Dahingeworfene Behauptungen, die nicht stimmen
Betr: Es kann noch dauern (24.09)
Ich weiß nicht, warum Sie Leserbriefe veröffentlich, die faktisch falsch, inhaltlich veraltet und geradezu peinlich sind. Andere Meinungen, auch kontroverse und provokative gehören zu unserer demokratischen Diskussionskultur, dennoch muss nicht alles veröffentlicht werden, wenn es zur Verwirrung und zu falschen Informationen beiträgt. Es stimmt, die Auswahl aus den eingelangten Leserzuschriften ist allein Sache der Redaktion. Dieses Recht ist ihr vorbehalten, aber Redaktionen, die unwahre Leserbriefe drucken, verletzen die berufsethische Wahrheitspflicht.
Ich beziehe mich auf den Artikel von Florian Stumfall in der AZ von Donnerstag, 24. September, der von Ihnen oder von sich selbst als „christsoziales Urgestein“ bezeichnet wird. Meine Kritik an Herrn Stumfalls Artikel hat nicht mit „political correctness“ zu tun, sondern mit „incorrect facts“ oder lässig dahingeworfenen Behauptungen, die nicht stimmen.
Beispiel: Herr S. unterstellt, dass die Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia sich mit „semantischen Sorgen“ beschäftigt halten und es noch lange dauern wird, bis man sich „mit ernsthaften Dingen befassen kann“. Inzwischen weiß jeder, der die Verhandlungen verfolgt hat, dass sie weit vorangeschritten sind, vor allem auch, dass die „Gelder“ nicht einfach “von der Regierung vereinnahmt werden“ (wie angeblich, laut Herrn Stumfall, auch die deutschen Entwicklungsgelder – die jedoch fast ausschließlich projektgebunden sind und von der GIZ, KfW usw. streng kontrolliert werden und von deren Ausgaben das ganze Land und nicht nur die Ovambo profitiert haben). Und im Fall der „Reparationen“ (es wird ein anderes Wort geben) werden die Zahlungen aus Deutschland an spezifische Regionen gehen (die NICHT die nördlichen Regionen mit vorwiegend Ovambo einschließen) und zwar in Form von Projekten über einen langen Zeitraum, verwaltet von einem Gremium, das aus Vertretern Namibias und Deutschlands besteht, insbesondere auch von den betroffenen Gruppen. Dies ist schon in den Abmachungen festgelegt. Wie und auf welcher Grundlage kann Herr S. also behaupten: „Von den Summen sehen die einzelnen Völker zunächst nichts, denn die Regierung verfährt damit im Sinne der SWAPO“?
„Doch dieses Verständnis zeigt weder die Regierung in Windhoek noch diejenige in Berlin, wo man durch unbeirrte Ahnungslosigkeit mit derlei Kleinigkeiten ohnehin nicht befasst ist.“ – Dies sind unwahre Unterstellungen, denn von Anfang an waren bei den Unterhandlungen Vertreter der Nama und Herero dabei, und zwar in Form einen Technical Commitees, das bei allen Fragen und Verhandlungen mit einbezogen wurden und werden. Dass es dennoch Herero-Gruppierungen gibt, die sich nicht vertreten fühlen und in den USA Klage gegen Deutschland eingereicht haben, liegt an der Uneinigkeit unter den betroffenen Gruppen, was natürlich sowohl bedauerlich als auch aus der Perspektive der Betroffenen verständlich ist.
Weiter: Herr S. schreibt „von der UdSSR unterstützten SWAPO“. Es stimmt, die SWAPO wurde militärisch von der UdSSR unterstützt, aber in noch stärkerem Maße (angesichts des Kalten Kriegs) von Westmächten wie der USA, Frankreich, Deutschland, Schweden usw., und die Westmächte haben sich auch vor allem beim Schreiben der namibischen Verfassung durchgesetzt. Auch hat gerade im letzten Jahr bei einer freien Wahl die SWAPO ihre Zweidrittelmehrheit verloren und der Präsident 30% seiner Stimmen. Es gibt also durchaus eine Opposition, die sich gerade jetzt noch zunehmend verstärkt und auch immer mehr junge Leute auf ihre Seite zieht.
Herrn Stumfalls Äußerungen zu den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Namibia sind nicht nur völlig veraltet, sondern falsch. „…die Damara, die deutlich unter den Bantu stehen…“ - das war vielleicht einmal aus der Sicht einiger Stämme in vorkolonialer Zeit so oder auch danach, hat aber für heute weder Relevanz noch ist es wahrheitsgemäß. Und wie kommt er auf die abstruse Idee: „Diese beiden bilden in der Hierarchie der Völker Namibias das Schlusslicht.“ In Namibia gibt es schon lange mehr (wenn überhaupt jemals) keine „Hierarchie der Völker“ (vielleicht bei einzelnen Gruppen, aber weder generell noch offiziell). Herr Stumfall zeichnet damit ein Bild von Namibia, das einfach nicht stimmt und der Diskussion schadet.
