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Vor 50 Jahren
Vor 50 Jahren

Vor 50 Jahren 10. Juni 1975

Stefan Noechel
Gipfeltreffen: FNLA und UNITA kontra MPLA

Luanda – Die Führer der drei rivalisierenden Befreiungsbewegungen Angolas werden am Samstag in Nairobi erwartet. Am Sonntag beginnen Gipfelgespräche zur Beendigung des Blutbades, das sich zur Zeit in Angola abspielt. Kenias Außenminister Munjua Waijaki bestätigte gestern abend in Nairobi, daß alle Vorbereitungen für das Gipfeltreffen getroffen worden seien. Inzwischen verdichten sich die Meldungen, daß es zu einer Allianz zwischen Holden Robertos FNLA und Jonas Savimbis UNITA gegen Agostinho Netos MPLA noch vor Sonntag kommen kann. Savimbi und Roberto führen zur Zeit Gespräche in Kinshasa. Savimbi wurde auch von Präsident Mobutu von Zaire empfangen. Savimbi gehörte vor seinem Bruch mit FNLA der Schattenregierung Holden Robertos als Außenminister an. Holden Roberto erklärte bereits in Kinshasa: „Wir und UNITA haben die gleichen Ziele. Wir wollen ein Land, das unabhängig ist, frei von jeder Einmischung von außen und offen für alle, in dem portugiesische Kolonialisten als Angolaner anerkannt werden.

Gleichzeitig beschuldigte Roberto die portugiesische Regierung in Lissabon, die explosive Situation in Angola verursacht zu haben. Ich möchte die kriminellen Manöver Lissabons enthüllen. Lissabon gebraucht MPLA, um seinen Einfluß auf Angola auszudehnen," sagte Roberto. Er beschuldigte die Portugiesen, die Assimilierung des Salazar Regimes durch Sozialismus zu ersetzen". Roberto meint, daß am Tag, an dem die portugiesische Kontrolle Angolas endet (11. November 1975), Neto verschwinden werde.

Die Äußerungen Robertos und seine Verhandlungen mit Savimbi sind keine gute Ouvertüre für die Gipfelgespräche in Nairobi. Außerdem droht ein Abbruch der konsularischen Beziehungen zwischen Portugal und Zaire. Portugal beschuldigt Zaire der Einmischung in die inneren Verhältnisse Angolas.

Eine MPLA-Delegation hat soeben Rotchina bereist und ist in Peking offiziell empfangen worden.

Die 24 000 portugiesischen Soldaten, die sich in Angola befinden, sind nicht in der Lage, die Ordnung im Lande aufrechtzuerhalten. Es wird bezweifelt, ob die Portugiesen bereit und in der Lage sind, in neutraler Weise die Ordnung und die Sicherheit wiederherzustellen, wenn Verstärkungen aus dem Mutterlande eintreffen.

Vielmehr wird befürchtet, daß die portugiesischen Soldaten sich auf die Seite der marxistischen MPLA schlagen werden. MPLA, so wird argumentiert, hätte niemals seinen Einfluß in Nord- und Südangola so ausweiten können, wenn die portugiesische Wehrmacht nicht dabei behilflich gewesen wäre.

In Luanda gehen die Kämpfe mit unverminderter Heftigkeit weiter. Man spricht erneut von mehreren hundert Toten. Die Ausgangssperre ist wieder verlängert worden. Sie läuft von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Die Schießereien haben seit der Verlängerung der Ausgangssperre zwar etwas nachgelassen, die allgemeine Unsicherheit bleibt jedoch bestehen. Sporadische Gefechte haben auch in anderen Orten Angolas, im Norden und Süden, stattgefunden.

Die Zahl der Toten in Luanda kann nur geschätzt werden. Grausam verstümmelte Leichen liegen in den Straßen der Vorstädte herum. Auch in Malange, 350 km südlich von Luanda, sind heftige Straßenkämpfe ausgebrochen. Der Eisenbahnverkehr läuft unregelmäßig Die Nahrungsmittelversorgung von Luanda ist schlecht. Die Wasserversorgung ist in verschiedenen Stadtteilen zusammengebrochen.



Zurück nach Portugal

Lourenço Marques – Die in Lourenço Marques erscheinende Zeitung ,Noticas' veröffentlichte gestern eine Liste von 240 portugiesischen Beamten, die sich entschieden haben, mit ihren Familien nach Portugal zurückzukehren und Mosambik nicht weiter nach der Unabhängigkeit zu dienen. Diese Beamten wurden durch die Zeitung verständigt, sich am Mittwoch auf den Flugplätzen von Lourenço Marques oder Beira einzufinden, um an Bord von portugiesischen Charterflugzeugen nach Lissabon zu fliegen. Die portugiesische Regierung hat sich bereit erklärt, alle Beamten mit ihren Familien nach Portugal zu repatriieren, wenn dies gewünscht wird. Die Veröffentlichung weiterer Listen ist in Aussicht gestellt.



Der Haushalt Windhoeks

Windhoek – Die städtische Exekutive verabschiedete gestern den Haushalt für Windhoek in Höhe von 11,5 Millionen Rand für das Finanzjahr Juli 1975 bis Juni 1976. Der Haushaltsplan liegt der Oeffentlichkeit zur Einsicht vor. Die Ausgaben für Katutura und Khomasdal sind in den Plan nicht mit eingerechnet.



