben sucht man an diesen Pflanzen vergeblich. Wochen vorher muß das passiert sein. Auch die Frage nach den angeblich nicht vorhandenen Transportmöglichkeiten der vom Wasser Eingeschlossenen kann niemand zufriedenstellend beantworten. Was ist aus dem Stolz der Caprivianer geworden, den Mukoros? Normalerweise verfügt jedes Dorf am Sambesi über mindestens eins dieser großen Einbäume, die zum Transport von ganzen Familien, Holz, ja sogar Vieh benutzt werden. Keiner weiß es, keiner kann das beantworten.

Der Konvoi nach Lusese hat inzwischen den Abzweiger nach Schuckmannburg erreicht und hier, auf einmal, sieht man das Wasser des Sambesi. Direkt an der Straße fließt er dahin, ein gewaltiger Anblick. Das soll der Sambesi sein? Ein Unicef-Mitarbeiter, der seit Monaten im Caprivi stationiert ist, zählt Dörfer auf, die entlang des Flusses regelrecht "abgesoffen" sind. Und zum ersten Mal ergibt sich ein BIld. Tatsächlich bekommt man eine Vorstellung davon, was dieser Fluß wohl angerichtet hat, der auf mehrfache Breite angeschwollen durch den Ostcaprivi gerauscht ist.

Dieser Eindruck wird von Anwohnern bestätigt, die sich in über zehn Jahren, in denen es kein Hochwasser gab, mit ihren Krälen immer weiter an das Flußufer herangepirscht haben, um dort zu siedeln. Sie haben zu dem Fluß Vertrauen gefaßt. Der gleiche Fehler wie in Deutschland. Das gleiche Schicksal, man muß es nur mit anderen Augen sehen.

Am Ende haben wir sie gefunden, die wirklichen Flutopfer, die

vor dem absoluten Nichts stehen, während ein paar hundert Meter weiter die verschont gebliebenen ihre Rente abholen, so wie sie es jeden Monat machen. Lusese liegt nur ein paar Meter höher als die "verschwundenen" Dörfer. Und zum ersten Mal wird einem bewußt was Erica Ndiyepa meinte, als sie die Situation als "grotesk" bezeichnet hat. Und dass neun Zentimeter verdammt viel sind, wenn man bis zum Hals im Wasser steht.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-20

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