Briefe 1893 - 1904 (IX Brief, Teil 4 / 4)
Briefe 1893 - 1904 (IX Brief, Teil 4 / 4)

Briefe 1893 - 1904 (IX Brief, Teil 4 / 4)

Von Hans Warncke alias „Hans Waffenschmied“ aus Windhoek und Hamakari
Wiebke Schmidt
Was du von den Eingeborenen denkst, das sind keine richtigen Ansichten. Dieselben müssen streng, aber gerecht, aber durchaus nicht zu gut behandelt werden, im Gegenteil fast hart. Dieselben sind durch die Missionare so klug geworden und wollen sich nicht unterordnen. Die besten sind im Allgemeinen die, welche noch Heiden sind. Sie lassen sich belehren und sind redlich. Aber solche, die schon durch die Missionare Schreiben und Lesen gelernt haben, das sind durchtriebene Subjekte. Ich will nicht damit sagen, daß die Mission als solche einen schlechten Einfluß hat, nein. So ein Eingeborener, der richtig gebildet und fromm, ist ein achtenswerter Mensch, wie z.B. einige, die bei Helbigs (Hälbich) im Haus erzogen sind. Aber meist wirkt eben die Missionarslehre nur oberflächlich auf die Leute ein und sie lernen eben so viel sehen, daß sie merken, was die meisten weißen Christen für Heuchler und Gottlose sind und dadurch werden sie verdorben und wollen es nur den Weißen nachmachen, lassen aber von ihren alten guten Sitten und Gebräuchen und versumpfen und werden schlecht. Ich sehe es an Tünschel und Wilkes Kaffern (Bergdamaras) und anderen Kaffern, die hier im Dienst sind, die alle noch Heiden sind, es gibt keine ehrlicheren, besseren, zuverlässigeren Leute. Und wie vertragen sie sich, wie glücklich und friedlich ist ihr Familienleben. Ich habe noch nie gehört, daß sich 2 im Ernst gezankt oder gar gerauft hätten. In Otjimbingue dagegen, wo viele Christen stehlen wie die Raben (Ochsenriemen sind vom Wagen Brökers [Bröcker] fortgenommen). Und die Hottentotten, die alle Christen sind, stehlen alles. Es sind eben nur Namenchristen, die Leute beten, singen und machen alles, aber alles mechanisch, sie denken sich absolut nichts dabei (ausgenommen, wie ich schon vorhin sagte, wenn sich jemand eingehend mit einem Eingeborenen beschäftigt und ihm richtig die Augen öffnet und den Verstand). Und wie sollten wir Weiße uns ein Beispiel an den Leuten nehmen, an ihren alten Gebräuchen und Sitten. Das haben sie schon von alters her, nicht erst vom Christentum. Ein Eingeborener wird nie unanständig sich betragen, nie unflätige Worte gebrauchen, nie schimpfen oder Krach machen. Nie wird er einem Notleidenden seine Hilfe versagen, und nie wird er sich zanken oder neidisch einem seiner Genossen etwas vorenthalten wollen, nein, er teilt alles mit ihm. Wenn ein armer Ochsenwächter-Kaffer, der wöchentlich eine Platte Tabak bekommt, unterwegs einen anderen trifft, der keinen Tabak hat, er gibt ihm gleich die Hälfte, das ist immer so. Mit Achtung und mit großer Verwunderung habe ich auf die Leute gesehen, wie die untereinander sich begegnen und einträchtig sind. Und wenn auch z.B. die Hottentotten gegen die Hereros Krieg geführt haben, so wird man doch nie Grausamkeiten finden oder mutwillige Morde. (Bei Horrebis, wo die Wagen verbrannt sind, ist eben ein einfacher Überfall gewesen. Von Blutvergießen und grausamem Abschlachten ist überhaupt keine Rede gewesen, das ist Unsinn!!) Und wie haben die Eltern die Kinder, es ist rührend. Nie wird ein Vater oder eine Mutter ihr Kind verschenken oder verkaufen, wie es bei anderen Völkerstämmen geschieht.

