Der weiße Buschmann
Vom Wilderer zum Wildhüter
19. Folge
Spurenlesen – Teil 2/2
Aber wieder zurück zu Willie als Mensch. Willie war ein ganz außerordentlicher Charakter. Er hatte einen besonderen Sinn für Humor und seine pfiffigen Antworten waren oft Anlass zu schallendem Gelächter. Da er verhältnismäßig gut Deutsch sprach, lehrte ich ihn typisch deutsche Jagdgebräuche, wie z.B. das Überreichen des schweißgetränkten Bruches an den Jäger, Hut ziehen, Waidmannsheil wünschen, usw. Die meisten deutschen Jäger waren sehr erstaunt: „Im tiefsten afrikanischen Busch wünscht ein alter, runzeliger Buschmann einem in gutem Deutsch Waidmannsheil und überreicht zünftig den Bruch an den Jäger!“ hieß es oft. Damit gewann Willie viel Sympathie und oft ebnete er sich damit den Weg für ein anständiges Abschiedsgeschenk.
Sehr bewundernswert war Willies Ausdauer; auch ich konnte damals besonders gut und ausdauernd laufen. Manchmal begleiteten uns noch andere jüngere Buschleute auf Jagd. Es kam oft vor, dass wir den ganzen Tag über liefen, in der Hitze, durch tiefen, heißen Sand, durch fortwährendes Dornengestrüpp. Das alles erforderte Ausdauer. Sehr oft, wenn wir uns eine kurze Rastpause unter einem Baum in der Mittagshitze gönnten, schauten die Buschleute auf meine dreckigen, blutenden Füße und einer sagte entrüstet auf Buschmann: „Ach, diese Riesenquanten müssen jetzt mal alleine weiter laufen; wir sind müde, wir kommen später zum Lager.“ Und so geschah es dann auch. Willie und ich gingen alleine weiter und meist waren wir am Lager und tranken Kaffee und der Fleischtopf brodelte, bevor die Nachzügler eintrudelten. Ich selbst lief früher meist barfuß oder in leichten Tennisschuhen, die vorne aufgeschnitten waren, um bessere Luftzufuhr zu gewähren. Durch das viele Barfußlaufen hatte ich eine geplatzte Hornhaut, Spreizfuß und die Zehen standen in alle Richtungen. Ich hasste Schuhe. Meine Spuren glichen eher kleinen Elefanten- als Menschen-spuren. (Später, beim Militär, war das mein größter Kampf und die „army boots“ haben mich viel Selbstüberwindung gekostet.)
Ich hatte bereits von Willies Ausdauer berichtet. Er konnte ungeheure Fleischmengen über lange Entfernungen tragen. Die meisten Buschleute, die noch im Busch geboren und aufgewachsen waren, hatten diese Fähigkeit. Darin waren sie den Weißen und auch den andersstämmigen Schwarzen weitaus überlegen. Buschleute sind ja alle klein und zierlich, aber die Fleischmengen, die sie tragen konnten, haben mich immer wieder erstaunt. Wenn sie ein Tier getötet haben, wird das natürlich aus der Decke geschlagen und dann auf ihre Art in günstig zu tragende Stücke zerlegt. Wenn sie auf Jagd gehen, nehmen sie oft die flachen Palmenstengel der Makalanipalme mit. Diese flachen Stengel eignen sich besonders gut zum Fleischtragen. Alles muss ja selbst getragen werden, da sie weder Auto, Karren noch Packtiere besitzen. Oft erlegen sie weit entfernt von ihrem Lager so ein Tier und die erste Ladung Fleisch trägt der Jäger selbst zum Lager, wo Greise, Frauen und Kinder warten. Anschließend geht die ganze Sippe wieder mit dem Jäger zurück und der Rest der Beute wird geholt. Nichts, aber auch nichts, wird weggeworfen oder liegengelassen. Wenn es ein besonders großes Tier war, wie z.B. ein schwerer Elandbulle, nehmen sie vom Lager aus Wasser mit, gehen zur Beute und schneiden das Tier erst restlos in Streifen und hängen das Fleisch zum Trocknen an Bäumen auf. Sie übernachten oft mehrere Nächte bei dem Fleisch. Wenn das Fleisch trocken genug ist, werden die Streifen in ziemlich großen Bündeln mit Baumbast zusammengebunden und die Bündel werden danach mit dem Tragestock nach Hause getragen. Auch das geschieht auf eine bestimmte Art: Jeder sucht sich bei einem Baum einen starken Ast aus, der seitwärts herausragt und sich in Schulterhöhe befindet. An der Stelle, wo der Ast aus dem Baum herauswächst, wird der Tragestock in der Mitte eingedrückt. Dann wird