Afrika - weit entfernt von durchgreifender Erholung
Es sind nur knapp 14 Kilometer, die Europa und Afrika an der Straße von Gibraltar trennen - und wenn Bundeskanzlern Angela Merkel heute zum Auftakt ihrer dreitägigen Westafrikareise zunächst nach Senegal reist, wird sie kaum 100 Kilometer entfernt an der weltbekannten Meeresenge vorbeifliegen, die seit ein paar Monaten zur neuen Hauptroute für illegale Migranten nach Europa geworden ist. Gerade erst meldeten die spanischen Sicherheitskräfte, dass sich derzeit mehr als 50000 Schwarzafrikaner in Marokko aufhalten, die demnächst die in Nordafrika gelegenen spanischen Enklaven Ceuta und Melilla erreichen oder mit Booten die Meerenge von Gibraltar überwinden wollen, um so nach Norden aufs europäische Festland zu gelangen.
Neben der Schließung aller italienischen Häfen für Flüchtlingsboote durch die neue Regierung in Rom liegt die Verlagerung der Route ins westliche Mittelmeer aber auch daran, dass Spaniens neue Regierung einen sehr viel weicheren Kurs gegenüber der Zuwanderung als ihre gerade abgelöste Vorgängerregierung steuert. Als Folge hat sich die Zahl der Flüchtlinge im westlichen Mittelmeer mit fast 20000 bis zur Jahresmitte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdreifacht - und übertrifft bereits jetzt die Ankünfte in Italien und Griechenland.
Obwohl offiziell Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Zentrum der Gespräche Merkels im Senegal sowie in Nigeria und Ghana stehen, dürfte die Flüchtlingsfrage schon deshalb alles überschatten, weil einfache Lösungen wie beim Flüchtlingsabkommen mit der Türkei im Fall von Spanien nicht in Frage kommen. Dies sollte Merkel umso mehr alarmieren als vor allem das Bevölkerungswachstum in Afrika weiterhin ungebremst voranschreitet und als Folge die enorm hohe Arbeitslosigkeit in fast allen afrikanischen Staaten in die Höhe treibt. Gegenwärtig leben rund 1,1 Milliarden Menschen auf dem europäischen Nachbarkontinent. Bis 2050 soll sich diese Zahl nach Angaben des jüngsten Bevölkerungsberichtes der Vereinten Nationen auf rund 2,6 Milliarden mehr als verdoppeln, bis 2100 dann sogar auf 4,5 Milliarden vervierfachen.
Ebenso besorgniserregend ist, dass die Bevölkerung in Afrika mit fast 3% fast überall schneller als die Wirtschaft wächst, die 2016 im Schnitt nur noch um kümmerliche 1,4% zulegen konnte - der niedrigste Zuwachs in 20 Jahren. Inzwischen geht es wirtschaftlich zwar wieder leicht bergauf, doch von einer wirklich durchgreifenden Erholung ist der Kontinent noch immer weit entfernt wie auch das Angola-Forum des deutschen Afrikavereins in der vergangenen Woche in Berlin zeigte. Selbst die sonst stets optimistischen Banker und Unternehmensberater sprachen dort mit Blick auf die vielen stornierten Infrastrukturprojekte in dem Land aber auch anderswo in Afrika vorsichtig vom „ersten Licht am Ende des Tunnels“.
Einige afrikanische Regierungen, insbesondere im jetzt von Merkel bereisten Westafrika, versuchen offensiv mit dem starken Bevölkerungswachstum umzugehen und investieren in die Bildung von Mädchen oder werben für eine Zwei-Kinder-Familie. Gleichwohl ist die Zahl der Kinder pro Frau im bevölkerungsreichsten Land Nigeria mit seinen derzeit rund 200 Millionen Menschen seit 1960 von 6,2 auf gerade einmal 4,9 gefallen - viel zu wenig, um einen Unterscheid zu machen. Anderen Regierungen ist das Thema ohnehin egal. In Uganda oder Tansania verdoppelt sich die Bevölkerung alle 20 Jahren, weil Kinderreichtum hier als Fruchtbarkeits- und Männlichkeitssymbol gilt. Noch ist in der Bundesregierung jedoch offenbar nicht angekommen, dass der demographische Faktor Dreh- und Angelpunkt einer erfolgreichen Afrikapolitik sein müsste. In den vielen Plänen zu Afrika wird der Punkt allenfalls am Rand oder gar nicht erwähnt.
Auch wäre in dem Agrarkontinent Afrika eine Modernisierung der Landwirtschaft mit ihren oft archaischen Produktionsmethoden dringend geboten. Denn der Kontinent verfügt über rund 400 Millionen Hektar landwirtschaftlich nutzbarer Fläche, von der kaum 10% kultiviert werden. Kein Wunder, dass sich der Kontinent auch 60 Jahre nach der Unabhängigkeit der ersten Länder wie Ghana (1957) noch immer nicht selbst ernähren kann und rund Dreiviertel seiner 48 Länder Lebensmittelimporteure sind. Das gleiche gilt für die Industrieproduktion: Irgendwelche eigenen Produkte, die auf den Märkten er Industrieländer nachgefragt würden, werden in Afrika noch immer kaum hergestellt.
