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Ein Leopard sorgte dafür, dass ein Klinikbesuch in Windhuk notwendig geworden war.
Ein Leopard sorgte dafür, dass ein Klinikbesuch in Windhuk notwendig geworden war.

Blauer Diamant

51. Folge
Olaf Mueller
51. Folge

Der durch den Krieg am Waterberg schlimme Verletzungen gewohnte und dadurch offensichtlich abgehärtete Dr. Pahl behielt trotz des schrecklichen Ereignisses einen klaren Kopf.

„Fasst mal mit an und dreht ihn vorsichtig auf den Rücken. So ist es gut. Jetzt müsst ihr unter die Arme greifen und ihn vorsichtig in Sitzposition bringen, damit ich ihm einen Verband anlegen kann. Vorher werde ich ihm aber erst einmal eine Beruhigungsspritze geben und dann müssen wir so schnell wie möglich nach Windhuk ins Krankenhaus.“

Und Dr. Pahl gab Alexander die vorhin noch geschmähte Beruhigungsspritze. Dann legte er ihm einen Notverband an, der praktisch nur noch das linke Auge frei ließ. Durch den eng anliegenden Verband schien die Blutung aufgehört zu haben. Gebrochen hatte Alexander sich nach weiteren Untersuchungen durch Dr. Pahl anscheinend nichts.

Dann halfen wir Alexander auf sein Pferd, das tatsächlich nur mit dem Schrecken und einer kleinen Risswunde am Hals davongekommen war und sich inzwischen auch wieder beruhigt hatte. Dr. Pahl desinfizierte auch diese Wunde und klebte ein Pflaster drüber. Reiten konnte Alexander ja noch, da außer dem Gesicht keine anderen Körperteile verletzt waren. Verständlicherweise saß er jetzt nicht mehr in der Pose eines Großwildjägers im Sattel. Nein, zusammengesunken hielt er sich am Zügel fest. Es war ein Bild des Jammers.

Die Schwarzen erhielten den Auftrag, anschließend die Zelte abzubauen und unsere Sachen nach Windhuk zu bringen. Den toten Leopard sollten sie vorsichtshalber mitnehmen und zum Präparator bringen. Vielleicht sollte er nach Alexanders Genesung doch noch ein Kaminvorleger werden oder ausgestopft im Jagdzimmer stehen.

Nachdem Alexander sicher im Sattel saß, saßen wir ebenfalls auf und ritten auf dem schnellsten Wege nach Windhuk ins Krankenhaus. Dort eröffnete man uns nach der ersten Untersuchung, dass zwar keine akute Lebensgefahr bestehe, aber die rechte Gesichtshälfte und das rechte Auge nicht mehr zu retten seien. Ich hielt mir das rechte Auge zu, um festzustellen wie das Sehen mit nur einem Auge funktionierte. Es war zwar etwas unangenehm, weil man Entfernungen schlecht schätzen konnte, aber es war natürlich besser, als gar nichts zu sehen.

Anschließend beratschlagten wir, wie wir es und wer Julia den Unfall ihres Mannes beibringen sollte. Ich erklärte mich bereit, zur Farm zu reiten und die traurige Botschaft zu übermitteln. Dr. Pahl, erfahren im Umgang mit traurigen Situationen, wollte mich nicht allein reiten lassen und war ebenfalls bereit, mitzukommen. So ritten wir also gleich wieder mit frischen Pferden zu zweit zur Farm hinaus. Unterwegs unterhielten wir uns natürlich noch über den Unfall und ich sprach von meinen mir selbst gemachten Vorwürfen, dass der Unfall sicher nicht passiert wäre, hätte ich nicht erschreckt aufgeschrien. Aber Dr. Pahl war auch der Meinung, dass ein Schreckensschrei in einer solchen Situation eine normale Reaktion sei und kaum unterdrückt werden könne. Ich sollte mir deshalb keine Vorwürfe machen. Der Leopard war ja bereits im Sprung gewesen, als ich erschreckt aufgeschrieen habe. Also war der Aufschrei kein Auslöser für den Sprung. Ich war ob seiner Meinung etwas beruhigt.

