Außen stark, innen zerbrechlich

WAZon-Redakteur
Von Antonia Hilpert, Usakos

Die Nachmittage an der Elifas-#Goseb-Grundschule in Usakos, knapp 220 Kilometer nordwestlich von Windhoek, haben eine klare Struktur: Nach der Schule stellen sich rund 40 Schüler, die von der „Usakos Needy Children Support Organization“ (UNCSO) unterstützt werden, in Reih und Glied auf und warten auf das Kommando „Hände waschen“. Sie sind sichtbar ungeduldig, denn sie haben Hunger. Das Mittagessen, das sie dann bekommen, ist oft ihre einzige Mahlzeit am Tag.

In der Schule des Vororts Hakhaseb (ehemals exklusive Siedlung für Andersfarbige vor der Unabhängigkeit) betreut Marianne Izaaks die UNCSO-Initiative. Unterstützung erhält sie von jungen Freiwilligen aus Europa, meist aus Deutschland. Gemeinsam sorgen die Helfer dafür, dass die Kinder nicht nur eine reichhaltige Mahlzeit am Tag bekommen, sondern auch Bildungsmöglichkeiten, Spaß und vor allem Liebe und Geborgenheit. Ihr Ziel ist es möglichst viele Kinder der Elifas-#Goseb-Schule auf ihrem Weg zu unterstützen und sie während ihrer gesamten Grundschulzeit von Klasse eins bis sieben zu begleiten.

Sobald die Hände gewaschen sind, stellen sich die Kinder erneut an. Dieses Mal vor einem großen Kochtopf aus dem die Volontäre das Mittagessen verteilen. Auch wenn der Magen vor Hunger knurrt, die Kinder warten, bis alle eine Portion Nudeln auf dem Teller haben. Dann bedanken sich alle gemeinsam bei den Köchinnen und beten, bevor schließlich gegessen wird.

Zähneputzen als Highlight

„Klare Regeln und ein strukturierter Tagesablauf sind wichtig“, sagt Izaaks. „Das gibt den Kindern Orientierung.“ Nach dem Essen stehen Zähneputzen und ein Gang zur Toilette auf dem Programm. Es scheint fast, als wäre das Zähneputzen einer der Höhepunkte im Alltag der Kinder. Was für Außenstehende vielleicht ungewöhnlich klingen mag, wird bei näherer Betrachtung logisch. „Die Schüler haben zu Hause kaum die Möglichkeit sich die Zähne zu putzen – oft haben sie nicht mal Zugang zu sauberem Wasser“, erklärt die „Tagesmama“ die Euphorie der Kinder über eine vermeintlich banale oder für viele gar lästige Routine. Auch ein anschließender Toilettengang in ungestörter Privatsphäre und mit Toilettenpapier ist nicht selbstverständlich.

Wenn die Grundbedürfnisse erfüllt sind, geht der Tag für die Kinder mit Hausaufgaben und Nachhilfe weiter. Im Anschluss haben die Kinder die Wahl, sich entweder im Entspannungsraum auszuruhen oder an den Aktivitäten teilzunehmen, die sich die Volontäre für den Tag überlegt haben. An Montagen steht meist Sportliches auf dem Programm, dienstags wird gebastelt und mittwochs ist Informations- oder Konversationstag. Da sprechen die Volontäre mit den Kindern über ganz unterschiedliche Themen, beispielsweise über Brustkrebs, Berufe oder die Frage „Was bedeutet Liebe?“. An Donnerstagen wird meist gesungen und getanzt. Und am Freitag ist Hygienetag: da werden den Kindern Haare und Nägel geschnitten und die Klamotten gewaschen.

Von der Poststelle zur Profimama

Die Idee für das Projekt hatte Izaaks im Jahr 2004. Damals arbeitete sie noch als Leiterin der Poststelle in Usakos. Sie fing damit an einigen Kindern ein warmes Mittagessen zur Verfügung zu stellen. Daraus entwickelte sich dann die Initiative. Denn Izaaks, die selbst drei Kinder hat, war davon überwältigt, was sie von den Kindern zurückbekam. „Trotz der schwierigen, oft traumatisierenden Situation, in der sie sich befinden, schenken sie mir immer ein Lächeln. Ich habe keine Ahnung, wie sie das machen“, schwärmt sie von ihren Schützlingen. „Wenn ich im Urlaub bin, vermisse ich sie“. 2008 ließ Izaaks ihre Organisation behördlich registrieren, hörte auf bei der Post zu arbeiten und widmete sich ganz den Schulkindern. Mittlerweile kümmert sich das Hilfswerk um rund 40 Waisen und bedürftige Kinder.

Izaaks konzentriert sich auf sogenannte OVCs (Orphans and Vulnerable Children, zu Deutsch: Waisen und gefährdete Kinder). Dazu gehören, laut Bildungsministerium, auch vernachlässigte oder missbrauchte Kinder, sowie Kinder mit Behinderungen und Lernschwierigkeiten oder Sprösslinge, die mit dem HIV-Virus infiziert sind. Meist sind es Lehrer, die Izaaks Bescheid geben, wenn ihnen ein Kind auffällt oder sie erfahren, dass es unter schwierigen Verhältnissen aufwächst. Manchmal kommen aber auch die Eltern direkt auf Izaaks zu und bitten um Hilfe, oder der UNCSO-Leiterin fallen selbst vernachlässigte Kinder auf den Straßen der 3500-köpfigen Usakos-Gemeinde auf.

