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Ampel bangt um Stimmen bei den Landtagswahlen am Wochenende Foto: Kay Nietfeld dpa (ARCHIV - 05.07.2024, Berlin)
Ampel bangt um Stimmen bei den Landtagswahlen am Wochenende Foto: Kay Nietfeld dpa (ARCHIV - 05.07.2024, Berlin)

Ampel wankt unsicher auf Wahlen zu

Vor den Wahlen im Osten sind Befürchtungen eines AfD-Triumphs groß
Dass es ein schwieriger Spätsommer für die Ampel werden würde, war klar. Dass die Koalitionäre sich schon vor den Wahlen in Ostdeutschland jedoch selbst sabotieren, hat dann doch viele überrascht. Der Kanzler muss sich aus dem Sommerurlaub in den Haushaltsstreit einschalten, der Finanzminister schreibt einen Brief zur Ukraine-Hilfe, der die Bündnispartner verunsichert, am Ende nennt der Grünen-Chef die Ampel eine „Übergangskoalition".
Von Michael Fischer, Jörg Blank und Jörg Ratzsch Deutsche Presse-Agentur (Berlin)
Wie soll es weitergehen, wenn die Wahlen in Sachsen und Thüringen an diesem Sonntag für die Ampel so desaströs enden, wie die Prognosen es voraussagen? Die SPD kommt in sämtlichen Umfragen der Fünf-Prozent-Marke bedrohlich nahe.

Die Grünen müssen um ihren Verbleib in den beiden Landtagen bangen. Und die FDP, die es in Thüringen 2019 noch knapp geschafft hat, wird inzwischen in beiden Ländern unter den „sonstigen Parteien“ aufgeführt, weil sie es nicht mehr über drei Prozent schafft. Zuletzt kam nicht nur die AfD, sondern auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) teils auf mehr Stimmen als alle drei Ampel-Parteien zusammen.

Kanzler Scholz hat bisher alle Wahlniederlagen an sich abperlen lassen. Als die SPD im Mai bei der Europawahl ihr schlechtestes Ergebnis seit 130 Jahren einfuhr, wandelte er durch das Willy-Brandt-Haus, machte Selfies und lehnte einen Kommentar zum Wahlergebnis mit einem schlichten „Nö“ ab. Tags drauf sagte er, es gehe für die Koalition darum, ihre Arbeit zu machen, und „sich darauf vorzubereiten, dass die Zustimmung immer größer werden wird“. Diesmal wird er damit wohl nicht davonkommen.

Dass die Ampel ein Jahr vor der Bundestagswahl hinschmeißt, gilt angesichts der düsteren Aussichten aller drei Parteien bei Neuwahlen als unwahrscheinlich. Aber die Ampel wird deutlich machen müssen, was sie mit der verbliebenen Zeit bis zur Wahl am 28. September 2025 noch anfangen möchte. Ausstehende Projekte gibt es genug: Umsetzung der Wachstumsinitiative, Rentenpaket, Kindergrundsicherung, Tariftreuegesetz, Gesetz zur Förderung der Demokratie.

Und dann sind da noch internationale Krisen von Ukraine bis Nahost und vor allem die Terrorgefahr, die nach dem Anschlag von Solingen wieder präsenter ist denn je. Gerade letzteres Thema, das der AfD in die Hände spielen könnte, ist für die Ampel Chance und Risiko zugleich. Sie kann nach dem Haushaltsstreit Einigkeit demonstrieren. Oder sie zerlegt sich erneut und steuert noch tiefer in die Krise.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte die Koalitionäre am Wochenende in der ARD, sich zusammenzureißen, statt über neue Regierungskonstellationen nachzudenken: „Anpacken statt spekulieren und zurück an die Werkbank“, forderte er.

Die Wahlen im Osten werden nicht nur die Ampel, sondern das ganze deutsche Parteiensystem kräftig durchschütteln. Die AfD fiebert seit mehr als einem Jahr auf diesen Sommer hin. In Sachsen und Thüringen und auch in Brandenburg könnte sie zum ersten Mal eine oder mehrere Landtagswahlen gewinnen. Die Partei sieht die Wahlen im Osten als Zwischenetappe an. „Im Osten muss für uns die Sonne der Regierungsverantwortung aufgehen“, sagt Parteichef Tino Chrupalla.

Für die Bundestagswahl 2025 will die AfD voraussichtlich einen Kanzlerkandidaten oder eine -kandidatin aufstellen, dies aber eher symbolisch, denn Koalitionspartner sind für die Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet wird, nicht in Sicht. Sie denkt längst weiter: Man habe das Superwahljahr 2029 im Blick, so Chrupalla Ende Juni.

Dann wird in Brandenburg, Sachsen und Thüringen erneut gewählt, und die Wahl zum übernächsten Bundestag steht an. Das Kalkül: Sind bis dahin Unzufriedenheit in der Bevölkerung und Akzeptanz für die AfD genug gewachsen, könnte deren Stunde schlagen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-02

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