Briefe 1893 - 1904 (XIV Brief Teil 3/3)
Von Hans Warncke alias „Hans Waffenschmied“ aus Windhoek und Hamakari
Jetzt ist endlich Witboois Macht gebrochen und derselbe hat sich ergeben, ist indes in ziemlicher Freiheit gelassen worden, hat auf Gibeon (im Süden) seinen Platz angewiesen bekommen, wo er unter Bewachung wohnt. Aber er wird, falls er es ernstlich will, doch wieder Umtriebe machen können, da er Gewehre und alles in seinem Besitz behalten hat. Jetzt kämpft die Truppe in der Gegend von Hoachanas [ein kleiner Ort, ca. 140 km südöstlich von Rehoboth, war mal der Hauptort der Nama)] und Aris gegen die sogenannten Lambert-Hottentotten [Lambert war der Name eines Häuptlings der Hottentotten], die auf Aris einem Ansiedler Ohlsen sein Vieh gestohlen, ebenso 2 Buren, von denen der eine dabei erschossen wurde. Auch 2 Mann von der Schutztruppe sind schon bei Aris, auf einen Vorposten gesetzt gegen die Hottentotten, gefallen. Jetzt warten wir hier auf Windhoek täglich auf Nachrichten vom Kriegsschauplatz. Auch bei Omaruru hatten die Hereros einen Engländer erschossen, weshalb der Major Leutwein auch einen Zug dorthin gemacht hat und den Mörder hat ausgeliefert erhalten und ihn hat erschießen lassen.
Über den Kampf gegen Hendrik Witboi in der Naukluft wirst du in der Zeitung gelesen haben und von unseren Verlusten, die aber hauptsächlich der Unerfahrenheit und Dummheit der damals erst frisch angekommenen Mannschaften zuzuschreiben sind, da diese eben gar keine Ahnung von dem hiesigen Guerilla-Krieg und von der ganzen Art der Kriegsführung hatten. Den deutlichsten Beleg dafür liefert der Umstand, daß die Gefallenen fast ausschließlich neue Mannschaften gewesen sind (nur 2 alte im Ganzen). Jedenfalls war das damalige Hornkranz (1)-Massaker, der Anfang des Krieges, durchaus verfehlt und Major Curt von François (2) hatte sich eine Geschichte eingebrockt, die er nicht ausessen konnte. Im Übrigen soll der Major ein ziemlich rechtlicher Mann gewesen sein, nur sein Bruder, der Leutnant, das war ein elender Patron und in Deutschland werden sie ihm wohl den Standpunkt klargemacht haben.
Auch wir Ansiedler auf Windhoek hier haben, als die Truppe im August vorigen Jahres nach der Naukluft zog, hier Postendienste verrichten müssen (gegen den bei der Truppe üblichen Sold = 83 Mark monatlich). Es wachten immer alle dritte Nacht 3 Mann, (9 Mann immer auf einen Posten verteilt), sodaß jeder alle dritte Nacht drankam. Dann brauten wir gewöhnlich Grog, rauchten und erzählten die Nacht durch.
Um übrigens auf meine jetzige Tätigkeit zurückzukommen, so arbeiten wir von morgens bis mittags 11 Uhr und vom Nachmittag 3 Uhr bis abends. Tünschel & Wilke sind Leute von der alten Truppe und sind eben 2 Jahre von der Schutztruppe ausgetreten. Ich habe jetzt ja alle meine Sachen hier und mache auch hin und wieder Reparaturen als Büchsenmacher. Auch als Schuster fungiere ich (da ich Handwerkszeug habe) und besohle und nähe Stiefel und Schuhe. Ich habe mir ein kleines Häuschen vorläufig aus Klippen gebaut, 8 Platten Wellblech gekauft und es damit gedeckt. Darin habe ich es mir recht wohnlich und gemütlich gemacht. Sonntags arbeiten wir natürlich nicht und ich gehe dann manchmal auf Jagd (Hühner und Hasen) oder nach einem Vergnügungslokal, von denen es auf Groß- und Klein-Windhoek mehrere gibt. Das Unangenehme hier ist nur, daß sich bei jeder Gelegenheit alles besäuft und immer Krach ist. Getrunken wird hier im Lande furchtbar, obwohl alles so teuer ist (Flasche Bier 2 Mark, Flasche Schnaps 5 bis 10 Mark). Der einzige Landsmann übrigens, den ich hier zu finden hoffte, „Herrmann Schmidt aus Neustrelitz” ist nach der Kolonie hinunter und soll in der Gegend von Transvaal in einer Schlachterei sein. Er hatte hier Streit gehabt und sollte verhaftet werden, weshalb er ausgerückt ist.