Nach einer Stunde scharfen Rittes erreichten wir den Torbogen der Farm und legten auch die letzten 300 Meter im Galopp zurück. Julia hatte offensichtlich das Pferdegetrappel gehört und war zur Eingangstür geeilt. Als wir die Pferde am Querbalken befestigten trat sie aus dem Haus. Irritiert sah sie, dass wir nur zu zweit gekommen waren und ihr Mann nicht dabei war. Sie sah uns fragend an. Ihr schwante nichts Gutes.

„Wo habt ihr Alexander gelassen?“, waren ihre ersten Worte. Die Angestellten waren also noch nicht da und somit war Julia noch ahnungslos. Bevor ich mir eine Antwort zurechtgelegt hatte, sagte Dr. Pahl schon zu ihr: „Gnädige Frau, wir kommen leider mit einer unangenehmen Nachricht.“ Und er fuhr fort, als Julia daraufhin blass wurde: „Nein, keine Angst, Ihr Mann lebt und es besteht keine Lebensgefahr, aber er hatte einen Zusammenstoß mit einem Leopard. Der hat ihn leider am Kopf erwischt. Wir haben ihn gleich nach Windhuk ins Krankenhaus gebracht und man hat ihn erst einmal dortbehalten.

Die Ärzte versuchen, sein Gesicht zu retten.“ Julia erstarrte und wurde aschfahl. Ich sah, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch war und ging zu ihr, um sie zu stützen. „Julia, die Ärzte tun alles, was in ihrer Macht steht. Leider hat der Leopard Alexander voll an der rechten Gesichtshälfte erwischt. Wie schwer die Verletzungen sind, konnten wir noch nicht feststellen. Aber ich fürchte, die rechte Seite wird im Moment etwas entstellt sein.“ Ich kam mir so hilflos vor und wusste in dieser Situation nicht, was ich tun sollte um Julia zu trösten. Am liebsten hätte ich sie in den Arm genommen, aber was würde dann Dr. Pahl denken? Und Julia würde das in dieser Situation wohl auch nicht wollen.

„Ich muss sofort zu ihm. Kommt, wir brechen sofort auf.“ Sie hatte sich wieder gefangen, schnappte sich eine Jacke und war schon draußen, um zu ihrem Pferd zu laufen. Wir hetzten hinterher und waren kurz darauf wieder auf dem Weg nach Windhuk. Unterwegs wollte sie wissen, was wie passiert war. Ich sprach dabei nicht von den Vorwürfen, die ich mir gemacht hatte. Nein, es war reiner Zufall, dass es ihn erwischt hatte. Wäre er nicht so ehrgeizig gewesen, unbedingt den Leopard erlegen und deshalb die Spitze übernehmen zu wollen, hätte es wahrscheinlich einen anderen von uns getroffen.

Vor dem Krankenhaus sagte Julia zu uns, sie wolle allein zu ihrem Mann gehen. Das war verständlich. Als wir uns anboten, sie später nach Hause zu begleiten, wehrte sie ab und sagte, sie wolle die Nacht im Krankenhaus bleiben. Also blieb uns nichts weiter übrig, als uns zu verabschieden. Ich nahm ihre beiden Hände und hielt sie fest, während ich ihr sagte, sie könne jederzeit auf mich zählen. Wenn ich irgendetwas tun könnte, egal was, bräuchte sie mir nur eine Nachricht zukommen lassen, ich würde sofort kommen.

„Das ist lieb von dir“, meinte sie. „Wir werden sehen. Zunächst kann mir aber keiner helfen. Ich muss erst sehen, wie es Alexander geht.“ Die Pflicht der Ehefrau, sagte ich mir. Oder empfand sie doch mehr für ihren Mann als ich geglaubt hatte?

