Der 1. Weltkrieg auf namibischem Boden - Rückzugsgefechte

Wiebke Schmidt
Der Krieg im damaligen Schutzgebiet zwischen der verteidigenden deutschen Schutztruppe mit 1870 Soldaten und rund 3000 Reservisten sowie zeitweilige einigen Baster-Hilfskräften gegen die Invasionstruppen der Union Defence Force (UDF) mit einer Kampstärke von 67 237 Mann sowie 33 545 farbigen Hilfskräften (Ziffern der Namibia Wissenschaftlichen Gesellschaft, Windhoek) hatte knapp zwölf Monate gedauert. Die Gegner des Kaiserreichs hatten die Neutralitätsbestimmungen der Kongoakte, Berlin 1884, nicht eingehalten. Danach hätten im Falle eines Krieges unter den Kolonialmächten Angriffe und Militäraktionen nicht auf Kolonien ausgedehnt werden dürfen.

Vor der Kulisse Millionen Gefallener und der Massen- sowie Materialschlachten an europäischen Fronten 1914 - 1918 nehmen sich die Rückzugsgefechte der weit unterlegenen Schutztruppe zwar als Nebenschauplatz aus, was die lokale Bedeutung und die Nachwirkung auf die Ära der südafrikanisch-britischen Mandatsverwaltung und auf die Ausrufung des souveränen Namibia 1990, 75 Jahre nach der britisch-südafrikanischen Invasion und Besetzung, jedoch in keiner Weise schmälern kann. Neben dem Kolonialkrieg 1904 - 1907 sollte auch die Vertrautheit mit dem 1. Weltkrieg auf namibischem Boden zum umfassenden Geschichtsverständnis gehören.

Verfolgungs- und Rückzugsrouten

Mit der Herausgabe von Band 7 und Band 8 des Titels „Der 1. Weltkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1914/1915“ wird eine aufschlussreiche, vielfältig illustrierte Serie mit umfangreichen Quellenangaben abgeschlossen. Es erscheint völlig unverständlich, aus welchem Grund und welcher Überlegung der Autor der Reihe sich hinter dem Pseudonym „Historicus Africanus“ verbirgt. Mit dem Gondwana-Band „Auf verlorenem Posten“ von Walter Nuhn und „On Urgent Imperial Service“ von Gerald d´Lange bestehen somit fundierte Standardwerke für jeden Interessierten, der Geschichte und Gegenwart besser verstehen will. Darüber hinaus sind die Werke für Namibier wegen des hohen Bekanntheitsgrades der Austragungsorte der Gefechte, der Verfolgungs- und der Rückzugsrouten sowie der Gefangenenlager von bleibender Aktualität. Nicht zuletzt hat das ab 1915 antretende südafrikanische Regime nach der deutschen Verwaltungsära die bis heute umstrittene Raumordnung und Bodeneinteilung deutlich mitgeprägt.

Der Feldzug in Deutsch-Südwestafrika, 12 Jahre nach Ende des Anglo-Burenkriegs in Südafrika, ist ein militärischer Mikrokosmos des Krieges im 20. Jahrhundert. Im Feldzug sind zigtausende Pferde eingesetzt, werden erste Automobile verwendet, fahren motorisierte englische Radpanzer auf, ohne nennenswerte Wirkung im riesigen Land der Wüsten und Savannen, dröhnen zuweilen deutsche oder englische Flugmaschinen am Himmel, gegen die sich auf beiden Seiten eine rudimentäre Flugabwehr richtet. Auf der Farm Okanjande bei Otjiwarongo waren während des Feldzugs vom deutschen Militärbefehl politische Gefangene festgehalten, darunter russische Juden und andere „Ausländer“, denen der deutsche Befehl misstraute. Und nicht zuletzt gehört der Basteraufstand mit Auflösung bei (T)Sam-Khubis in die Abfolge des Feldzugs, dessen vorausschaubarer Ausgang im Mai 1915 einige Räubertrupps aus dem Gebiet beflügelt hatte, deutsche Farmen anzugreifen und Zivilisten zu ermorden. Das jährliche Sam-Khubis-Gedenken im Rehobother Gebiet unterliegt unterschiedlicher Auslegung.