Mit freundlichen Grüßen
Erika von Wietersheim
Ich beziehe mich auf den Artikel von Florian Stumfall in der AZ von Donnerstag, 24. September, der von Ihnen oder von sich selbst als „christsoziales Urgestein“ bezeichnet wird. Meine Kritik an Herrn Stumfalls Artikel hat nicht mit „political correctness“ zu tun, sondern mit „incorrect facts“ oder lässig dahingeworfenen Behauptungen, die nicht stimmen.
Beispiel: Herr S. unterstellt, dass die Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia sich mit „semantischen Sorgen“ beschäftigt halten und es noch lange dauern wird, bis man sich „mit ernsthaften Dingen befassen kann“. Inzwischen weiß jeder, der die Verhandlungen verfolgt hat, dass sie weit vorangeschritten sind, vor allem auch, dass die „Gelder“ nicht einfach “von der Regierung vereinnahmt werden“ (wie angeblich, laut Herrn Stumfall, auch die deutschen Entwicklungsgelder – die jedoch fast ausschließlich projektgebunden sind und von der GIZ, KfW usw. streng kontrolliert werden und von deren Ausgaben das ganze Land und nicht nur die Ovambo profitiert haben). Und im Fall der „Reparationen“ (es wird ein anderes Wort geben) werden die Zahlungen aus Deutschland an spezifische Regionen gehen (die NICHT die nördlichen Regionen mit vorwiegend Ovambo einschließen) und zwar in Form von Projekten über einen langen Zeitraum, verwaltet von einem Gremium, das aus Vertretern Namibias und Deutschlands besteht, insbesondere auch von den betroffenen Gruppen. Dies ist schon in den Abmachungen festgelegt. Wie und auf welcher Grundlage kann Herr S. also behaupten: „Von den Summen sehen die einzelnen Völker zunächst nichts, denn die Regierung verfährt damit im Sinne der SWAPO“?
„Doch dieses Verständnis zeigt weder die Regierung in Windhoek noch diejenige in Berlin, wo man durch unbeirrte Ahnungslosigkeit mit derlei Kleinigkeiten ohnehin nicht befasst ist.“ – Dies sind unwahre Unterstellungen, denn von Anfang an waren bei den Unterhandlungen Vertreter der Nama und Herero dabei, und zwar in Form einen Technical Commitees, das bei allen Fragen und Verhandlungen mit einbezogen wurden und werden. Dass es dennoch Herero-Gruppierungen gibt, die sich nicht vertreten fühlen und in den USA Klage gegen Deutschland eingereicht haben, liegt an der Uneinigkeit unter den betroffenen Gruppen, was natürlich sowohl bedauerlich als auch aus der Perspektive der Betroffenen verständlich ist.
Weiter: Herr S. schreibt „von der UdSSR unterstützten SWAPO“. Es stimmt, die SWAPO wurde militärisch von der UdSSR unterstützt, aber in noch stärkerem Maße (angesichts des Kalten Kriegs) von Westmächten wie der USA, Frankreich, Deutschland, Schweden usw., und die Westmächte haben sich auch vor allem beim Schreiben der namibischen Verfassung durchgesetzt. Auch hat gerade im letzten Jahr bei einer freien Wahl die SWAPO ihre Zweidrittelmehrheit verloren und der Präsident 30% seiner Stimmen. Es gibt also durchaus eine Opposition, die sich gerade jetzt noch zunehmend verstärkt und auch immer mehr junge Leute auf ihre Seite zieht.
Herrn Stumfalls Äußerungen zu den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Namibia sind nicht nur völlig veraltet, sondern falsch. „…die Damara, die deutlich unter den Bantu stehen…“ - das war vielleicht einmal aus der Sicht einiger Stämme in vorkolonialer Zeit so oder auch danach, hat aber für heute weder Relevanz noch ist es wahrheitsgemäß. Und wie kommt er auf die abstruse Idee: „Diese beiden bilden in der Hierarchie der Völker Namibias das Schlusslicht.“ In Namibia gibt es schon lange mehr (wenn überhaupt jemals) keine „Hierarchie der Völker“ (vielleicht bei einzelnen Gruppen, aber weder generell noch offiziell). Herr Stumfall zeichnet damit ein Bild von Namibia, das einfach nicht stimmt und der Diskussion schadet.
Mit freundlichen Grüßen
Erika von Wietersheim
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Allgemeine Zeitung
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