Ich habe jetzt nach Hause geschrieben wegen eines Wagens und ich werde dann Fracht von der Bai hierher fahren. Ich werde mich mit dem Schmied Prengel zusammen tun und auch eine kleine Schmiede einrichten und Vieh anschaffen und sonst desgleichen. Ich denke, daß ich Ende Mai etwa den Wagen von meinem Vater erhalte. Es ist hier im Ganzen ein anderes Leben als in Deutschland, und man steht hier ungleich anders da, wenn man nur ein bißchen sparsam ist. Jedenfalls freue ich mich sehr, daß ich aus der Gegend der Fanatiker und der eingebildeten Leute heraus bin und hier als freier Mann leben kann. Als Beamter und so in deutschen Verhältnissen, dazu hätte ich nie getaugt. Ich fühle mich hier so zufrieden, wie noch nie in Deutschland, und wenn ich so abends nach getaner Arbeit so nach meinem Häuschen gehe, der Abend so schön und still ist und überall alles im Frieden ist, dann zieht auch in mein Herz ein zufriedenes, heiteres Gefühl ein.
Wie geht es dir denn? Ich denke du schreibst bald wieder. Eure Bierkarte habe ich neulich erhalten und habe mich sehr dazu gefreut. Es waren doch schöne Zeiten damals und als wir noch zusammen den Wald durchstreiften. Grüße alle Freunde und Bekannte und deine Eltern und Geschwister von mir. Nun sei vor allem vielmals gegrüßt und vergiss mich nicht und denke zuweilen an deinen alten Freund
Hans Warncke
Adresse: H.W., Windhoek, Deutsch-Südwest-Afrika
(1)Hornkranz war der Sitz des Kapteins Hendrik Witbooi, sein Kraal lag westlich von Rehoboth. Major Curt von François überfiel mit einer Truppe den Kraal und tötete die in eine halbfertige Kirche geflüchteten Eingeborenen. Besonders viele Frauen und Kinder kamen dabei ums Leben. Major François mißachtete die Weisung aus Deutschland, keine Kampfhandlungen an Gruppen vorzunehmen, sondern nur Einzelpersonen zu bestrafen, wenn diese etwas gegen die Ansiedler gemacht hatten, zum Beispiel das Vieh gestohlen, das Haus niedergebrannt oder jemanden getötet hatten.
(2) Curt von François gründete 1890 die heutige namibische Hauptstadt Windhoek.
Über den Kampf gegen Hendrik Witboi in der Naukluft wirst du in der Zeitung gelesen haben und von unseren Verlusten, die aber hauptsächlich der Unerfahrenheit und Dummheit der damals erst frisch angekommenen Mannschaften zuzuschreiben sind, da diese eben gar keine Ahnung von dem hiesigen Guerilla-Krieg und von der ganzen Art der Kriegsführung hatten. Den deutlichsten Beleg dafür liefert der Umstand, daß die Gefallenen fast ausschließlich neue Mannschaften gewesen sind (nur 2 alte im Ganzen). Jedenfalls war das damalige Hornkranz (1)-Massaker, der Anfang des Krieges, durchaus verfehlt und Major Curt von François (2) hatte sich eine Geschichte eingebrockt, die er nicht ausessen konnte. Im Übrigen soll der Major ein ziemlich rechtlicher Mann gewesen sein, nur sein Bruder, der Leutnant, das war ein elender Patron und in Deutschland werden sie ihm wohl den Standpunkt klargemacht haben.
Auch wir Ansiedler auf Windhoek hier haben, als die Truppe im August vorigen Jahres nach der Naukluft zog, hier Postendienste verrichten müssen (gegen den bei der Truppe üblichen Sold = 83 Mark monatlich). Es wachten immer alle dritte Nacht 3 Mann, (9 Mann immer auf einen Posten verteilt), sodaß jeder alle dritte Nacht drankam. Dann brauten wir gewöhnlich Grog, rauchten und erzählten die Nacht durch.