Vor diesem Hintergrund erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) auch für die nächsten Jahre Wachstumsraten in Afrika von im Schnitt unter 5%. Eigentlich müsste der Kontinent jedoch wie einst China für 20 oder 30 Jahre um mindestens das Doppelte (10 - 15%) pro Jahr wachsen, um seine gewaltige Armut auch nur im Ansatz zu verringern und endlich Jobs für die Millionen arbeitsloser Jugendlicher zu schaffen. Schon weil allein seine Bevölkerung immer weiter zunimmt, dürfte das bereits sehr niedrige Einkommensniveau in Afrika auch künftig nur minimal zulegen oder gar stagnieren. All dies erinnert mehr an Griechenland als China. Schon deshalb dürfte Afrikas vielerorts immer wieder beschworene Wachstumsgeschichte allenfalls eine sehr langfristige sein.
Wolfgang Drechsler
Neben der Schließung aller italienischen Häfen für Flüchtlingsboote durch die neue Regierung in Rom liegt die Verlagerung der Route ins westliche Mittelmeer aber auch daran, dass Spaniens neue Regierung einen sehr viel weicheren Kurs gegenüber der Zuwanderung als ihre gerade abgelöste Vorgängerregierung steuert. Als Folge hat sich die Zahl der Flüchtlinge im westlichen Mittelmeer mit fast 20000 bis zur Jahresmitte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdreifacht - und übertrifft bereits jetzt die Ankünfte in Italien und Griechenland.
Obwohl offiziell Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Zentrum der Gespräche Merkels im Senegal sowie in Nigeria und Ghana stehen, dürfte die Flüchtlingsfrage schon deshalb alles überschatten, weil einfache Lösungen wie beim Flüchtlingsabkommen mit der Türkei im Fall von Spanien nicht in Frage kommen. Dies sollte Merkel umso mehr alarmieren als vor allem das Bevölkerungswachstum in Afrika weiterhin ungebremst voranschreitet und als Folge die enorm hohe Arbeitslosigkeit in fast allen afrikanischen Staaten in die Höhe treibt. Gegenwärtig leben rund 1,1 Milliarden Menschen auf dem europäischen Nachbarkontinent. Bis 2050 soll sich diese Zahl nach Angaben des jüngsten Bevölkerungsberichtes der Vereinten Nationen auf rund 2,6 Milliarden mehr als verdoppeln, bis 2100 dann sogar auf 4,5 Milliarden vervierfachen.
Ebenso besorgniserregend ist, dass die Bevölkerung in Afrika mit fast 3% fast überall schneller als die Wirtschaft wächst, die 2016 im Schnitt nur noch um kümmerliche 1,4% zulegen konnte - der niedrigste Zuwachs in 20 Jahren. Inzwischen geht es wirtschaftlich zwar wieder leicht bergauf, doch von einer wirklich durchgreifenden Erholung ist der Kontinent noch immer weit entfernt wie auch das Angola-Forum des deutschen Afrikavereins in der vergangenen Woche in Berlin zeigte. Selbst die sonst stets optimistischen Banker und Unternehmensberater sprachen dort mit Blick auf die vielen stornierten Infrastrukturprojekte in dem Land aber auch anderswo in Afrika vorsichtig vom „ersten Licht am Ende des Tunnels“.
Einige afrikanische Regierungen, insbesondere im jetzt von Merkel bereisten Westafrika, versuchen offensiv mit dem starken Bevölkerungswachstum umzugehen und investieren in die Bildung von Mädchen oder werben für eine Zwei-Kinder-Familie. Gleichwohl ist die Zahl der Kinder pro Frau im bevölkerungsreichsten Land Nigeria mit seinen derzeit rund 200 Millionen Menschen seit 1960 von 6,2 auf gerade einmal 4,9 gefallen - viel zu wenig, um einen Unterscheid zu machen. Anderen Regierungen ist das Thema ohnehin egal. In Uganda oder Tansania verdoppelt sich die Bevölkerung alle 20 Jahren, weil Kinderreichtum hier als Fruchtbarkeits- und Männlichkeitssymbol gilt. Noch ist in der Bundesregierung jedoch offenbar nicht angekommen, dass der demographische Faktor Dreh- und Angelpunkt einer erfolgreichen Afrikapolitik sein müsste. In den vielen Plänen zu Afrika wird der Punkt allenfalls am Rand oder gar nicht erwähnt.
Auch wäre in dem Agrarkontinent Afrika eine Modernisierung der Landwirtschaft mit ihren oft archaischen Produktionsmethoden dringend geboten. Denn der Kontinent verfügt über rund 400 Millionen Hektar landwirtschaftlich nutzbarer Fläche, von der kaum 10% kultiviert werden. Kein Wunder, dass sich der Kontinent auch 60 Jahre nach der Unabhängigkeit der ersten Länder wie Ghana (1957) noch immer nicht selbst ernähren kann und rund Dreiviertel seiner 48 Länder Lebensmittelimporteure sind. Das gleiche gilt für die Industrieproduktion: Irgendwelche eigenen Produkte, die auf den Märkten er Industrieländer nachgefragt würden, werden in Afrika noch immer kaum hergestellt.
Vor diesem Hintergrund erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) auch für die nächsten Jahre Wachstumsraten in Afrika von im Schnitt unter 5%. Eigentlich müsste der Kontinent jedoch wie einst China für 20 oder 30 Jahre um mindestens das Doppelte (10 - 15%) pro Jahr wachsen, um seine gewaltige Armut auch nur im Ansatz zu verringern und endlich Jobs für die Millionen arbeitsloser Jugendlicher zu schaffen. Schon weil allein seine Bevölkerung immer weiter zunimmt, dürfte das bereits sehr niedrige Einkommensniveau in Afrika auch künftig nur minimal zulegen oder gar stagnieren. All dies erinnert mehr an Griechenland als China. Schon deshalb dürfte Afrikas vielerorts immer wieder beschworene Wachstumsgeschichte allenfalls eine sehr langfristige sein.
Wolfgang Drechsler
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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