Blauer Diamant
„Blauer Diamant" ist ein detailreicher und lesenswerter Roman über den Lebensweg eines Einwanderers in Deutsch-Südwestafrika zur Zeit der großen Diamantenfunde. Lassen Sie sich in das Jahr 1909 versetzen und fahren mit Willy, der Hauptperson dieses Romans, nach Südwestafrika nach Lüderitzbucht. In der Nähe hatte man Diamanten entdeckt. Wer ist die schöne Fremde auf dem Schiff Windhuk? Kann der reiche Diamanthändler Alexander Winter, Besitzer der Farm BLAUER DIAMANT, mit seinem von einem Leoparden entstellten Gesicht psychisch fertig werden? Wie war das beim Bau der Bahntrasse von Windhoek nach Keetmanshoop und wie heilte der Medizinmann Willy?
46. Folge
Am Nachmittag des folgenden Tages war ich um 17.30 Uhr wieder im Camp zur Stelle. Der Medizinmann erschien wie gestern in furchteinflößender Bemalung mit weißen Streifen auf der fast schwarzen Haut. In der linken Hand trug er einen Korb mit einem Deckel, in der rechten Hand einen Wedel und vor seinem Bauch baumelte ein Beutel.
Chefingenieur Wagner hatte mitten auf dem Zeremonienplatz einen Stuhl für mich hingestellt, die Vorarbeiter und sämtliche schwarzen Arbeiter waren ebenfalls zur Stelle. Es war immer wieder ein Spektakel für alle, wenn der Medizinmann erschien. Insbesondere natürlich für die, die nur Zuschauer waren. Ansonsten gab es hier in der Wildnis ja auch wenig Abwechslung. Heute war ich die Hauptperson in diesem Stück. Mir war nicht ganz wohl dabei. Ich wäre auch lieber Zuschauer gewesen.
Der Medizinmann verlangte zunächst nach einem Becher mit heißem Wasser, der ihm von einem Vorarbeiter gebracht wurde. Dann kramte er in seiner Ledertasche, nahm den Becher und gab ein paar Kräuter, die er in seiner Tasche gefunden hatte, hinein. Sodann stellte er den Becher zur Seite und ließ die Kräuter in dem heißen Wasser ziehen. Darauf öffnete er unter einem unverständlichen Singsang seinen Korb und entnahm ihm zu meinem Entsetzen eine etwa einen Meter lange, auffällig gemusterte Schlange.
Was sollte das denn werden? Schlangen gehörten zu den Tieren, die ich, wie zum Beispiel auch Spinnen und Skorpione, überhaupt nicht mag. Jetzt erst wurde mir bewusst, dass ich zum Mittelpunkt des Geschehens wurde. Der Medizinmann nahm die Schlange mit beiden Händen, hielt sie über seinem Kopf und tanzte unter dem mir unverständlichen Singsang um mich herum.
Vergifteter Tee
Nach einer quälend langen Minute hielt er ein, fasste die Schlange hinter dem Kopf und drückte mit Daumen und Zeigefinger kräftig zu. Die Schlange öffnete unter diesem Druck ihr Maul und unser Medizinmann hielt ihr einen zweiten kleinen Becher, den er ebenfalls in seiner unergründlichen Tasche mitgebracht hatte, zwischen die Kiefer. Geschickt strich er ihr seitlich über die Giftdrüsen, so dass das Gift in den Becher floss. Die Schlange kam daraufhin zurück in den Korb. Mit einem Holzstab rührte er den Inhalt des großen Bechers um und nahm die Kräuter heraus. Von dem Sud goss er ein wenig in den kleinen Becher mit dem Schlangengift, rührte ebenfalls um und goss den Inhalt des kleinen Bechers in den großen. Den Becher mit dem Kräuterextrakt und dem Schlangengift reichte er mir und bedeutete mir, alles auszutrinken. Ich zögerte verständlicherweise. Den vergifteten Tee wollte ich nun doch nicht trinken. Aber der schwarze Karl ließ keinen Zweifel aufkommen, der Medizinmann bestand darauf, ich müsse den Becher leeren. Die Zuschauer blickten gespannt auf mich.