Am nächsten Abend ging ich zusammen mit Herrn Breuer ins Krankenhaus, um Alexander zu besuchen und um zu sehen, was die Ärzte meinten. Julia war inzwischen zur Farm geritten, da man dort keine Ahnung von dem Unfall hatte. Als wir an das Krankenbett traten, fanden wir einen gefassten Alexander vor. Dreiviertel seines Kopfes und die gesamte rechte Gesichtshälfte waren unter einem dicken Verband verschwunden. Die Ärzte hatten ihm mitgeteilt, dass es wahrscheinlich keine gravierenden Komplikationen geben werde. Das rechte Auge war berraschenderweise intakt, nur die Augenbrauen und das Augenlid waren wie auch die Wange weggerissen worden. Man würde alles, so gut es ging, zusammenflicken. Er müsse sich allerdings darauf einstellen, dass die rechte Gesichtshälfte nicht mehr in den alten Zustand zu versetzen wäre. Man müsse abwarten. Wir blieben noch eine Weile und verabschiedeten uns dann mit der Hoffnung, dass alles gut werde. Vor der Tür meinte Herr Breuer, er befürchte, dass Alexander völlig entstellt bleiben würde. Eine solche Wunde würde nie wieder zu einer gleichmäßigen Hautbildung in der Lage sein. Und die abgerissenen Muskeln werden sich auch nicht wieder perfekt nachbilden und wie früher funktionieren. Ich konnte mir das auch nicht vorstellen. Arme Julia. Was kam da auf sie zu.

Erst am Donnerstagvormittag hatte ich Zeit, zu Julia zur Farm hinauszureiten. Als ich ankam, war sie gerade im Begriff, sich für den Besuch im Krankenhaus fertig zu machen. Ich versuchte, sie in den Arm zu nehmen, um sie zu trösten, aber sie war in diesem Moment anscheinend nicht in der passenden Stimmung. So ritten wir, kaum dass ich angekommen war, schon wieder Richtung Windhuk. Während des Rittes sprachen wir kaum miteinander. Nach etwa einer halben Stunde zog Julia plötzlich die Zügel an und stieg von ihrem Schimmel. Ich saß ebenfalls ab und ging zu ihr. Und da brach es plötzlich aus ihr heraus. Sie weinte und schluchzte zum Gotterbarmen und schmiegte sich an mich. Ich nahm sie fest in meine Arme und drückte sie an mich und küsste ihre Tränen weg. Wir setzten uns auf einen Fels. Julia lehnte sich an mich und so saßen wir eine Weile, ohne zu reden. Leise begann Julia plötzlich über ihre Zukunftsängste zu sprechen. Sie fragte sich, ob sie damit fertig würde, an der Seite eines fürchterlich entstellten Menschen leben zu müssen. Die Ärzte hatten ihr gesagt, dass man bei der schweren Verletzung die rechte Gesichtshälfte nicht mehr retten könne. Der Leopard hatte nicht nur die Haut, sondern auch die Gesichtsmuskeln und Nerven weggerissen. Julia befürchtete, dass Alexander mit einem entstellten Aussehen sicherlich auch Probleme bei seinen Geschäften in Europa haben könnte. Deshalb hatte sie inzwischen ein Telegramm an Alexanders jüngeren Bruder Robert geschickt, der ebenfalls in der Familienfirma tätig war. Er würde zunächst in Europa die Geschäfte weiterführen, aber auch den Einkauf der Edelsteine mit übernehmen müssen. Vom Bruder Robert hatte ich bisher nichts gehört, aber für das Geschäft war das vielleicht die Rettung. Jetzt war mir auch klar, weshalb Alexander solange auf seiner Farm verweilen konnte, ohne sich um das Geschäft in Europa zu kümmern. Ich wusste praktisch nichts über Julias angeheiratete Familie und Julia hatte nie davon erzählt. Nun, ich war auch nicht sehr daran interessiert, ständig über meinen Rivalen zu sprechen. Dass alles noch viel geheimnisvoller mit Alexander war, konnte ich zu dieser Zeit nicht ahnen.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2025-06-22

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