Der Platz an der Sonne ist besetzt

Beeinträchtigte Menschen bei COP26 ignoriert
WAZon-Redakteur
Von Kevin Santy

WINDHOEK

Der Präsident von Tuvalu steht bis zu den Knien im Wasser und tausende Jugendliche marschieren mit Polizeieskorte durch Glasgow und Amsterdam. Sie wollen auf Klimaschutz aufmerksam machen. Skandiert wird dabei laut „Klimagerechtigkeit ist soziale Gerechtigkeit“. Das soll bedeuten, dass Menschen die sozial benachteilitg sind, die Hauptleidtragenden der Klimakrise sind. So sind beispielsweise Menschen mit Behinderungen stärker von extremen Temperaturschwankungen betroffen und bei Naturkatastrophen gefährdeter. Es ist also eine Verantwortung der Akteurinnen und Akteure in der Weltklimapolitik, diese sozialen Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Nur wie soll das funktionieren, wenn benachteiligte Menschen von den Dikussionen ausgeschlossen werden?

Karine Elharrar, israelische Energie- und Wasserversorgungsministerin, konnte nicht bei COP26 teilnehmen. Man könne ihr keinen Zugang zum Gebäude verschaffen, hieß es. Elharrar sitzt nämlich im Rollstuhl. Lange Treppen und enge Türen stellen Hindernisse dar, die durch aufmerksamere Planung vermieden oder umgangen werden könnten. Aber der Weltklimagipfel hat Menschen mit Behinderung schlicht und ergreifend vergessen. Eine Lösung wurde nicht gefunden, die Versammlung musste ohne sie stattfinden. Frustrierend, aber bedrückend gewöhnlich. Barrieren verschiedenster Art verhindern, dass Menschen aus unterrepräsentierten Gruppen an der Mitgestaltung einer fairen Welt für alle wirken können. Gerade Menschen mit Behinderung, ob körperlich oder geistig, stehen meist ganz hinten auf der Prioritätenliste der Finanz- und Wirschaftsminister.

Dabei ist Namibia in vielen Aspekten eines der fortschrittlichsten Länder in Afrika. Aktuelle Digitalisierungsprojekte der Zentralbank haben sich zum Ziel genommen ein inklusiveres Finanzsystem für die ländliche Bevölkerung zu entwickeln. In Sachen Arbeitsrecht und staatlichem Versicherungsschutz können Namibierinnen und Namibier den USA noch eine ganze Menge beibringen. Aber 5% aller Einwohner, in absoluten Zahlen etwa 100 000 Menschen, leben im Land der Mutigen mit einer Behinderung. Auf dem Papier genießt auch diese Gruppe staatlichen Schutz und aktuell arbeitet der nationale Rat für Behinderung an einer Normung für barrierefreie öffentliche Gebäude. In der Pflege herrscht allerdings Skepsis ob die versprochenen Veränderungen wirklich umgesetzt werden.

Wo gute Intentionen aufkamen, wurde schon zu häufig nicht zu Ende gedacht, sagte Petra Dillmann, Rektorin der Sonderschule Dagbreek der AZ. Einzeln und isoliert wurden in der Innenstadt von Windhoek schon behindertengerechte Projekte eingerichtet, Zwischenwege blieben jedoch unzugänglich. Dillmann erinnert sich an die Ankündigung von barrierefreien Bussen, die selbst gut umgesetzt wurden, während die Haltestellen unzugänglich blieben. Sie hat kein Vertrauen darin, dass der neue Gebäudestandard wirklich flächendeckend umgesetzt wird. Es mangele in Namibia vor allem an drei Dingen: Bewusstsein, an Fachkräften und Geld.