Und dieser Engländer, der bei Omaruru ermordet wurde, hat eben zuerst einen Ein­geborenen vorher ermordet. Aber natürlich, das Ansehen der Weißen fordert Sühne! Ein Weißer darf es sich gar nicht leisten, einen Eingeborenen schlecht zu behandeln oder zu übervorteilen, er wird nur selber Schaden dadurch bekommen, denn er hängt eben zu sehr von den Leuten ab, indem er dieselben notwendig braucht. Hier freut sich auch jeder, wenn er Arbeiter kriegt und sie behält. Einen eingeborenen Arbeiter zu behandeln, ist eine eigene Kunst. Man muß ihn knapp, gerecht, aber streng behandeln, aber doch ihn auch nicht schimpfen oder ungerecht behandeln oder gar schlagen. Aber es ist auch bei ihnen die Hauptsache, nicht verwöhnen oder gut und milde behandeln, dann werden sie übermütig. Man darf kein freundliches Wort mit ihnen reden. Sie müssen den Baas (Chef) achten und fürchten, aber dürfen nicht merken, daß man sie vertraulich behandelt, dann hat man verspielt. Sie neigen eben zu sehr dazu, sich auf gleiche Stufe mit jedem stellen zu wollen, falls er sich zu gut mit ihnen einläßt, weil sie es ebenso gewohnt sind, sich untereinander gleich zu behandeln.

Was mein damaliges Wellblechzelt belangt, so war es eben aus wellenförmig gemachten Eisenblech-Tafeln, womit hier die Häuser gedeckt werden, einfach schräge zusammengesetzt. Wie habe ich mich zu der Lampe gefreut. Es ist abends, wenn ich noch beim Scheine derselben in meiner kleinen Bude sitze, dabei so gemütlich und ich denke an zu Hause und an mein früheres Leben zurück und es kommt mir alles wie ein Traum vor.

Die Schuhe versohle ich selber, auch Wilke habe ich schon ein Paar versohlt. Auch Gewehrreparaturen habe ich schon einige gemacht und denke doch nebenher dadurch etwas zu verdienen. Für die Weihnachtsgeschenke danke ich vielmals. Die Zigarren schmecken mir vortrefflich. Ich rauche selten, aber mit Genuß.

Früher sind die von der Truppe gebauten Häuser (Feste, Provianthaus, Kommissariat, Offiziersgebäude, Küche) aus gebrannten Steinen gemacht worden, welche die Soldaten gebrannt haben. Jetzt indes, wo alle Arbeit von Privatleuten verfertigt wird, wurden einfach getrocknete Steine gemacht und damit gebaut.

Von Oberamtmann Nitze weiß ich, daß er aber gerade so durchkommt, er hat seinen schönen Garten, wo alles so wächst, daher verkauft er viel Gemüse und Früchte. Auch hat er etwas Vieh. Aber weiterkommen kann er damit nicht, es ist doch kein rechter Verdienst. Dazu kommt, daß sein Sohn leichtsinnig ist und Schulden macht. Der Alte ist sonst solide.

Kirche ist hier leider auch nicht wieder gewesen und ich lese sonntags nur so im neuen Testament. Doch es wird doch wohl bald auch eine Kirche gebaut werden.

Ja, jetzt ist bald Weihnachten, es ist das zweite, das ich fern von Haus verlebe, aber ich bin bei guten Leuten und ich denke, wir werden auch einen Baum schmücken. Aber wehmütig wird es mir doch sein, wenn ich am Heiligen Abend an das Grünower Pfarrhaus und an euch alle denken werde, wie ihr wohl um den strahlenden Tannenbaum stehen werdet. Auch ihr, denke ich, werdet wohl an mich dann denken und im Geist bei mir sein. Aber jetzt will ich schließen und noch ein paar Worte an die Seelchen schreiben, da morgen die Post geht. Grüßet alle Bekannten und Verwandten herzlich von mir, auch die Hausgenossen, besonders Johann, auch Herrn von Piper unbekannterweise. Ich werde noch eine kurze Skizze meines Häuschens beifügen, nur um euch einigermaßen zu zeigen, wie es hier aussieht.

Zum vielen Zeichnen habe ich keine rechte Lust und auch keine Zeit, da ich andere Arbeit mittags habe (Gewehr, Schuhe, Zeug flicken, reinmachen, Messer reparieren) ich mache alles. Gestern abend habe ich bis ½ 1 geschrieben. Aber jetzt lebt wohl. Hoffentlich seid ihr Lieben alle gesund und feiert ein gesegnetes Weihnachtsfest. Ich werde viel an euch alle denken. Ich hoffe, anderes Jahr um diese Zeit schreiben wir schon anders und stehen besser da und es kommt auf ein paar 100 Mark nicht mehr drauf an.



Mit herzlichen Grüßen

Euer Sohn Hans

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-20

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