Die liebenswerten Tankwarte von Südafrika
Jedes Mal wenn ich zum Tanken in meine Stamm-Tankstelle am unteren Ende von Sea Point biege, schallt mir dort der Bariton von Sapho Mangwana und ein enthusiastisches „Welcome my Man from Germany“ entgegen. Fast jeder, der gerade tankt, schaut dann neugierig hinüber, um zu sehen, welch wichtige Person da eben vorgefahren ist. Saphos Willkommensgruß gehört jedenfalls längst zum festen Ritual eines Tankstellenbesuches - und hebt jedes Mal die Laune.
Beim Blick auf den munteren Austausch zwischen Tankwart und Autofahrer bedauere ich jedes Mal aufs Neue, dass Deutschland, wie so viele andere Länder auch, im permanenten Streben nach mehr Effizienz seine Tankwarte schon vor langer Zeit weitgehend abgeschafft hat.
Ihre Zahl ist seit Einführung der Selbstbedienungs-Zapfsäulen in den 1970er-Jahren jedenfalls stark rückläufig, meldet der Zentralverband des deutschen Tankstellengewerbes (ZTG), zumal der Beruf ein mieses Image habe und schlecht bezahlt sei. In Südafrika gibt es landesweit noch immer etwa 75000.
Gemeinschaftsgefühl:
Und gerade die kleinen, spontanen Begegnungen mit Menschen wie Sapho sind es, etwa bei einem Gespräch über seinen Lieblingsverein Orlando Pirates, die eine Gesellschaft auf ihre ganz eigene Art und Weise zusammenhalten und eine Art Gemeinschaftsgefühl vermitteln.
Umso ernüchternder stimmt, dass selbst in Südafrika, wo jeder Job dringend gebraucht wird, der Beruf des Tankwarts inzwischen an Attraktivität verliert. In einer Studie der Fuel Retailers Association heißt es, dass der Tankwart am Kap heutzutage im Schnitt 27 Jahre alt sei und nur noch rund fünf Jahre in seinem Job bleibe.
Sapho scheint demnach eine Ausnahme zu sein: Er ist bereits 34 Jahre alt und arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Tankwart. Trotz seines langen, fast neunzigminütigen Anfahrtswegs aus dem Township Khayelitsha vor den Toren Kapstadts und Zwölf-Stunden-Schichten verdient er immerhin genug, um seine neunjährige Tochter zu unterstützen. Sie lebt seit Jahren bei seiner Mutter in der weit entfernten Provinz Ostkap, aus der auch der berühmte Widerstandskämpfer Nelson Mandela stammt.
Die halbwegs vernünftige Bezahlung liegt vor allem daran, dass Tankwärter nicht nur Benzin einfüllen, sondern auch die Fenster putzen, den Ölstand kontrollieren sowie den Luftdruck auf den Rädern prüfen. Zum Glück honorieren die meisten Südafrikaner diesen Service großzügig, denn das Grundgehalt eines Tankwärters liegt mit nur rund 6000 Rand im Monat nicht allzu weit über dem staatlich festgelegten Mindestlohn.
Auch am Kap wird deshalb immer wieder debattiert, den Beruf vielleicht doch lieber abzuschaffen - und durch die Selbstbedienung zu ersetzen. Dabei wird jedoch völlig übersehen, dass dies für die oft schlecht ausgebildeten Tankwärter angesichts der bereits jetzt extrem hohen Arbeitslosigkeit am Kap ein Desaster wäre, schon weil viele keine Alternativen haben.
Hohe Arbeitslosigkeit:
Bereits jetzt finden von den rund 26 Millionen wirtschaftlich aktiven Südafrikanern fast zehn Millionen keine Arbeit oder haben die Suche danach entnervt aufgegeben - fast genau zwei von fünf Erwachsenen! In den neun Jahren unter Staatschef Jacob Zuma (2009 - 2018) hat sich die Lage am Arbeitsmarkt noch einmal drastisch verschärft: In Zumas Amtszeit sind seit 2009 jeden Tag 900 Arbeitslose neu dazugekommen - rund 3,5 Millionen insgesamt.