der Tragestock an beiden Seiten zugleich mit Fleisch belanden, soviel, wie der jeweilige Träger tragen kann. Die Männer tragen auf den Schultern, während Frauen und Kinder die Last auf dem Kopf tragen. Jeder hilft, je nach Alter und Geschlecht. Wenn der Tragestock nun schwer genug beladen ist, drückt der Träger seine Schulter in die freigelassene Mitte unter dem Stock und hebt die Last von der Astgabel. Auf die andere (freie) Schulter, drückt der Träger nun noch einen Stock, den er hinter sich unter die Traglast schiebt. Jetzt hat er auf beiden Schultern Tragestöcke; der eine beladen, der andere frei. Mit dem freien Stock kann er immer wieder den Laststock etwas hochheben und somit die beladene Schulter entlasten. Das Gewicht verteilt sich dann ziemlich gleich auf beiden Schultern. Auf diese Art tragen die Buschleute große Lasten besonders weit. Werden sie müde, oder schmerzen die Schultern zu sehr, suchen die Träger eine Raststelle. Sie suchen wieder Bäume, an deren Querästen sie die Laststöcke anhängen können, denn die Lasten sind zu schwer, als dass sie vom Boden aufgehoben werden können. Dann wird im Schatten ein Pfeifchen, das reihum geht, geraucht. Danach geht es weiter. An den Schulterenden der Jäger bilden sich vom vielen Tragen hornartige Wülste. (Überbeine, würde man bei Pferden sagen). Schon an den Wülsten allein kann man erkennen, wer ein tüchtiger, erfahrener Jäger ist. Eine andere gute Eigenschaft von Willie war seine Kameradschaft, wie sie nur Buschleuten zu eigen ist.
Ich erwähnte schon, dass er während der Fährtensuche immer mal wieder die Spur kurzzeitig verließ, um ein Stück Feldkost in seiner selbstgemachten Ledertasche zu verstauen. Wenn ich mich auch so manches Mal ärgerte, so war ich doch immer froh wenn’s später ans Verteilen ging. Willie teilte brüderlich jedes bisschen Feldkost. Selbst eine kleine Feldkartoffel wurde in zwei gleiche Hälften geschnitten.
Spurenlesen – Teil 2/2
Aber wieder zurück zu Willie als Mensch. Willie war ein ganz außerordentlicher Charakter. Er hatte einen besonderen Sinn für Humor und seine pfiffigen Antworten waren oft Anlass zu schallendem Gelächter. Da er verhältnismäßig gut Deutsch sprach, lehrte ich ihn typisch deutsche Jagdgebräuche, wie z.B. das Überreichen des schweißgetränkten Bruches an den Jäger, Hut ziehen, Waidmannsheil wünschen, usw. Die meisten deutschen Jäger waren sehr erstaunt: „Im tiefsten afrikanischen Busch wünscht ein alter, runzeliger Buschmann einem in gutem Deutsch Waidmannsheil und überreicht zünftig den Bruch an den Jäger!“ hieß es oft. Damit gewann Willie viel Sympathie und oft ebnete er sich damit den Weg für ein anständiges Abschiedsgeschenk.
Sehr bewundernswert war Willies Ausdauer; auch ich konnte damals besonders gut und ausdauernd laufen. Manchmal begleiteten uns noch andere jüngere Buschleute auf Jagd. Es kam oft vor, dass wir den ganzen Tag über liefen, in der Hitze, durch tiefen, heißen Sand, durch fortwährendes Dornengestrüpp. Das alles erforderte Ausdauer. Sehr oft, wenn wir uns eine kurze Rastpause unter einem Baum in der Mittagshitze gönnten, schauten die Buschleute auf meine dreckigen, blutenden Füße und einer sagte entrüstet auf Buschmann: „Ach, diese Riesenquanten müssen jetzt mal alleine weiter laufen; wir sind müde, wir kommen später zum Lager.“ Und so geschah es dann auch. Willie und ich gingen alleine weiter und meist waren wir am Lager und tranken Kaffee und der Fleischtopf brodelte, bevor die Nachzügler eintrudelten. Ich selbst lief früher meist barfuß oder in leichten Tennisschuhen, die vorne aufgeschnitten waren, um bessere Luftzufuhr zu gewähren. Durch das viele Barfußlaufen hatte ich eine geplatzte Hornhaut, Spreizfuß und die Zehen standen in alle Richtungen. Ich hasste Schuhe. Meine Spuren glichen eher kleinen Elefanten- als Menschen-spuren. (Später, beim Militär, war das mein größter Kampf und die „army boots“ haben mich viel Selbstüberwindung gekostet.)