Auch Kinder brauchen Privatsphäre

Für UNCSO ist der erste Schritt – vorausgesetzt es sind genügend Mittel vorhanden –, den Kindern in ihrem Zuhause einen abgetrennten Raum mit Schlafplatz einzurichten. Die Mindestgröße: drei mal drei Meter. Oft haben die Kinder in den Blechhütten der Eltern nämlich keinerlei Privatsphäre, geschweige denn ein Bett – stattdessen schlafen sie auf dem Boden. Sex, Alkoholmissbrauch, Depressionen, häusliche Gewalt und weitere Dinge, die nicht für Kinderaugen bestimmt sind, bekommen sie so hautnah mit.

Ein großes Problem sei die fehlende soziale Unterstützung im Elternhaus, so Izaaks. Viele Kinder sind Waisen oder werden aufgrund von Arbeitslosigkeit, Armut, Alkohol- oder Drogenmissbrauch und anderen Gründen komplett vernachlässigt. „So wird den Kindern buchstäblich der Teppich unter den Füßen weggezogen. Sie haben niemanden, der sie auffängt“, erklärt Izaaks, die daher für viele Kinder eine Art Elternersatz ist. Auch die Volontäre berichten, dass die Kinder auffällig oft auf den Arm genommen werden wollen und körperliche Nähe und Geborgenheit suchen.

Volontärin Nicole aus dem Schwarzwald hat die Rolle der Seelsorgerin übernommen. Sie studiert in Deutschland Sozialarbeit und spricht mit den Kindern über deren Sorgen und Ängste. „Ich freue mich, dass es einige Kinder annehmen, denn sonst sind sie eher ruhig.“ In den Gesprächen gehe es um Themen wie die Alkoholsucht der Eltern, HIV-Erkrankungen oder auch sexuelle Gewalt. „Die Kinder sind so oft schon im jungen Alter auf sich alleine gestellt und werden schnell selbstständig“, so Nicole. Eines der Mädchen sei mit nur 13 Jahren von zu Hause ausgezogen. „Auch wenn sie sich stark geben, innerlich sind die Kinder dafür umso zerbrechlicher“, sagt die Studentin.

„Einige Eltern haben aufgehört zu trinken“

Die Organisation legt großen Wert darauf, auch Familien und Bezugspersonen einzubeziehen, damit die Kinder auch in ihrem Zuhause möglichst viel Rückhalt und Unterstützung bekommen. Daher besucht Izaaks die Eltern regelmäßig und spricht auch Probleme an, über die Kinder berichten. Dabei spielt der kulturelle Hintergrund meist eine entscheidende Rolle. Izaaks hat mit den Jahren gelernt, wie sie mit wem sprechen muss, damit ihre Worte auch verstanden werden und nicht als respektlos wahrgenommen werden. „Ich habe es bei einigen Familien geschafft, die Eltern zum Nachdenken zu bringen. Sie haben teilweise aufgehört Alkohol zu trinken“, erzählt Izaaks von ihren Erfolgen.

UNCSO ist auf Spenden angewiesen. Die meiste Unterstützung komme aus Europa, speziell aus Deutschland, Finnland, der Schweiz und Rumänien. „Ohne sie könnten wir uns das tägliche Mittagsessen für die Kinder gar nicht leisten.“ Momentan werden die Spenden auch dringend auf einer anderen Baustelle gebraucht: UNCSO muss umziehen, da die Grundschule die Gebäude, in denen sich die Kinder nachmittags aufhalten, nun selbst benötigt. „Ich war anfangs ziemlich verzweifelt“, erzählt Izaaks. „Aber dann kam mir die Idee, die Wohnung, die gerade für die Volontäre gebaut wird, kurzerhand für die Kinder herzunehmen.“ Die Volontäre aus Deutschland werden dann weiterhin bei Izaaks zu Hause unterkommen. Inzwischen ist die Leiterin der Organisation etwas optimistischer: „Ich freue mich auf den Neuanfang. Die Kinder in einem eigenen Gebäude unterzubringen, schafft auch mehr Freiheit.“ Allerdings fehle zurzeit noch das nötige Geld, um das Dach des neuen Hauses zu finanzieren.

Immer wieder gibt es Beispiele von Kindern, die ihren Weg gefunden haben, die Izaaks hoffen lassen: „Vier der Kinder haben einen Schulabschluss und einer studiert mittlerweile Architektur“, erzählt Izaaks stolz. Sie strahlt dabei über das ganze Gesicht und sagt „Ohne diese Kinder, hätte mein Leben keinen Sinn“.

KASTEN

Fall Sie die Initiative unterstützen wollen, können Sie das über das folgende Spendenkonto tun:

UNCSO / Usakos:

Konto-Nummer: 6 2124 732 258

BLZ: 281073

Bank: First National Bank; Karibib-Filiale

SWIFT-BIC: FIRNNANX

Homepage der Initiative: http://www.uncso.org

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-20

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