Der Gute Mensch von Gochas
Auf dem leergefegten Sand-Platz vor dem kleinen Dorf-Supermarkt lungern
Jugendliche in zerrissenen Klamotten und 0,5 Liter-Bierflaschen in der brennenden Mittagsonne herum. Ein paar Meter weiter sitzen Männer auf der Ladefläche ihres Pickups diskutieren aufgeregt gegen das aufgedrehte Autoradio an. Leere Straßenzüge, scheinbar verlassene Bottle-Stores, eine marode Tankstelle mit einer einzigen Zapfsäule - Niemandsland. Weiter raus Blechhütten, vollgemüllte Klärgruben, Plastikflaschen, ein einzelnes weggeworfenes Eselsbein, Autowracks, freilaufende Hühner, schreiende Kinder - in Gochas klafft die Armut und Verzweiflung wie eine offene Wunde aus der roten Lehmerde. Die einstige Schule, wo während der Apartheid weiße Kinder lernten, wurde geplündert, Armaturen aus der Wand gerissen. Auf der Wasseroberfläche des stillgelegten Schwimmbads wabert eine dicke grüne Schicht Algen. "Ist das die Kulisse für einen Horrorfilm hier", fragt der Fahrer, als er langsam über die Schotterpiste zum Dorfplatz vorfährt. Ruprecht von Francois (60) ignoriert den Kommentar. Der langjährige Unternehmer und Tischlermeister hat große Pläne in Gochas, der kleine Ortschaft rund 100 km östlich von Gibeon und 50 km östlich von Witbooisvlei entfernt.
Pläne, die Gochas Einwohner, von denen 70 Prozent arbeitslos sind, innerhalb weniger Jahre zu erfolgreichen Kleinunternehmern und Angestellten machen könnten. Pläne, die der Beweis dafür sind, dass einfache Ideen oft die besten sind. Seine kam Ruprecht van Francois an einem gewöhnlichen Samstag im Supermarkt als der Schreiner - gerade zurück aus Deutschland - an der Palette mit den Holzbriketts vorbeischlenderte. Briketts, die aus den USA nach Namibia importiert werden. Von Francois war völlig perplex. "Es war mir unbegreiflich, dass ein Gut wie Holz nach Namibia importiert wird, von dem wir hier genug und sogar zu viel haben. Zwischen Waschmittel, Einkaufswagen und Brikett-Palette war die Idee zu seinem "Gochas Corridor Project" und den "Gochas Corridor Enterprises" geboren. Am selben Tag erzählte er einer Bekannten von seiner Idee. Sie empfahl ihm Gochas, die Heimat der Prosopis-Bäume. "Tatsächlich, erklärt der Unternehmer, "wuchert das Unterholz des heimischen Baums an den Ufern des Auob-Flusses um Gochas seit Jahrzehnten derartig unkontrolliert, dass das Flussbett sich in dieser ohnehin ariden Gegend nicht ausweiten kann." Das tiefe und wuchtige Wurzelwerk des Prosopis-Baum entziehe dem Boden sogar noch zusätzlich Wasser.Dennoch gilt der Baum und sein dichtes Unterholz seit je her als nützlicher Parasit, der auch in trockenen Zeiten der Hitze standhält und sich leicht zu Möbel verarbeiten lässt. Und das plant Ruprecht von Francois. Zum ersten Mal in der Geschichte von Gochas im ganz großen Stil. Eine Holz-Werkstatt, in der er Türen, Donkey-Karren und Schreibpulte herstellen will. Eine laufenden Werkstatt in der Windhoeker Kruppstraße, die er demontieren und in Gochas mitsamt der schweren Maschinen und Sägen wieder aufstellen will, hat er bereits im Visier. Derzeit verhandle er mit dem Eigentümer, der in Ruhestand gehen will. Von Francois hat alles durchgeplant. "Anfangs werden wir hauptsächlich Holzbriketts und Holzkohle als Nebenprodukt herstellen, um das Geschäft anlaufen zu lassen und erste Umsätze zu machen." Holzbriketts aus kleinen Zweigen und Unterholz, die als Abfallprodukt ohnehin nicht verwertbar wäre. Ab August soll der Betrieb in der Schreinerei in Gochas dann angelaufen sein, die fertigen Produkte nach Windhoek und Umgebung verkauft werden.Der Vorteil: Die Endproduktion findet vor Ort in Gochas statt, die Arbeiter und die Gemeinde werden so direkt am Gesamtgewinn beteiligt. 