Um übrigens auf meine jetzige Tätigkeit zurückzukommen, so arbeiten wir von morgens bis mittags 11 Uhr und vom Nachmittag 3 Uhr bis abends. Tünschel & Wilke sind Leute von der alten Truppe und sind eben 2 Jahre von der Schutztruppe ausgetreten. Ich habe jetzt ja alle meine Sachen hier und mache auch hin und wieder Reparaturen als Büchsenmacher. Auch als Schuster fungiere ich (da ich Handwerkszeug habe) und besohle und nähe Stiefel und Schuhe. Ich habe mir ein kleines Häuschen vorläufig aus Klippen gebaut, 8 Platten Wellblech gekauft und es damit gedeckt. Darin habe ich es mir recht wohnlich und gemütlich gemacht. Sonntags arbeiten wir natürlich nicht und ich gehe dann manchmal auf Jagd (Hühner und Hasen) oder nach einem Vergnügungslokal, von denen es auf Groß- und Klein-Windhoek mehrere gibt. Das Unangenehme hier ist nur, daß sich bei jeder Gelegenheit alles besäuft und immer Krach ist. Getrunken wird hier im Lande furchtbar, obwohl alles so teuer ist (Flasche Bier 2 Mark, Flasche Schnaps 5 bis 10 Mark). Der einzige Landsmann übrigens, den ich hier zu finden hoffte, „Herrmann Schmidt aus Neustrelitz” ist nach der Kolonie hinunter und soll in der Gegend von Transvaal in einer Schlachterei sein. Er hatte hier Streit gehabt und sollte verhaftet werden, weshalb er ausgerückt ist.
Ich habe jetzt nach Hause geschrieben wegen eines Wagens und ich werde dann Fracht von der Bai hierher fahren. Ich werde mich mit dem Schmied Prengel zusammen tun und auch eine kleine Schmiede einrichten und Vieh anschaffen und sonst desgleichen. Ich denke, daß ich Ende Mai etwa den Wagen von meinem Vater erhalte. Es ist hier im Ganzen ein anderes Leben als in Deutschland, und man steht hier ungleich anders da, wenn man nur ein bißchen sparsam ist. Jedenfalls freue ich mich sehr, daß ich aus der Gegend der Fanatiker und der eingebildeten Leute heraus bin und hier als freier Mann leben kann. Als Beamter und so in deutschen Verhältnissen, dazu hätte ich nie getaugt. Ich fühle mich hier so zufrieden, wie noch nie in Deutschland, und wenn ich so abends nach getaner Arbeit so nach meinem Häuschen gehe, der Abend so schön und still ist und überall alles im Frieden ist, dann zieht auch in mein Herz ein zufriedenes, heiteres Gefühl ein.
Wie geht es dir denn? Ich denke du schreibst bald wieder. Eure Bierkarte habe ich neulich erhalten und habe mich sehr dazu gefreut. Es waren doch schöne Zeiten damals und als wir noch zusammen den Wald durchstreiften. Grüße alle Freunde und Bekannte und deine Eltern und Geschwister von mir. Nun sei vor allem vielmals gegrüßt und vergiss mich nicht und denke zuweilen an deinen alten Freund
Hans Warncke
Adresse: H.W., Windhoek, Deutsch-Südwest-Afrika
(1)Hornkranz war der Sitz des Kapteins Hendrik Witbooi, sein Kraal lag westlich von Rehoboth. Major Curt von François überfiel mit einer Truppe den Kraal und tötete die in eine halbfertige Kirche geflüchteten Eingeborenen. Besonders viele Frauen und Kinder kamen dabei ums Leben. Major François mißachtete die Weisung aus Deutschland, keine Kampfhandlungen an Gruppen vorzunehmen, sondern nur Einzelpersonen zu bestrafen, wenn diese etwas gegen die Ansiedler gemacht hatten, zum Beispiel das Vieh gestohlen, das Haus niedergebrannt oder jemanden getötet hatten.
(2) Curt von François gründete 1890 die heutige namibische Hauptstadt Windhoek.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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