Telegramm an den Kaiser

Besonders spannend in der vorliegenden Folge liest sich die gut belegte emotionale Auseinandersetzung unter den deutschen Offizieren vor der drohenden Kapitulation bei Khorab, ausgetragen zwischen der Fraktion der Durchhalter bis zur letzten Kugel und dem Lager des Kommandeurs Franke, der angesichts der umzingelten und daher buchstäblich aussichtslosen Lage seiner Truppe einen Endkampf im Raum Tsumeb/Otavi für sinnloses Blutvergießen hielt.

Bedeutsam sind dazu das schwerwiegende Telegramm von Gouverneur Dr. Seitz und Kommandeur Franke am 9. Juli 1915 an Kaiser Wilhelm II, also am selbigen Tag der Kapitulation auf Khorab mit Genehmigung des siegreichen südafrikanisch-britischen Feindes, General Louis Botha, von Tsumeb/Otavi aus, selbige Kapitulation der deutschen Schutztruppe zu melden:

„Eurer Majestät melden wir alleruntertänigst, dass wir gezwungen waren, den Rest der bei Khorab zwischen Otavi und Tsumeb vom Feinde mit vielfach überlegenen Kräften eingeschlossenen Schutztruppe, in Stärke von rund dreitausendundvierhundert Mann, an General Botha zu übergeben. Jede Aussicht auf erfolgreichen Widerstand war ausgeschlossen, da, nachdem die Orte Otavi, Gaub, Grootfontein, Tsumeb, Namutoni vom Feinde genommen, wir von unserer Verpflegungsbasis abgeschnitten waren, und jeder Versuch eines Durchbruchs bei dem heruntergekommen Zustand der Pferde, für die seit Monaten kein Hafer mehr vorhanden war, unmöglich war.

Alle Personen des Beurlaubtenstandes und des Landsturms, auch die in Südafrika Kriegsgefangenen, werden auf ihre Farmen und Berufstätigkeiten entlassen. Offiziere behalten Waffen und Pferde und können auf ihr Wort im Schutzgebiet bleiben. Die aktive Schutztruppe, noch rund dreizehnhundert Mann stark, behält die Gewehre und wird an einem noch zu bestimmenden Platze im Schutzgebiet konzentriert.“

Aufschlussreich über die Stimmung unter den Besiegten in den Stunden der Kapitulation ist ebenso die Aufzeichnung des letzten Kommandeurs der Schutztruppe, Oberstleutnant Victor Franke:

„Jetzt weiß ich es: die Lage ist tatsächlich derart, dass ich selbst der Verzweiflung nahe bin … General Botha hat die vereinbarten Bedingungen soweit zu unseren Ungunsten abgeändert, daß ich kaum noch an die Möglichkeit glauben kann, die Schutztruppe vor der Vernichtung und Gefangennahme auf Gnade und Ungnade zu bewahren … ich habe mich meiner persönlichen Gefühle im Interesse der Sache soweit entäußert, daß ich mir sicherlich dadurch die Verachtung - äußerliche - eines Teils meiner Kameraden zugezogen habe. Schließlich kann aber niemand von mir verlangen, daß ich die Verantwortung für meine Handlungsweise in vollem Umfang übernehme, wenn nicht der Offizierskorps hinter mir steht - Der Gouverneur wäre jetzt in der Lage gewesen, auf Grund meiner Erklärungen ohne weiteres die Verantwortung zu übernehmen. Er hat es nicht getan u. das Schicksal wird wahrscheinlich seinen unabwendbaren Gang gehen! Gott schütze meine Schutztruppe. Ich bin am Ende meiner Kraft.“

Die Bände sind ein beredtes Zeugnis zum Abschluss der „deutschen Zeit“, wie es noch lange im Volksmund hieß, die mit der nachfolgenden südafrikanischen Verwaltungsära zum Werdegang des souveränen Namibia gehört. Eberhard Hofmann

Der 1. Weltkrieg in Deutsch-Südwestafrika 1914/1915 von Historicus Africanus, Band 7: Der Ring schließt sich, Namibia ISBN: 978-99916-909-7-1, und Band 8: Das Ende bei Khorab, Namibia ISBN: 978-99916-909-9-5.Herausgeber: Glanz & Gloria-Verlag, Windhoek 2018. Herausgeber: Glanz & Gloria-Verlag/Bernd Kroemer, Windhoek 2018. Druck: John Meinert Printing, Windhoek, Namibia. Unverbindlicher Richtpreis: Band 7 und Band 8: jeweils 439,00 N$. Soweit noch erhältlich, Band 1 - 4: 330 N$, und Band 5 und Band 6: 380 N$

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-19

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