51 Prozent der "Gochas Corridor Enterprises" will von Francois als Mehrheitseigner behalten, 19 Prozent gehören einem privaten Investor, 30 Prozent soll der "Gochas Village Council" nach eigenem Ermessen in die Ortschaft rückinvestieren. Und dieser ist außer sich vor Begeisterung. Schon von weitem winken die neun Mitglieder Ruprecht von Francois, als sein Wagen auf dem Dorfplatz vorfährt. "Es ist das erste Mal, dass jemand nach Gochas kommt und sich dafür interessiert, Dinge voranzutreiben und mit einer exzellenten Idee ein Geschäft aufzuziehen", sagt Grace Diesgaadt, die Mitglied des "Village Council" ist. Die 35-jährige Angestellte ist hier geboren, sieht dem Verfall ihrer Heimat seit Jahrzehnten hilflos zu. "Die Menschen hier brauchen Jobs, die Kinder eine gute Ausbildung." Mit dem Ende der Apartheid seien Mitte der Achtziger Hunderte von Anwohner weggezogen. Seitdem blute Gochas systematisch aus, erzählt Diegaadt, staatliche Investitionen blieben aus, die Infrastruktur wird kaum erneuert. "Wir setzen alle Hoffnungen auf das Projekt", sagt Pesella Nunda, der die Sitzungen im Gemeindehaus seit Anbeginn verfolgt. In Windhoek sitzt Ruprecht von Francois seit Wochen auf gepackten Koffern. 6,5 namibische Millionen Dollar hat der gebürtige Namibier bei der Development Bank zur Finanzierung der Schreinerei und der Werkzeuge beantragt. In sechs Wochen will er die Zusage haben, seinem Wohnsitz nach Gochas Stück für Stück verlegen und "das Wirtschaftwunder von Gochas" geschehen lassen. "Ich will zusätzlich Sonnenblumen, Jojoba und Kartoffeln anpflanzen, aus denen wir Öl, Cremes und Kartoffelchips herstellen können", erzählt der Visionär, während er wieder und wieder die Skizzen von seinen Türen, Donkey-Karren und Schreibpulten betrachtet. Für ihn sollte das alles am liebsten morgen schon losgehen. Für Gochas auch.
Jugendliche in zerrissenen Klamotten und 0,5 Liter-Bierflaschen in der brennenden Mittagsonne herum. Ein paar Meter weiter sitzen Männer auf der Ladefläche ihres Pickups diskutieren aufgeregt gegen das aufgedrehte Autoradio an. Leere Straßenzüge, scheinbar verlassene Bottle-Stores, eine marode Tankstelle mit einer einzigen Zapfsäule - Niemandsland. Weiter raus Blechhütten, vollgemüllte Klärgruben, Plastikflaschen, ein einzelnes weggeworfenes Eselsbein, Autowracks, freilaufende Hühner, schreiende Kinder - in Gochas klafft die Armut und Verzweiflung wie eine offene Wunde aus der roten Lehmerde. Die einstige Schule, wo während der Apartheid weiße Kinder lernten, wurde geplündert, Armaturen aus der Wand gerissen. Auf der Wasseroberfläche des stillgelegten Schwimmbads wabert eine dicke grüne Schicht Algen. "Ist das die Kulisse für einen Horrorfilm hier", fragt der Fahrer, als er langsam über die Schotterpiste zum Dorfplatz vorfährt. Ruprecht von Francois (60) ignoriert den Kommentar. Der langjährige Unternehmer und Tischlermeister hat große Pläne in Gochas, der kleine Ortschaft rund 100 km östlich von Gibeon und 50 km östlich von Witbooisvlei entfernt.