Mit katastrophalen Folgen, wie Ann Bernstein, Direktorin des Centres for Development and Enterprise erklärt: Für die bekannte Sozialwissenschaftlerin ist Südafrikas hohe Arbeitslosigkeit das bei weitem größte und dringlichste Problem, das die Regierung um den neuen Staatschef Cyril Ramaphosa nach dem bereits sicheren Wahlsieg in der Wahl am gestrigen Mittwoch lösen muss.
Mehr als 70 Prozent aller Südafrikaner teilen diese Ansicht, auch wenn die Regierung selbst immer wieder auf die angeblich viel wichtigere Bedeutung der Landfrage verweist. Dabei sehen in ihr nur ein verschwindend kleiner Teil der Südafrikaner ein echtes Problem.
Mehr Billigjobs:
Ann Bernsteins Lösung ist so klar wie einfach: Südafrika müsse endlich Jobs für die Millionen ungelernter Arbeiter wie Sapho schaffen - und nicht für die Facharbeiter, die das Land zwar vorgibt zu haben, die es aber kaum gibt. Sollte es nach der Wahl nicht zu einem völligen Neuanfang am Kap und im völlig überregulierten Arbeitsmarkt kommen, werde eine neue Generation in einer Welt von Massenarmut und Hoffnungslosigkeit aufwachsen, befürchtet Bernstein.
Ob dies nach fast zehn Jahren verheerender Politik tatsächlich passiert, wird vielerorts bezweifelt. Selbst Sapho ist eher skeptisch: Nach all den Enttäuschungen in den 25 Jahren seit dem Ende der Apartheid glaubt er nicht mehr wirklich an eine Wende zum Besseren. Für ihn ist kurzfristig ohnehin etwas anderes viel wichtiger: Dass die Orlando Pirates, die Piraten aus dem Johannesburger Vorort Orlando, nach einer Durststrecke von sechs Jahren am Wochenende endlich wieder südafrikanischer Fußballmeister werden.
Wolfgang Drechsler
Beim Blick auf den munteren Austausch zwischen Tankwart und Autofahrer bedauere ich jedes Mal aufs Neue, dass Deutschland, wie so viele andere Länder auch, im permanenten Streben nach mehr Effizienz seine Tankwarte schon vor langer Zeit weitgehend abgeschafft hat.
Ihre Zahl ist seit Einführung der Selbstbedienungs-Zapfsäulen in den 1970er-Jahren jedenfalls stark rückläufig, meldet der Zentralverband des deutschen Tankstellengewerbes (ZTG), zumal der Beruf ein mieses Image habe und schlecht bezahlt sei. In Südafrika gibt es landesweit noch immer etwa 75000.
Gemeinschaftsgefühl:
Und gerade die kleinen, spontanen Begegnungen mit Menschen wie Sapho sind es, etwa bei einem Gespräch über seinen Lieblingsverein Orlando Pirates, die eine Gesellschaft auf ihre ganz eigene Art und Weise zusammenhalten und eine Art Gemeinschaftsgefühl vermitteln.
Umso ernüchternder stimmt, dass selbst in Südafrika, wo jeder Job dringend gebraucht wird, der Beruf des Tankwarts inzwischen an Attraktivität verliert. In einer Studie der Fuel Retailers Association heißt es, dass der Tankwart am Kap heutzutage im Schnitt 27 Jahre alt sei und nur noch rund fünf Jahre in seinem Job bleibe.