Großgeschäft mit Kampfflugzeugen

Brüssel – Belgien beabsichtigt, den Starfighter-Typ seiner Luftwaffe durch 102 amerikanische F-16-Kampfflugzeuge zu ersetzen. Als Alternative auf dem Flugzeugmarkt bot sich ihnen die rivalisierende F-1-Mirage aus Frankreich. Der belgische Ministerpräsident Theo Tindemans muß diesen Beschluß vor einem kritischen Parlament verteidigen. Die französischsprachige Vertretung im Parlament hätte lieber den Typ Mirage in der belgischen Luftwaffe gesehen. Es gilt als sicher, daß Tindemans den Entscheid für die amerikanischen Flugzeuge durchsetzen kann. Drei andere NATO-Länder, Holland, Norwegen und Dänemark, haben sich auch für die F-16 entschieden. Andere Oppositionsparteien im belgischen Parlament kritisieren diesen Antrag, weil sie lie ber europäische Flugzeuge eingekauft hätten.

Insgesamt kommt auf die amerikanische Flugzeugfabrik. General Dynamics Company, ein Auftrag von 350 Flugzeugen im Werte von 2 000 Millionen Dollars zu. Während der Produktionszeit wird der Preis wahrscheinlich wesentlich steigen. Militärexperten rechnen sogar mit einer zehnfachen Zunahme. Holland hat 84, Norwegen 72 und Dänemark 48 Kampfflugzeuge bestellt. Durch den Ankauf der Flugzeuge entstehen in den betroffenen europäischen Ländern 23 000 neue Arbeitsstellen während der nächsten sieben Jahre. Ein Sprecher des amerikanischen Verteidigungsministeriums sagte, daß Europa die meisten Ersatzteile für die F-16 selbst herstellen werde. Auf jede Arbeitsstelle, die durch die F-16 in Europa entsteht, kommen drei bei den amerikanischen Herstellern.



Afrikanische Führer Rhodesiens leben gefährlich

Salisbury – Einer der Führer des African National Council (ANC), Joshua Nkomo, verurteilte gestern schärfstens den Anschlag auf das Leben des Präsidenten des ANC, Bischof Abel Muzorewa. Nkomo, der früher Führer der Zimbabwe African Peoples Union (ZAPU) war, wies auch die Behauptung zurück, daß er ein Geheimabkommen mit Ministerpräsident Ian Smith abgeschlossen habe. Die Täter des Attentats bezeichnete Nkomo als „Feiglinge". Sie seien die größten Feinde im Kampf zur Befreiung Rhodesiens. Ein Sprengkörper war vor Bischof Muzorewas Haus in dem exklusiven afrikanischen Vorort Marimba Park explodiert, wobei die Fensterfront beschädigt wurde, aber niemand der Hausinsassen Verletzungen erlitt. Der Bischof befand sich gerade in einer anderen Ortschaft.

Nach dem Attentat auf Bischof Muzorewa stellt sich die Frage, wie der ANC mit den streitenden Fraktionen fertig werden wird. Der letzte Vorfall ähnelt dem Anschlag auf den ehemaligen Führer der Zimbabwe African National Union (ZANU), Herbert Chitope, der vor seinem Haus in Lusaka umkam. Es hat den Anschein, als ob die rivalisierenden Fraktionen des ANC die Frage der Vorherrschaft gewaltsam lösen wollen. Die Uneinigkeit in den Reihen des ANC schafft schlechte Voraussetzungen für den beabsichtigten ANC-Kongreß am 21. und 22. Juni. Der Kongreß soll zur Vorbereitung auf die Verfassungskonferenz mit der rhodesischen und der britischen Regierung dienen.



Erzbischof Casaroli in Ost-Berlin

Ost-Berlin – Am Montag traf Erzbischof Agostino Casaroli zu einem sechstägigen Besuch in der DDR ein. Der Vatikan hofft, mit den Machthabern im kommunistischen Osteuropa zu neuen Beziehungen zu kommen.

Monsignor Casaroli wurde auf dem Ostberliner Flughafen Schönefeld von seinem Gastgeber, dem Außenminister Oskar Fischer, begrüßt. Casaroli ist der erste Vertreter des Vatikans, der Ost-Berlin zu offiziellen Gesprächen besucht. Vermutlich wird die Regierung der DDR auf den Vatikan Druck ausüben, um die letzten Verbindungen zwischen den ostdeutschen Katholiken und ihren Glaubensbrüdern in der BRD abzubrechen. Seit dem Bau der Berliner Mauer 1961 bestehen die Beziehungen eigentlich nur noch dem Namen nach. denn die Bischöfe der DDR konnten katholischen Tagungen und Konferenzen in der Bundesrepublik seither nicht mehr bewohnen Die vier Diözesen der DDR sind in den letzten zwei Jahren von Administratoren Papst Pauls verwaltet worden Die Spaltung der Katholiken in Deutschland hat sich also eigentlich schon vollzogen, obwohl die katholische Kirche in der Bundesrepublik noch am Reichskonkordat von 1939 festhält und die 1,3 Millionen Katholiken der DDR zu vertreten beansprucht. Die Regierung der DDR weist diesen Anspruch zurück.

In den ersten Tagen seines Besuchs werden sich die Verhandlungen Casarolis mit seinen Gastgebern um einen Interessennusgleich drehen. Während seines Aufenthaltes wird der Erzbischof auch zahlreiche Vertreter der katholischen Kirche treffen und sich auf eine Besichtigungsreise über Dresden, Erfurt, Weimar und zum ehemaligen KZ in Buchenwald begeben.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-07-12

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