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Die Statue eines Raben erinnert vor dem früheren Wohnhaus des Schriftstellers Edgar Allan Poe in Philadelphia (USA) an dessen berühmtestes Gedicht: Der Rabe. Foto: Johannes Schmitt-Tegge DPA
Die Statue eines Raben erinnert vor dem früheren Wohnhaus des Schriftstellers Edgar Allan Poe in Philadelphia (USA) an dessen berühmtestes Gedicht: Der Rabe. Foto: Johannes Schmitt-Tegge DPA

Der Vater der Horrorliteratur

175. Todestag: US-Autor Poe ließ Herzen rasen und Blut gefrieren
Mit Geschichten wie „the tell-tale heart" („das verräterische Herz") „the fall of the house of usher" („Der Untergang des Hauses Usher") und „the pit and the pendulum" („die Grube und das Pendel") sorgte er bei mehr Lesern für Gänsehaut als alle anderen in seinen Fußstapfen gehenden Autoren: Vor 175 Jahren starb Edgar Allan Poe. Ein geheimnisvoller Schrecken, Poes großes Geschenk an die Weltliteratur, umgibt auch seine letzten Tage.
Baltimore/Berlin (dpa) Als der amerikanische Schriftsteller Edgar Allan Poe an einem ganz gewöhnlichen Herbsttag des Jahres 1849 in Richmond vor die Tür trat, ahnte der Schöpfer so vieler grausiger Fantasien seinem eigenen schaurigen Tod gewiss nicht. Man fand ihn eine Woche später 250 Kilometer entfernt in der Stadt Baltimore, von Alkohol oder Drogen betäubt, aufgedunsen, in tödlicher Agonie. Der zeitlebens so elegante Mann war in zerschlissene Sachen gekleidet - die nicht ihm gehörten.

Poe (1809-1849) starb am Morgen des 7. Oktober vor 175 Jahren um fünf Uhr früh. Was ihm in den Tagen seines Verschwindens widerfahren ist, ist bis heute nicht sicher geklärt. War es Straßenraub? Geriet Poe bei einem lokalen Wahlkampf in die Hände skrupelloser und brutaler Stimmenfänger? Der Sterbende war nicht mehr klar genug bei Verstand, um es aufzuklären.

Poes Tod könnte der Stoff für eine seiner eigenen Detektiv- oder Gruselgeschichten sein - beide Gattungen verdankt die Weltliteratur dem Amerikaner. Ohne sein Werk hätte die Figur des Detektivs wohl nie diese Bedeutung in der Popkultur erlangt. Allen voran ist die 1841 verfasste Kurzgeschichte „Der Doppelmord in der Rue Morgue“ zu nennen, eine Art Urknall des Krimis. Poe schuf damit als Erster eine fiktionale Erzählung aus Sicht eines Detektivs. Auch das Wort „Detektiv“ selbst wanderte dank ihm aus dem Französischen ins Englische und in den internationalen Sprachgebrauch ein. Sein Held Auguste Dupin war der Prototyp des analytischen Ermittlers, der Ur-Ahn von Sherlock Holmes.

„Poe war ein Meister der Effekte, er war besessen von den Figuren und Bildern der Angst, der Katastrophe, des Sogs und steigerte sie bis zum Äußersten“, schreibt der Literaturwissenschaftler Wolfgang Martynkewicz in seiner Poe-Biografie. „Wie ein Magier spielte er mit der Lust am Untergang, die er nicht nur immer und immer wieder ästhetisch inszenierte, sondern die zu seinem Leben, seiner Existenz gehörte.“

Für schlaflose Nächte

Poe schuf Geschichten wie Alpträume, berichtet aus der Ich-Perspektive. In „Das verräterische Herz“ schildert der Erzähler seinen Mord an einem alten Mann. Das Motiv: Er hasst dessen Anomalie, ein Häutchen auf einem der Augen. Eine Woche lang schleicht er sich Nacht für Nacht bei dem Greis ein, beobachtet den Mann still - und kann ihn doch nicht töten, weil die Augen des Schlafenden geschlossen sind. Bis der Eindringling eines Nachts aus Versehen ein Geräusch macht. Eine Stunde belauert er das Opfer in der Dunkelheit: „Ich wusste, was der alte Mann empfand, und hatte Mitleid mit ihm, obwohl ich im Herzen lachte.“ Schließlich leuchtet der Erzähler dem Mann ins Gesicht, sieht das Auge, tötet. In der Kurzgeschichte „der Untergang des Hauses Usher“ bringt Poe eines der Horrormotive hervor, das so klassisch ist, dass es fast schon Gefahr läuft, Klischee zu werden: Das von Geistern heimgesuchte Gruselhaus. Nachdem der Jugendfreund Roderick Usher dem Ich-Erzähler ein grauenhaftes Geständnis macht, dessen Inhalt ebenfalls in einigen auf Poe folgenden Horrorwerken Platz findet, kommt es zum blutigen Finale. Um in „die Grube und das Pendel“ dem Leser die Grenzen der Hoffnung im Kampf gegen die Zeit und ums Überleben aufzuzeigen, nahm sich der in Boston geborene Autor die spanische Inquisition als Rahmen.

Bei anderen Geschichten gibt es überhaupt keine Erklärung, warum ein Mensch sadistisch mordet: In „Das Fass Amontillado“ lockt der Erzähler einen Freund in ein Gewölbe und schließlich in eine makabre Todesfalle, um sich für Kränkungen zu rächen. Was war passiert? Wir erfahren es nicht. Gerade diese Lückentechnik macht Horror aus, wie ihn auch Poes Schauergedicht „The Raven“ kraftvoll ausstrahlt („Sprach der Rabe: Nimmermehr“). Seine Erben, H.P. Lovecraft und Stephen King, sollten dies weiterentwickeln.

Begraben in drei Minuten

Nicht nur dem Genre der gothic novel (Schauerliteratur) bereitete Poe gemeinsam mit Autorinnen wie Mary Shelley („Frankenstein“) und den Brontë-Schwestern („Jane Eyre“) den Weg. Doch nur am Rande sei erwähnt, dass Poes Idee von einer Mondfahrt in „Das unvergleichliche Abenteuer eines gewissen Hans Pfaall“ als Vorgeschmack auf das Genre Science Fiction gelten kann. Als den wirkungsmächtigsten amerikanischen Klassiker und meistgelesenen US-Erzähler des 19. Jahrhunderts hat der Anglist Hans-Dieter Gelfert Poe einmal bezeichnet.

Auch wenn sein Ruhm ewig währt: Dem Meister des Horrors blieb nur ein kurzes Leben von 40 Jahren. Der Überlieferung zufolge dauerte sein Begräbnis an einem kalten Montagnachmittag gerade einmal drei Minuten. Die Trauergemeinde - im Wesentlichen Poes engste Familie - war so klein, dass der Pfarrer auf eine Predigt verzichtete. Küster George W. Spence erinnerte sich später: „Es war ein dunkler und düsterer Tag, es regnete nicht, aber es war einfach rau und bedrohlich.“

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-03-15

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