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Human Dreams: Nicole Mtawas Hilfe kennt keine Grenzen

Auf einer Farm hat Nicole Mtawa eine Therapiestätte für voll pflegebedürftige Kinder aufgebaut. Es ist nicht ihr einziges Projekt: In Tansania und Indien hat sie weitere Einrichtungen gegründet. Mit ihrem Einsatz sorgt sie für Kinder, die intensive Betreuung benötigen.
Yvonne Jarosch
Die Farm von Nicole Mtawa wirkt wie leer gefegt. Normalerweise ist mehr los. Die Kinder, die von Montag bis Freitag zur Tagespflege auf die Farm kommen, sind noch nicht da. Gerade sind noch auf dem Weg zur Tagesstätte, die etwa 20 Kilometer nördlich von Windhoek liegt. Nur Nicole ist da. Die 45-Jährige hat die Therapiestätte für Kinder in Vollzeitpflege, die zu ihrem Verein Human Dreams e.V. gehört, gegründet. Namibia ist nur eines von drei Ländern, in denen Nicole Einrichtungen gegründet hat. In Tansania hat sie je ein Kinderdorf für vollpflegebedürftige Waisenkinder und eines für Kinder mit alleinerziehenden Eltern errichtet. Und auch in Indien hat sie ein Pflegeheim.

Nicole legt gleich los. Vor ihr liegen die drei Bücher, die sie geschrieben hat. Sie hat viel zu erzählen und nimmt sich die Zeit, auch wenn sie wenig davon hat. Sie muss ständig erreichbar sein – für Mitarbeiter in all ihren Einrichtungen, für Handwerker, Mütter, ihre Volontäre, aber auch für Touristen, die zu den Bushman Walks kommen, die sie nebenbei organisiert.

Ein Lebensweg, viele Begegnungen

„Eigentlich habe ich Bekleidungstechnik studiert“, erzählt Nicole aus ihrer Vergangenheit. Und dann war eine Reise nach Australien irgendwie der Startschuss für alles. Dort war sie als Studentin alleine unterwegs „und das hat mich offen für die Welt gemacht“, erzählt sie. Die ersten Anknüpfungspunkte zur Armut hat sie in Tansania gesammelt. Dann in Indien. Nicole wollte, wie sie sagt, die Armut studieren. In Indien nahm sie sich dann unter anderem Ganesh an, einem bis auf die Knochen abgemagerter Junge in einem Heim.

„Mein Studium habe ich zwar beendet, aber irgendwann wusste ich, Kindern in Not zu helfen, das ist mein Lebensweg“. Und so kam ein Kinderheim zum andern: 2011 Indien, 2013 Tansania, 2021 das in Namibia. Auf Namibia wurde Nicole durch eine Fernsehsendung in Deutschland aufmerksam, wo sie ursprünglich herkommt. „Ich habe zu Hause mit meiner Mutter ‚Bauer sucht Frau‘ geschaut“, erzählt sie. Zwar hat keiner der Farmer sie interessiert – aber Namibia stattdessen.

Inzwischen ist etwas Leben auf dem Gelände. Die Kinder kommen an und werden von ihren Betreuerinnen in das jeweilige Haus gebracht. Die meisten Kinder, die Nicole in der namibischen Therapiestätte aufnimmt, „wären ganz gesunde Kinder gewesen“, erklärt sie. Aber durch Komplikationen bei der Geburt haben sie Gehirnschäden davongetragen. Die einen haben nur eine leichte körperliche Behinderung, andere können nicht alleine sitzen oder den Kopf selber halten. Andere Kinder wiederum sind geistig gegenwärtig, verstehen alles, können aber nicht sprechen.

Wenn dann alle Kinder da sind und auf ihren Decken liegen, bereiten die Mitarbeiterinnen ihnen Frühstück zu. In den beiden Häusern arbeiten jeweils eine Physiotherapeutin und eine Mutter eines Kindes. Außerdem sind auch so gut wie immer Freiwillige aus aller Welt da, „mindestens einer oder sogar mehrere gleichzeitig“, erklärt Nicole.

Therapie mit Herz – und vielen Tieren

Veronika, eine der Physiotherapeutinnen, ist jeden Morgen dabei, wenn die Kinder zu Hause abgeholt werden – und auch wenn sie am Nachmittag nach Hause gebracht werden. Sie streckt und massiert die Kinder täglich. Durch die Übungen können sich die meisten irgendwann ein bisschen fortbewegen. Wie Rauha. Sie will gar nicht auf ihrer Decke bleiben und robbt sich durch das Haus. Vor allem wenn Veronika Musik anmacht, ist sie nicht mehr zu stoppen. „Die Kinder reagieren auf die Musik, das ist ihre Art zu tanzen“, erklärt Veronika.

Der vierjährige Junioa kann noch nicht krabbeln. Aber Veronika ist geduldig, „das muss man sein in diesem Job“. Und sie ist zuversichtlich, dass Junioa auch bald lernt, sich fortzubewegen, wenn sie regelmäßig die Übungen mit ihm macht.

Am Mittag bringen die Betreuerinnen die Kinder meist nach draußen. Sie baden mit ihnen im Pool, schwingen auf den Schaukeln oder gehen zusammen mit ihnen zu den Tieren. Der Ansatz der Therapiestätte ist ein tiergestützter: mit Mini-Ponys, Alpakas, Eseln, Hasen und anderen Tieren. Die Kinder können das Fell anfassen, die Hasen auf den Schoß nehmen und sogar die Ponys striegeln. Das neueste Projekt, das Nicole gerade umsetzt, ist ein Zirkus. „Vielleicht wird das der erste und einzige Zirkus Namibias“, erklärt Nicole stolz. Er soll dann zum Treffpunkt werden, an dem Kinder und Tiere zusammenkommen.

All das, den Zirkus, die Häuser, die Mitarbeitenden und viele mehr finanziert Nicole über Spenden, vorwiegend aus Deutschland und der Schweiz. Die Eltern der Kinder müssen für die vollumfängliche Betreuung keine Gebühren bezahlen. Sie selbst arbeitet dafür hart. Sie ist Bauleiterin, Managerin, Chefin, Mädchen für alles, Spendensammlerin, Botengängerin und vieles mehr. Nicole will sich, aber vor allem ihre Pflegestätten immer weiterentwickeln. Ist ein Projekt abgeschlossen, hast sie schon die nächste Idee. Stillstand mag sie nicht, nur in einer Hinsicht. In Namibia will sie auch in der Zukunft bleiben, hier will sie alt werden.

Yvonne Jarosch

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-03-15

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