„Ich möchte dann aber schnell vorher mein Testament machen“, rief ich, völlig von dem Ansinnen des Medizinmannes überrascht, Wagner zu. Der meinte jedoch, ich solle keine Angst haben, mit dem Testament hätte es noch Zeit. Schlangengift ist nur gefährlich, wenn es durch einen Biss direkt in die Blutbahn gelangt. In einem Cocktail getrunken ist es wesentlich ungefährlicher. Der Mann hatte gut reden, er musste das Zeug ja nicht trinken.
Ich sah mich noch ein vielleicht letztes Mal um. Es war eine malerische Kulisse. Die Sonne stand inzwischen tief über dem felsigen Horizont und tauchte die Basaltfelsen im Hintergrund bereits in ein rötliches Licht, während die Umstehenden mich interessiert musterten.
Das Leben war doch schön, dachte ich und hatte verständlicherweise keine Lust, gleich für immer zu gehen. Andererseits konnte ich die Wartenden jedoch auch nicht enttäuschen. In großer Selbstüberwindung, quasi den Tod vor Augen, leerte ich den Becher, wie einstmals vor mir Sokrates den Schierlingsbecher. Allerdings hatte der den sicheren Tod vor Augen. Meine Chancen waren da hoffentlich etwas besser. Der Medizinmann umkreiste mich noch einige Male und schwenkte dabei einen Wedel in der Luft.
Gehör und Sehschärfe verbessert
Nachdem ich den Becher geleert hatte, rechnete ich damit, gleich in Ohnmacht zu fallen. Doch zunächst passierte nichts. Dann durchströmte ein angenehmes Wärmegefühl meinen Magen und breitete sich aus. Es dauerte schätzungsweise vielleicht zehn Minuten, da ergriff mich ein eigenartiges Gefühl. Die Umgebung wurde so unwirklich. Mein Puls beschleunigte sich und meine Empfindungen veränderten sich. Es schien, als würden sich mein Gehör und meine Sehschärfe deutlich verbessern. Alle Geräusche waren überlaut und ich konnte die entferntesten Laute und Gespräche klar und deutlich vernehmen. Jetzt konnte ich, wie man so sagt, sogar die Flöhe husten hören. Ebenso hatte sich die Sehschärfe enorm gesteigert. Weit entfernte Objekte konnte ich wie ein Adler im Detail erkennen. Es war phantastisch. Das wäre etwas für Spione, ging es mir durch den Kopf. Gespräche aus großer Distanz belauschen und geheime Nachrichten am anderen Ende des Restaurants mitlesen, ausgezeichnet! Ansonsten ging es mir gut. Keine Übelkeit, kein Schwindelgefühl, und alle übrigen Körperfunktionen blieben offensichtlich normal.
Diese ungewöhnlichen Fähigkeiten hielten über eine Stunde an. Das Unangenehme in dieser Zeit war, dass alle Umstehenden nach meinem Empfinden einen Heidenlärm veranstalteten.
Wagner kam auf mich zu.
„Für seine Bemühungen möchte der Medizinmann dieses Mal eine ganze Flasche Rum und zwei Tüten Zucker dazu noch ein großes Messer und Streichhölzer. Die Schlange ist selten und so schwer zu fangen und bedingt den höheren Preis.“
„Soll er ja haben, aber brüll mich nicht so an!“, reagierte ich unbeherrscht.
„Tu ich doch gar nicht“, meinte Wagner irritiert.
„Entschuldigung“, sagte ich mit leiser Stimme, „aber Ihre Worte waren wie Donner in meinen Ohren. Der verflixte Trank hat meinen Hörsinn überempfindlich gemacht.“
Natürlich war ich damit einverstanden, den Medizinmann zufriedenzustellen. Schließlich hatte er sich sehr viel Mühe gegeben. Dafür musste ich aber erst zu meinem Store gehen, um die gewünschten Sachen zu holen. Unterwegs war es unheimlich. Überall hörte ich es knacken, zirpen und summen. Es gab vielfältige Geräusche, die ich früher nie gehört hatte.
Als ich zurückkam, nahm der Medizinmann gerade das Messer und tötete die Schlange durch einen Stich von oben direkt hinter den Kopf. Dann häutete er die Schlange sorgfältig und überreichte mir die Haut. Chefingenieur Wagner erklärte mir, ich könne die Schlangenhaut später mit Salz präparieren. So hätte ich ein schönes Andenken an diese denkwürdige Behandlung.
