Briefe 1893 - 1904 (Teil 2)
Briefe 1893 - 1904 (Teil 2)

Briefe 1893 - 1904 (Teil 2)

Von Hans Warncke alias „Hans Waffenschmied“ aus Windhoek und Hamakari
Wiebke Schmidt
Hans Warncke, Sohn von Pastor Wilhelm Warncke, wurde am 7. Januar 1871 in Neustrelitz geboren und starb am 14. Januar 1904 in Hamakari. Er war der Großonkel von Dagmar Zumbrunn-Warncke, die zusammen mit ihren Geschwistern und Schwager das Buch „Briefe 1893 - 1904“ zusammenstellte und durch den Kuiseb-Verlag publizierte. In den kommenden Ausgaben der WAZon werden diese Briefe veröffentlicht.





An Bord des Dampfers „ Maria Woermann” Sonnabend, den 16. Dezember (2. Teil)

Anderen Tag, Montag, ging es durch den Kanal durch und zwar bei ganz ruhigem Seegang, nur sehr kalt ward es. Die ganze Woche verging sehr ruhig, es war meist einigermaßen ruhige See, die Seekrankheit hörte bei allen auf, nur Frau Mauer und die junge und alte Frau Schurz hatten noch immer Magenbeschwerden, konnten nichts essen und mussten im Bett liegen. Sowie sie was genossen, kam es wieder heraus. Die Schiffskost war eben nichts für solche Magen und was Besseres gab es für die im Zwischendeck nicht. Herr Schurz rief, als seine Frau sehr krank war, den Schiffsarzt, doch der sagte, es sei nur Seekrankheit, verordnete nichts Stärkendes, sagte, Hungern und im Bett liegen sei nötig. Er machte auf mich den Eindruck eines untüchtigen Menschen. Jetzt sind die 3 Frauen noch krank, sowie sie hoch mit dem Kopf kommen, müssen sie sich fortwährend übergeben und auch, wenn sie von der groben Kost essen. Was sie wohl an leichter Speise möchten, kriegen sie nicht, sie sind sehr schwach. Wenn sie hätten unten liegen bleiben sollen, sie hätten es nimmer ausgehalten. Herr Mauer hat für teures Geld Rotwein gekauft, Fleischsuppe (Tasse 50 Pfennig) ist sehr schlecht und die Frauen mögen sie auch nicht. Wie die Gesellschaft verantworten kann, uns geraten zu haben, Zwischendeck zu fahren, weiß ich nicht. Es gibt fast jeden Mittag zähes Rindfleisch und trockene Kartoffeln. Die Kost kann nur einer aushalten, der einen Magen wie ein Pferd hat. Wir haben uns schon beschwert, doch haben wir wenigstens verlangt, daß wir Kaffeebohnen, Zucker, Brot (pro Mann 1 Pfund täglich), Butter im Voraus für jede Woche geliefert bekommen. Jetzt kochen unsere Frauenzimmer den Kaffee morgens früh selbst, wässern die Butter durch, sodaß sie wenigstens zu genießen ist, und schälen die vom Mittag übrig bleibenden Kartoffeln, die uns abends der Koch dann braten muss. Ich halte mich hauptsächlich an Brot, Butter und Schnaps (den ich in Hamburg gekauft habe) und mein Magen verträgt es auch ganz gut, denn er ist bisher immer in Ordnung gewesen.

Neulich sah ich Dr. Sander auf Deck und stellte mich ihm vor und unterhielt mich auch mit ihm. Im Ganzen kann ich die Herren der 1. Klasse Kajüte nicht achten, denn wenn sie rechtlich denkend wären, würden sie von ihrem Überfluß den kranken Frauen was zu essen schicken, allein nach denen erkundigt sich kein Doktor von den zweien. Dagegen den 2 Fräuleins (Frl. Döbbelin [Dobbelin] und die jüngere Tochter des alten Schurz) haben sie schon fortwährend was geschickt, auch besuchen sie sie. Doch hat die alte Frau Schurz neulich dem Herrn Major die Wahrheit gesagt und ihrer Tochter auch, als die sehr vertraut zusammen saßen.