Pläne, die Gochas Einwohner, von denen 70 Prozent arbeitslos sind, innerhalb weniger Jahre zu erfolgreichen Kleinunternehmern und Angestellten machen könnten. Pläne, die der Beweis dafür sind, dass einfache Ideen oft die besten sind. Seine kam Ruprecht van Francois an einem gewöhnlichen Samstag im Supermarkt als der Schreiner - gerade zurück aus Deutschland - an der Palette mit den Holzbriketts vorbeischlenderte. Briketts, die aus den USA nach Namibia importiert werden. Von Francois war völlig perplex. "Es war mir unbegreiflich, dass ein Gut wie Holz nach Namibia importiert wird, von dem wir hier genug und sogar zu viel haben. Zwischen Waschmittel, Einkaufswagen und Brikett-Palette war die Idee zu seinem "Gochas Corridor Project" und den "Gochas Corridor Enterprises" geboren. Am selben Tag erzählte er einer Bekannten von seiner Idee. Sie empfahl ihm Gochas, die Heimat der Prosopis-Bäume. "Tatsächlich, erklärt der Unternehmer, "wuchert das Unterholz des heimischen Baums an den Ufern des Auob-Flusses um Gochas seit Jahrzehnten derartig unkontrolliert, dass das Flussbett sich in dieser ohnehin ariden Gegend nicht ausweiten kann." Das tiefe und wuchtige Wurzelwerk des Prosopis-Baum entziehe dem Boden sogar noch zusätzlich Wasser.Dennoch gilt der Baum und sein dichtes Unterholz seit je her als nützlicher Parasit, der auch in trockenen Zeiten der Hitze standhält und sich leicht zu Möbel verarbeiten lässt. Und das plant Ruprecht von Francois. Zum ersten Mal in der Geschichte von Gochas im ganz großen Stil. Eine Holz-Werkstatt, in der er Türen, Donkey-Karren und Schreibpulte herstellen will. Eine laufenden Werkstatt in der Windhoeker Kruppstraße, die er demontieren und in Gochas mitsamt der schweren Maschinen und Sägen wieder aufstellen will, hat er bereits im Visier. Derzeit verhandle er mit dem Eigentümer, der in Ruhestand gehen will. Von Francois hat alles durchgeplant. "Anfangs werden wir hauptsächlich Holzbriketts und Holzkohle als Nebenprodukt herstellen, um das Geschäft anlaufen zu lassen und erste Umsätze zu machen." Holzbriketts aus kleinen Zweigen und Unterholz, die als Abfallprodukt ohnehin nicht verwertbar wäre. Ab August soll der Betrieb in der Schreinerei in Gochas dann angelaufen sein, die fertigen Produkte nach Windhoek und Umgebung verkauft werden.Der Vorteil: Die Endproduktion findet vor Ort in Gochas statt, die Arbeiter und die Gemeinde werden so direkt am Gesamtgewinn beteiligt. 51 Prozent der "Gochas Corridor Enterprises" will von Francois als Mehrheitseigner behalten, 19 Prozent gehören einem privaten Investor, 30 Prozent soll der "Gochas Village Council" nach eigenem Ermessen in die Ortschaft rückinvestieren. Und dieser ist außer sich vor Begeisterung. Schon von weitem winken die neun Mitglieder Ruprecht von Francois, als sein Wagen auf dem Dorfplatz vorfährt. "Es ist das erste Mal, dass jemand nach Gochas kommt und sich dafür interessiert, Dinge voranzutreiben und mit einer exzellenten Idee ein Geschäft aufzuziehen", sagt Grace Diesgaadt, die Mitglied des "Village Council" ist. Die 35-jährige Angestellte ist hier geboren, sieht dem Verfall ihrer Heimat seit Jahrzehnten hilflos zu. "Die Menschen hier brauchen Jobs, die Kinder eine gute Ausbildung." Mit dem Ende der Apartheid seien Mitte der Achtziger Hunderte von Anwohner weggezogen. Seitdem blute Gochas systematisch aus, erzählt Diegaadt, staatliche Investitionen blieben aus, die Infrastruktur wird kaum erneuert. "Wir setzen alle Hoffnungen auf das Projekt", sagt Pesella Nunda, der die Sitzungen im Gemeindehaus seit Anbeginn verfolgt. In Windhoek sitzt Ruprecht von Francois seit Wochen auf gepackten Koffern. 6,5 namibische Millionen Dollar hat der gebürtige Namibier bei der Development Bank zur Finanzierung der Schreinerei und der Werkzeuge beantragt. In sechs Wochen will er die Zusage haben, seinem Wohnsitz nach Gochas Stück für Stück verlegen und "das Wirtschaftwunder von Gochas" geschehen lassen. "Ich will zusätzlich Sonnenblumen, Jojoba und Kartoffeln anpflanzen, aus denen wir Öl, Cremes und Kartoffelchips herstellen können", erzählt der Visionär, während er wieder und wieder die Skizzen von seinen Türen, Donkey-Karren und Schreibpulten betrachtet. Für ihn sollte das alles am liebsten morgen schon losgehen. Für Gochas auch.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen