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Vor 50 Jahren
Vor 50 Jahren

Vor 50 Jahren 13. Juni 1975

Stefan Noechel
Blutige Anarchie in Angola

Windhoek – Mehrere Pflanzer aus Angola, die der AZ seit Jahren bekannt sind, treffen nach und nach in Windhoek ein, um ein neues Leben zu beginnen. Ihre Besitzungen in Angola haben sie abgeschrieben. Es hat keinen Zweck, den Dingen nachzuweinen. Was vorbei ist, ist vorbei, wir müssen uns jetzt auf unsere Zukunft konzentrieren", erklärte ein pflanzer, dessen Name aus verständlichen Gründen nicht genannt werden kann. Er läßt sich in Südwestafrika nieder. Ein anderer Pflanzer befindet sich auf dem Wege nach Brasilien. Er hinterläßt in Angola alles, was sich nicht in seinem Fluggepäck befindet.

Im April vergangenen Jahres, so berichtet ein Pflanzer, atmete Angola auf. Die sogenannten Befreiungsorganisationen waren praktisch ausgeschaltet. Auch an ihnen war der 13jährige Abnutzungskrieg nicht spurlos vorübergegangen. Im Lande herrschte Ruhe und Sicherheit. Dann kam der Putsch des General Spinolas, der alles änderte. Eine Aenderung wurde zwar ohnehin erwartet, denn das alte Salazar-Regime war korrupt gewesen. Es bestand jedoch die Hoffnung, daß vieles unter Ministerpräsident Caetano besser werden würde.

Bewaffnete Barfüßler

Nach dem April-Putsch entpuppten sich die geschlagenen, “Befreiungsorganisationen" als Sieger. Zunächst schien es noch, als ob das reiche Angola eine Zukunft habe, in der man leben könne. Jetzt sind diese Hoffnungen verflogen. Selbst wenn die Führer der drei nationalistischen Organisationen den Frieden und die Ruhe im Land wieder herstellen wollten, sie können es nicht. Sie haben ihre Leute gar nicht mehr in der Hand. Den Auftakt zum Ende bildet die Bewaffnung halbwüchsiger Horden in Städten und Dörfern durch MPLA. MPLA überschwemmte das ganze Land mit Waffen. Die bis an die Zähne bewaffneten Träger von Pistolen, Gewehren, Maschinenpistolen und selbst Granatwerfern waren die sogenannten Barfüßler, Halbwüchsige von 14, 15 und 16 Jahren. Des Lesens und Schreibens waren sie meist unkundig. Ihnen wurde aber beigebracht, wie man die Waffen bedienen und mit einem Fingerzug Menschen töten kann.

Die zivilisierten Bewohner des Gebietes hatten ihre Waffen längst abgeben müssen. Wenn sie noch einige Jagdwaffen besaßen, so fehlte die Munition. Seit Monaten gab es keine Munition auch keine Jagdmunition mehr in Angola zu kaufen. Die Barfüßler litten allerdings nicht unter Munitionsmangel.

Leichengeruch in Luanda

Am schlimmsten waren die Zustände in Luanda. Ein Gewährsmann der AZ berichtete, daß in Luanda ganze Stadtteile in eine Dunstglocke von Leichengeruch gehüllt waren. „Es ist ein Wunder, daß bisher keine Epidemie ausgebrochen ist." Das Wasser- und Kanalisationssystem arbeitet in Teilen Luandas nicht mehr. Ein Schiff, das Chlor brachte, wurde nicht ausgeladen. Waffenlieferungen fanden jedoch den Weg ins Inland. Die Lebensmittelversorgung ist katastrophal. Die ohnehin schlechte Belieferung wird durch Streiks der Kraftwagenfahrer noch verschlimmert. Inzwischen müßten die Lebensmittelvorräte in Luanda weitgehend aufgebraucht sein.

Den Weißen gehört nichts

Mit dem Unterricht in Waffenkunde erhielten die Barfüßler auch Belehrung über die Strukturveränderungen in der Gesellschaft. Das erste Ziel solcher Belehrung waren die Weißen. Den Barfüßlern wurde erzählt, ihnen gehöre das, was die Weißen sich erarbeitet hatten und besaßen, einschließlich ihrer Frauen. Autos, Häuser, Kühlschränke usw. usw. der Weißen seien im Grunde genommen Eigentum der Schwarzen und vor allem derjenigen, die sich, auf eine Waffe vertrauend, in den Genuß derartiger Dinge bringen konnten.

Gerüchtewellen

Man konnte nie vorhersagen, wann und wo etwas passiert. Zwischenfälle im ganzen Lande trugen jedoch zu einer allgemeinen Unsicherheit bei. Diese wurde noch verstärkt durch Gerüchtewellen. Gerüchtewellen, so sagte ein Pflanzer, haben sich als wirksames Mittel zur Einschüchterung der ordnungsliebenden Bevölkerung erwiesen.

Ein Pflanzer sagt, in seiner Gegend habe er sich verhältnismäßig sicher bewegen können. „Seine Gegend" sei ein Gebiet mit einem Radius von etwa 25 Kilometer um seine Pflanzung gewesen. Hier habe ihn jeder Schwarze gekannt. Außerhalb dieses Gebietes sei jedoch alles möglich gewesen.

Messer durchs Gesicht gezogen

Hier ein Zwischenfall: Ein Deutscher, der seit Jahren mit einer Schwarzen zusammenlebte, fuhr mit dem Moped von der Pflanzung, auf der er als Verwalter tätig war, zur einige Kilometer entfernten Schule, um sein Mischlingskind vom Unterricht abzuholen. Unterwegs wurde er von einem Schwarzen angehalten. Dieser forderte von ihm Feuer. Während der Farmverwalter seine rechte Hand in die Tasche steckte, um das Feuerzeug herauszuholen, zog ihm der Schwarze sein Messer quer durch das Gesicht und ließ ihn blutüberströmt und mit gebrochenem Nasenbein liegen.

Die Landstraßen sind unsicher geworden. Wagen werden angehalten und ausgeraubt, die weiblichen Insassen vergewaltigt und die Männer verprügelt. Andererseits, sagt unser Gewährsmann, sei er selbst mehrmals in der kritischen Zeit aus Zentralangola nach Luanda gefahren, ohne daß etwas passiert sei.

Heute versucht selbst MPLA, die Hetze gegen die Weißen rückgängig zu machen. Man merkt, daß man ohne die Weißen nicht auskommt. Aber jetzt ist es zu spät. Die Barfüßler sind aus ihrem Rausch nicht so leicht zu erwecken.

Die Flucht aus Angola ist problematisch. Viele Weiße scheuen sich noch, obwohl sie längst die Hoffnung aufgegeben haben, in Angola leben zu können. Das Hauspersonal und die Arbeiter auf den Pflanzungen sind meist weggelaufen oder zum Weggehen von den „Befreiungsorganisationen" gezwungen worden. Die Hoffnung auf ein Einbringen der jetzt reifenden Ernten sind zerstoben. Der Weg mit dem Lastwagen über die Grenze ist jedoch gefährlich.

Schwierige Grenzkontrolle

Ein Pflanzer hatte sich zusammen mit der Familie eines Bekannten aus der Nachbarschaft mit zwei Lastwagen bis zur Grenze durchgeschlagen. In Pereira d'Eça erfolgte die erste Grenzabfertigung. Es war alles in Ordnung, und man fuhr der Grenze entgegen. Am Schlagbaum wurden die beiden Fahrzeuge gestoppt. Vertreter aller drei Befreiungsorganisationen" wollten zunächst die hochbeladenen Fahrzeuge durchsuchen. Sie stellten sich auf den Standpunkt, daß die beiden Pflanzer Angola permanent verlassen wollten und daß die vollbeladenen Kraftfahrzeuge dem Volk von Angola" gehörten. Nach langem Palaver und Kontrolle der ordnungsgemäß abgefertigten Papiere konnte man sich nicht einigen. Außerdem wurde festgestellt, daß eine lizenzierte Schrotflinte im Gepäck lag. Schließlich mußten die beiden Pflanzer den Weg zurück nach Pereira d'Eça antreten. Der Polizeikommandant, bei dem sie sich melden mußten, war ein FNLA-Mann. Dieser hatte für das Anliegen der beiden Pflanzer Verständnis. Er sagte, er müsse jedoch zunächst seine Kollegen von UNITA und MPLA überzeugen. Und das war nicht so einfach. Die Ueberzeugung dauerte zwei Tage. Während der Nächte mußten die Fahrzeuge bei der Polizei abgestellt und die Schlüssel hinterlegt werden. Der Polizeikommandant argumentierte, daß die beiden Pflanzer Ausländer, nämlich Deutsche seien, daß die Schrotflinte lizenziert sei und daß man sich nur Schwierigkeiten auf den Hals lade, wenn man die Ausländer nicht reisen ließe. Ueberdies läge gegen sie nichts vor.

Nach zweitägiger Zwangsrast in Pereira d'Eça ging es unter bewaffneter Eskorte wieder zurück zum Schlagbaum, der diesmal geöffnet wurde. Die Grenzposten waren mit Pistolen, Maschinengewehren und Granatwerfern bewaffnet.

Alle Flüchtlinge, mit denen die AZ sprach, stehen auf dem Standpunkt, daß Angola das Schlimmste noch bevorstehe. Bereits zur Zeit bestehe blutige Anarchie. Man weiß nicht, was einem geschieht, wenn man sich aus dem Hause wagt. Es kann alles gut gehen, man kann mit einer Tracht Prügel wegkommen oder man kommt überhaupt nicht mehr zurück.

Meister der Provokation

Ein Pflanzer warnt vor Zugeständnissen aufgrund von übertriebenen Forderungen und Provokationen. Die Schwarzen Angolas hätten sich als Meister der Provokation erwiesen. Stundenlang hätten beispielsweise Schwarze, die vor Dreck starrten und entsprechend rochen, in den Schlangen vor den Postschaltern gestanden, nur um zu provozieren. Einige besser riechende Kumpane standen bereit, um bei dem kleinsten Zwischenfall einzugreifen. Wo keine mutwilligen Zwischenfälle angebracht sind, versucht man, Zwischenfälle zu provozieren.

In dem Augenblick, in dem die zuständigen Stellen Polizei und Wehrmacht in Angola nicht mehr nur durchgriffen, war die Schlacht um die Aufrechterhaltung von Gesetz, Ruhe und Ordnung endgültig verloren.

Für internationale Zusammenarbeit

Paris – Zu einem Höchstmaß an internationaler Zusammenarbeit bekannten sich die 24 Mitgliedsländer der Pariser Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einer Erklärung zu den Beziehungen mit der Dritten Welt.

Die Außen, Wirtschafts- und Finanzminister des OECD-Ministerrats verabschiedeten damit am ersten Tag ihrer zweitägigen Jahrestagung ein wichtiges politisches Dokument. Sie bekundeten darin die Bereitschaft der Industrienationen, in enger Zusammenarbeit und ohne Konfrontation alle wirtschaftlichen Fragen gemeinsam mit den Entwicklungsländern anzupacken.

Die Minister beschlossen, Maßnahmen zur Stärkung der Position der Entwicklungsländer in der Weltwirtschaft zu prüfen. Ferner erklärten sie sich bereit, die in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen mit den Entwicklungsländern zu erörtern, besonders auf dem Gebiet der Nahrungsmittel-Erzeugung, der Energie, der Grundstoffe und der Ent-wicklungshilfe an die am schwersten betroffenen Staaten der Dritten Welt.

Im gleichen Zusammenhang brachten die Minister ihre feste Entschlossenheit zum Ausdruck, ihren Dialog mit den Entwicklungsländern in allen geeigneten Gremien, besonders im Rahmen der bevorstehenden 7. Sondersitzung der Vollversammlung der UNO und in kleineren Organen im Sinne der vom französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing empfohlenen Perspektive fortzusetzen. Auf diese Weise sollen echte Fortschritte auf dem Wege zu einer ausgewogeneren und gerechteren Struktur der internationalen Wirtschaftsbeziehungen erzielt werden.