Ich hatte bereits von Willies Ausdauer berichtet. Er konnte ungeheure Fleischmengen über lange Entfernungen tragen. Die meisten Buschleute, die noch im Busch geboren und aufgewachsen waren, hatten diese Fähigkeit. Darin waren sie den Weißen und auch den andersstämmigen Schwarzen weitaus überlegen. Buschleute sind ja alle klein und zierlich, aber die Fleischmengen, die sie tragen konnten, haben mich immer wieder erstaunt. Wenn sie ein Tier getötet haben, wird das natürlich aus der Decke geschlagen und dann auf ihre Art in günstig zu tragende Stücke zerlegt. Wenn sie auf Jagd gehen, nehmen sie oft die flachen Palmenstengel der Makalanipalme mit. Diese flachen Stengel eignen sich besonders gut zum Fleischtragen. Alles muss ja selbst getragen werden, da sie weder Auto, Karren noch Packtiere besitzen. Oft erlegen sie weit entfernt von ihrem Lager so ein Tier und die erste Ladung Fleisch trägt der Jäger selbst zum Lager, wo Greise, Frauen und Kinder warten. Anschließend geht die ganze Sippe wieder mit dem Jäger zurück und der Rest der Beute wird geholt. Nichts, aber auch nichts, wird weggeworfen oder liegengelassen. Wenn es ein besonders großes Tier war, wie z.B. ein schwerer Elandbulle, nehmen sie vom Lager aus Wasser mit, gehen zur Beute und schneiden das Tier erst restlos in Streifen und hängen das Fleisch zum Trocknen an Bäumen auf. Sie übernachten oft mehrere Nächte bei dem Fleisch. Wenn das Fleisch trocken genug ist, werden die Streifen in ziemlich großen Bündeln mit Baumbast zusammengebunden und die Bündel werden danach mit dem Tragestock nach Hause getragen. Auch das geschieht auf eine bestimmte Art: Jeder sucht sich bei einem Baum einen starken Ast aus, der seitwärts herausragt und sich in Schulterhöhe befindet. An der Stelle, wo der Ast aus dem Baum herauswächst, wird der Tragestock in der Mitte eingedrückt. Dann wird der Tragestock an beiden Seiten zugleich mit Fleisch belanden, soviel, wie der jeweilige Träger tragen kann. Die Männer tragen auf den Schultern, während Frauen und Kinder die Last auf dem Kopf tragen. Jeder hilft, je nach Alter und Geschlecht. Wenn der Tragestock nun schwer genug beladen ist, drückt der Träger seine Schulter in die freigelassene Mitte unter dem Stock und hebt die Last von der Astgabel. Auf die andere (freie) Schulter, drückt der Träger nun noch einen Stock, den er hinter sich unter die Traglast schiebt. Jetzt hat er auf beiden Schultern Tragestöcke; der eine beladen, der andere frei. Mit dem freien Stock kann er immer wieder den Laststock etwas hochheben und somit die beladene Schulter entlasten. Das Gewicht verteilt sich dann ziemlich gleich auf beiden Schultern. Auf diese Art tragen die Buschleute große Lasten besonders weit. Werden sie müde, oder schmerzen die Schultern zu sehr, suchen die Träger eine Raststelle. Sie suchen wieder Bäume, an deren Querästen sie die Laststöcke anhängen können, denn die Lasten sind zu schwer, als dass sie vom Boden aufgehoben werden können. Dann wird im Schatten ein Pfeifchen, das reihum geht, geraucht. Danach geht es weiter. An den Schulterenden der Jäger bilden sich vom vielen Tragen hornartige Wülste. (Überbeine, würde man bei Pferden sagen). Schon an den Wülsten allein kann man erkennen, wer ein tüchtiger, erfahrener Jäger ist. Eine andere gute Eigenschaft von Willie war seine Kameradschaft, wie sie nur Buschleuten zu eigen ist.
Ich erwähnte schon, dass er während der Fährtensuche immer mal wieder die Spur kurzzeitig verließ, um ein Stück Feldkost in seiner selbstgemachten Ledertasche zu verstauen. Wenn ich mich auch so manches Mal ärgerte, so war ich doch immer froh wenn’s später ans Verteilen ging. Willie teilte brüderlich jedes bisschen Feldkost. Selbst eine kleine Feldkartoffel wurde in zwei gleiche Hälften geschnitten.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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