Anita Kreft, Direktorin der Moreson Sonderschule, gibt den geistig behinderten Kindern unter ihrer Betreuung immer wieder aus eigener Tasche etwas zu essen, da die staatlichen Förderungen vorne und hinten nicht ausreichen. Um den Menschen eine barrierefreie Teilnahme zu ermöglichen, bedürfen sie einer sensiblen Sonderpädagogik. Doch am sandigen Weg zum Eingang des Schulgeländes stehen zerfallene Hütten, die von den andauernden Bredouillen zeugen, dass ständig Prioritäten gesetzt werden müssen. Wo gibt man das mühsam erarbeitete Geld aus? Es gibt immer Arbeit, sagt Kreft. Das neueste Projekt war der Bau eines Spielplatzes. 50 000 N$ hat es gekostet, alles spendenfinanziert. Die Kinder scheinen glücklich über ihre zusammengeflickte Ausstattung. Sie haben einen Platz bekommen. 30 Kinder können in der Moreson Schule zusammen lernen und lachen, aber die Nachfrage ist bedeutend höher. Der Mangel an Sonderpädagogen und Platz bindet Anita Kreft die Hände, mehr geht nicht.

Unter ihrem Schreibtisch liegt ein alter Ordner, gefüllt mit Listen, auf denen Namen stehen. Fast 300 Kinder sind es, die keinen Zugang zu angepassten Bildungsprogrammen haben. Die Warteliste sammelt nicht etwa seit zwei oder drei Jahren diese Namen, sondern seit 2009.

Mehr Sonderschulen zu bauen scheint ein plausibler Lösungsansatz zu sein, aber abgesehen von dem weiter bestehenden Fachkräftemangel spricht dem noch ein einschneidender Aspekt entegegen. Was dann? Wo gehen die Kinder hin, wenn sie erwachsen werden? Namibia hat eine Arbeitslosenquote von knapp 50% unter Jugendlichen, und eine harte wirtschaftliche Realität erreicht die Betroffenen. Wenn es um Geld geht, werden sie noch wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Müssen Arbeitsplätze gefüllt werden, hat der gesunde Mensch Vorrang. Frau Kreft richtete in Moreson einen Garten ein, wo ihre Schülerinnen und Schüler ein Handwerk lernen können, doch dies ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Für Abschlüsse an Sonderschulen gibt es momentan keine genormten Zeugnisse und Entlohnung für die Arbeit beeinträchtigter Meschen ist in der freien Wirtschaft nicht existenzerhaltend.

Dabei geht es nicht darum sich um beeinträchtige Meschen zu kümmern. Es geht darum Barrieren abzubauen. Petra Dillmann erinnert sich noch genau an einen Schüler mit Muskeldystrophie, dessen Traum es war, zur ISS zu fliegen. Ärzte waren sich seines frühen Todes sicher, nicht älter als fünf würde er werden. Nun ist er UN-Botschafter, und strebt noch immer nach dem Weltraumflug. Der Unterricht musste an seine Bedürfnisse angepasst werden, manche Sachen brauchten Zeit, doch mit der richtigen Förderung können behinderte Menschen enorme Leistungen erbringen. Wird ihre Mitsprache in weltpolitischen Themen gesichert, wird eine aktive Gestaltung der Zukunft der gesamten Gesellschaft gesichert.

Das Bewusstsein dafür ist allerdings noch nicht gegeben. In ländlicheren Gebieten kommt es immer noch dazu, dass Behinderungen als Hexerei oder als Fluch gesehen werden. Aber auch in der Stadt wird stigmatisiert. Ein bisschen Fortschritt gibt es, räumt Frau Kreft ein, das Bewusstsein steigt nach und nach, und damit fängt es an. Doch durch den Fachkräftemangel und dem fehlenden Zugang zum Arbeitsmarkt wird der Weg in eine faire Zukunft noch lange von Barrieren geprägt sein. Anita Kreft wird diesen Wandel nicht mehr sehen, in zwei Jahren geht sie in Rente. Für die Kinder war sie eine wichtige Bezugsperson. Was deren Zukunft bringt, bleibt ungewiss.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-25

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