Sapho scheint demnach eine Ausnahme zu sein: Er ist bereits 34 Jahre alt und arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Tankwart. Trotz seines langen, fast neunzigminütigen Anfahrtswegs aus dem Township Khayelitsha vor den Toren Kapstadts und Zwölf-Stunden-Schichten verdient er immerhin genug, um seine neunjährige Tochter zu unterstützen. Sie lebt seit Jahren bei seiner Mutter in der weit entfernten Provinz Ostkap, aus der auch der berühmte Widerstandskämpfer Nelson Mandela stammt.
Die halbwegs vernünftige Bezahlung liegt vor allem daran, dass Tankwärter nicht nur Benzin einfüllen, sondern auch die Fenster putzen, den Ölstand kontrollieren sowie den Luftdruck auf den Rädern prüfen. Zum Glück honorieren die meisten Südafrikaner diesen Service großzügig, denn das Grundgehalt eines Tankwärters liegt mit nur rund 6000 Rand im Monat nicht allzu weit über dem staatlich festgelegten Mindestlohn.
Auch am Kap wird deshalb immer wieder debattiert, den Beruf vielleicht doch lieber abzuschaffen - und durch die Selbstbedienung zu ersetzen. Dabei wird jedoch völlig übersehen, dass dies für die oft schlecht ausgebildeten Tankwärter angesichts der bereits jetzt extrem hohen Arbeitslosigkeit am Kap ein Desaster wäre, schon weil viele keine Alternativen haben.
Hohe Arbeitslosigkeit:
Bereits jetzt finden von den rund 26 Millionen wirtschaftlich aktiven Südafrikanern fast zehn Millionen keine Arbeit oder haben die Suche danach entnervt aufgegeben - fast genau zwei von fünf Erwachsenen! In den neun Jahren unter Staatschef Jacob Zuma (2009 - 2018) hat sich die Lage am Arbeitsmarkt noch einmal drastisch verschärft: In Zumas Amtszeit sind seit 2009 jeden Tag 900 Arbeitslose neu dazugekommen - rund 3,5 Millionen insgesamt.
Mit katastrophalen Folgen, wie Ann Bernstein, Direktorin des Centres for Development and Enterprise erklärt: Für die bekannte Sozialwissenschaftlerin ist Südafrikas hohe Arbeitslosigkeit das bei weitem größte und dringlichste Problem, das die Regierung um den neuen Staatschef Cyril Ramaphosa nach dem bereits sicheren Wahlsieg in der Wahl am gestrigen Mittwoch lösen muss.
Mehr als 70 Prozent aller Südafrikaner teilen diese Ansicht, auch wenn die Regierung selbst immer wieder auf die angeblich viel wichtigere Bedeutung der Landfrage verweist. Dabei sehen in ihr nur ein verschwindend kleiner Teil der Südafrikaner ein echtes Problem.
Mehr Billigjobs:
Ann Bernsteins Lösung ist so klar wie einfach: Südafrika müsse endlich Jobs für die Millionen ungelernter Arbeiter wie Sapho schaffen - und nicht für die Facharbeiter, die das Land zwar vorgibt zu haben, die es aber kaum gibt. Sollte es nach der Wahl nicht zu einem völligen Neuanfang am Kap und im völlig überregulierten Arbeitsmarkt kommen, werde eine neue Generation in einer Welt von Massenarmut und Hoffnungslosigkeit aufwachsen, befürchtet Bernstein.
Ob dies nach fast zehn Jahren verheerender Politik tatsächlich passiert, wird vielerorts bezweifelt. Selbst Sapho ist eher skeptisch: Nach all den Enttäuschungen in den 25 Jahren seit dem Ende der Apartheid glaubt er nicht mehr wirklich an eine Wende zum Besseren. Für ihn ist kurzfristig ohnehin etwas anderes viel wichtiger: Dass die Orlando Pirates, die Piraten aus dem Johannesburger Vorort Orlando, nach einer Durststrecke von sechs Jahren am Wochenende endlich wieder südafrikanischer Fußballmeister werden.
Wolfgang Drechsler
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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