Um die Arbeiten im Hinblick auf eine engere Kooperation mit den Entwicklungsländern zu aktivieren, beschloß der OECD-Ministerrat, unverzüglich zwei neue Arbeitsgruppen zu schaffen, die auf hohem Niveau innerhalb der Organisation tätig sein sollen: 1. eine Arbeitsgruppe zur Prüfung der Rohstoffprobleme, 2. ein Komitee zur Prüfung der gesamten Beziehungen zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern.

1975: Null wachstum und 900 000 Arbeitslose

Bonn – Die Bundesregierung muß offensichtlich ihre Erwartungen in die wirtschaftliche Entwicklung dieses Jahres aufgrund des flauen Konjunkturverlaufs und der sinkenden Auslandsnachfrage erneut zurückschrauben.

Wie in Bonn nach einer Sitzung des Arbeitskreises zur Vorausschätzung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bekannt wurde, wird es 1975 kein Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik geben. Im Jahresdurchschnitt ist daher mit einer Arbeitslosenquote von vier Prozent zu rechnen, was einer Arbeitslosenzahl von rund 900 000 entspricht. Das sind fast 200 000 Arbeitslose mehr, als die Regierung noch zu Beginn des Jahres im Jahreswirtschaftsbericht genannt hatte.

Bei den Preisen scheint sich dagegen ein weiterer Stabilisierungserfolg abzuzeichnen. Im Jahreswirtschaftsbericht ging die Regierung von einer Teuerungsrate von rund sechs Prozent aus. Nach dem bisherigen Wirtschaftsverlauf werden die Verbraucherpreise 1975 möglicherweise jedoch nur um 5,5 Prozent nach oben klettern.

Die neuen Zahlen die auch Grundlage der nächsten Steuerschätzung am 11. Juni sein werden, sollen im Rahmen der kommenden konzertierten Aktion am 6. Juni in Bonn erörtert werden. Ein Nullwachstum der Wirtschaft würde bedeuten, daß Bund, Länder und Gemeinden 1975 weniger Steuern einnehmen werden. als sie bisher in ihre Haushalte eingeplant hatten.

Jeder Vierte mit Zweitwagen

Bochum – Von den rund 17,4 Millionen bundesdeutschen Autofahrern besitzt etwa jeder vierte neben seinem Pkw noch ein weiteres Motorfahrzeug. Marktforschungsuntersuchungen der Aral AG (Bochum) haben ergeben, daß 18 Prozent der Autofahrer noch über einen Zweitwagen verfügen und acht Prozent über ein motorisiertes Zweirad. Damit entfallen zwei Drittel oder etwa 1,3 Millionen aller motorisierten Zweiräder auf Haushalte, in denen bereits ein Pkw vorhanden ist und dienen somit als zusätzliches Fortbewegungsmittel für nicht autofahrende Familienmitglieder. Nach weiteren Angaben der Aral AG nahmen zu Beginn 1975 insgesamt mehr als zwei Millionen zulassungspflichtige und zulassungsfreie motorisierte Zweiräder am Straßenverkehr in der Bundesrepublik teil. Mofas und Mopeds sind be den 1,3 Millionen Zweirädern, wie die Untersuchungen gezeigt haben, am stärksten vertreten. Ein solches Fahrzeug steht bei mehr als einer Million Pkw-Besitzer zusätzlich im Haushalt, der Rest entfällt auf Motorräder beziehungs weise Kraftroller.

250 000 Dollar für Entführten

Bonn – Die Bundesregierung hat für die Freilassung des von bewaffneten Rebellen in Nordbirma entführten Deuschen Paul Windheim 250 000 Dollar (575 000 Mark) Lös geld bezahlt. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus zuverlässiger Quelle in Bonn. Der 32-jährige Geologe Celle war am 4. März 650 Kilometer nördlich der birmanschen Hauptstadt Rangun den Rebellen in die Hände gefallen und am 7. Mai freigelassen worden. Windheim hatte Birma an Versuchsbohrungen bei einer Zinnmine im Ramen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Bundesrepublik und Birma gearbeitet.

Ein Sprecher des Bundesministeriums für wirtschaftli Zusammenarbeit wollte die Zahlung des Lösegeldes weder bestätigen noch dementieren. Er verwies darauf, dass Bonn mit der Regierung in Rangun Stillschweigen über die Angelegenheit vereinbart habe.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-07-12

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