Wie die Judengesellschaft bei Mathies und Co. uns übrigens übers Ohr gehauen ha-ben, haben wir jetzt erst so recht erfahren, denn mir sagte, als das Schiff noch auf der Elbe lag, der eine Fuhrmann von Mathies, als ich ihn wegen Herrn Mauers Wagen frug, der 900 Mark Fracht gekostet hat, die Brüder hätten die Wagenteile alle einzeln gemessen. Auch der alte Bootsmann auf unserem Schiff sagte, es sei unmöglich, daß der Wagen so viel gemessen, der Kapitän kriege meist die Hälfte, denn im Schiffsraum sei er eng zusammengestellt, und der Mathies und Co. habe eben keinen ganzen Raum gleich gemietet, wofür er so und so viel bezahle und messe sich dann ordentlich was zurecht. Was das andere Frachtgut betreffe, was auf dem Schiff gemessen würde, so würde das von vereidigten Leuten gemacht und könne nie zu viel gemessen werden.
Das Gut von Mathies sei aber alles schon gemessen an Bord gekommen. Auch für Landungskosten pro Person haben sie uns 5 Mark angeschrieben, was sie in ihre Tasche stecken. Die Gesellschaft hat uns mit einem Wort richtigen Juden zur Ausbeutung in die Hände geliefert und mit dem anderen ist es gerade so. Mir haben sie die Patronen nicht geschickt, Herrn Mauer ebenfalls nicht, so daß er wohl Patronen zu einem Gewehr hat, aber kein Gewehr dazu und ein anderes Gewehr, aber keine Patronen dazu. Auch eine große Kiste mit Tauschsachen (1000 Mark Wert) fehlt, die auf der Rechnung steht. Und wie sind die Verhältnisse drüben! Ich weiß gewiß, alle Ansiedler, die mit den bisherigen Schiffen hinaus sind, sitzen noch untätig in Windhoek aus Furcht vor Witboi (Witbooi). Wir hier auf dem Schiff: Schurzens, Mauer und ich haben beschlossen, fest zusammenzuhalten und womöglich zusammen uns gemeinsam schriftlich anzusiedeln. Es sind einfache, ehrliche, arbeitssame Leute und verstehen vor allem alles Mögliche. Wir sind Landmann, Schmied, Schlosser und Mechaniker, Büchsenmacher, Uhrmacher (der alte Schurz), Gärtner. Mich reut, den Vertrag mit von Carnap [von Carnap ist der Name einer Kaufmannsfamilie in Barmen] unterschrieben zu haben, denn was soll ich bei dem ½ Jahr unentgeltlich tun, wenn er doch nichts anfangen kann. Nun vielleicht kommen wir auseinander, wenn er mir nicht bestimmte Versprechungen gibt. Ich weiß genaues über ihn von dem alten Bootsmann (einem Mecklenburger) von der vorigen Reise her. Er versteht nichts, seine Frau auch nichts, hat nur Vermögen. Die anderen Passagiere 1. Klasse Kajüte haben nicht mit ihm verkehrt, er hat sich mehr zu den Matrosen gehalten. Auch mit seiner Frau hat er kein Verhältnis. Mich soll wundern, wie er mich aufnimmt und wenn er mir nicht günstige Bedingungen für später macht, lasse ich mich nicht mit ihm ein, sondern gehe zu Herrn Mauer oder Schurzens, die wahrscheinlich genau schriftlich anfangen und alle gemeinsam arbeiten, vielleicht einen Vertrag auf 4-5 Jahre machen, auf gemeinsame Kosten zu arbeiten und dann je nach dem Kapital der einzelnen wieder auszuteilen. Mich soll wundern, wie es alles kommt, jedenfalls habe ich gute Hoffnung. Wenn von Carnap verlangt, muss ich wohl ½ Jahr so bei ihm sein, denn er wird den Vertrag wohl bekommen, ich habe ihn nicht, hast du ihn? Es ist ja möglich, daß alles gut geht und er mich als Compagnon annimmt, dann würde ich ja auch gut gestellt. Sehe ich, er ist kein Mann von Verlass und er will mich nur ausbeuten, dann benutze ich jeden Vorwand, sobald wie möglich mich von ihm zu trennen und gebe mein Vermögen zu den anderen und habe dann Aussicht, in 5 Jahren so weit zu sein, ein Stück Land, wenn auch nur 3 - 4 000 Morgen als eigen zu haben. Wenn von Carnaps Wagen nicht da ist, nimmt Schurz meine Sachen mit auf seinen Wagen.

Sonntag, den 10. Dezember, vormittags sahen wir in der Ferne den Pik von Teneriffa hinter Wolken, nur die Spitze, rechts vor uns. Gegen Abend tauchte rechts vor uns die Insel Gran Canaria auf. Zum Unglück war es schon dunkel, als wir dicht daran vorbei fuhren und Signale wechselten. Mitte Woche war die See wieder sehr unruhig und alle hatten die Seekrankheit wieder, auch der alte Herr Schurz hatte starkes Kopf- und Leibweh, nur ich war ganz munter und fidel. Gestern abend standen wir vorne am Bug und sahen dem Phosphorleuchten des Meeres zu und den Scharen unzähliger Schweinsfische, die sich vor dem Schiffskiel tummelten.
Wenn nur einer von uns zu seinen Landkisten kommen könnte! Wenn wir die geringste Ahnung gehabt hätten, wie hier die Verpflegung ist, so hätten wir uns doch für den Fall einer Krankheit was mitgenommen! Mein Daumen war auch sehr schlimm (inwendig infolge von Druck geeitert). Jetzt ist er wieder heil. Doch jetzt ist das Papier voll. Hof¬fentlich erhaltet ihr den Brief zum neuen Jahr. Grüßt alle herzlich von mir und seid gewiss, dass ich in 2 Wochen wieder schreibe. Mir gefällt es bis jetzt sehr gut und ich bin gesund, was die Hauptsache ist.
Mit innigem Gruß und Kuss
Euer Hans

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-20

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