Inzwischen hatte der Medizinmann ein kleines Feuer entfacht und briet die gehäutete, auf einen Stock gespießte Schlange über den lodernden Flammen. Als sie gar war, reichte er mir ein Stück, das ich essen sollte. Ich wusste, das durfte ich nicht ausschlagen und überwand meinen Ekel. Schmeckte gar nicht schlecht! Es fehlte nur Salz und Pfeffer. Die geforderten Utensilien, den Rum, Zucker, das Messer und die Streichhölzer steckte der Medizinmann ein.
Wenn ich nur wüsste, was für Kräuter der Medizinmann verwendet hatte und wo man diese offenbar seltenere Schlange findet, man könnte sicher in der Heimat ein gutes Geschäft damit machen. Ich könnte in Deutschland als Wunderheiler auftreten oder den Geheimdienst beliefern. Doch der sture Medizinmann würde mir sein Rezept sicher nie verraten. Würde ich an seiner Stelle ja auch nicht.
Wagner sagte mir, als ich gehen wollte, ich solle die Schlangenhaut am besten heute noch einsalzen. Gesagt, getan! Ich habe die Haut sorgfältig von beiden Seiten mit Viehsalz eingerieben und die so präparierte Schlangenhaut in mei¬nem Store zum Trocknen in eine Ecke gelegt.
Als ich nach drei Tagen meine Trophäe vom Salz befreien wollte, fielen mit dem Salz alle Schuppen bei der geringsten Bewegung von der Unterhaut ab und die Musterung war futsch. Ich war enttäuscht. Mein schönes Dekorationsstück war hin. Ich erzählte dem Chefingenieur von diesem Malheur und der schüttelte nur den Kopf.
„Verstehe ich nicht. Was haben Sie denn da gemacht?“, wollte er wissen.
„Wieso? Ich habe die Haut nur gesalzen, wie Sie mir gesagt haben!“ Ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte.
„Und was für Salz haben Sie genommen?“
„Wieso was für Salz? Na Viehsalz, was denn sonst?“
„Wie konnten Sie denn Viehsalz nehmen?“
„Wie? Was heißt, wie konnten Sie Viehsalz nehmen?“
„Da hätten Sie doch normales, feines Kochsalz nehmen müssen, aber kein aggressives Viehsalz. Das hält die beste Schlangenhaut nicht aus.“
„Das haben Sie mir aber nicht gesagt! Wozu heißt denn das Viehsalz Viehsalz, wenn es für das Vieh, und Schlangen gehören doch wohl auch dazu, nicht geeignet ist?“, verteidigte ich mich.
„Das ist nun mal so. Es ist zu aggressiv“, war der nicht sehr aufschlussreiche Kommentar von Wagner. Was sollte ich dazu sagen? Hin ist hin.
Übrigens, die Behandlung mit dem Schlangengiftcocktail war ein voller Erfolg. Ich wurde nicht mehr von quälenden Pieptönen heimgesucht. Bis heute nicht.
Am Nachmittag des folgenden Tages war ich um 17.30 Uhr wieder im Camp zur Stelle. Der Medizinmann erschien wie gestern in furchteinflößender Bemalung mit weißen Streifen auf der fast schwarzen Haut. In der linken Hand trug er einen Korb mit einem Deckel, in der rechten Hand einen Wedel und vor seinem Bauch baumelte ein Beutel.
Chefingenieur Wagner hatte mitten auf dem Zeremonienplatz einen Stuhl für mich hingestellt, die Vorarbeiter und sämtliche schwarzen Arbeiter waren ebenfalls zur Stelle. Es war immer wieder ein Spektakel für alle, wenn der Medizinmann erschien. Insbesondere natürlich für die, die nur Zuschauer waren. Ansonsten gab es hier in der Wildnis ja auch wenig Abwechslung. Heute war ich die Hauptperson in diesem Stück. Mir war nicht ganz wohl dabei. Ich wäre auch lieber Zuschauer gewesen.
Der Medizinmann verlangte zunächst nach einem Becher mit heißem Wasser, der ihm von einem Vorarbeiter gebracht wurde. Dann kramte er in seiner Ledertasche, nahm den Becher und gab ein paar Kräuter, die er in seiner Tasche gefunden hatte, hinein. Sodann stellte er den Becher zur Seite und ließ die Kräuter in dem heißen Wasser ziehen. Darauf öffnete er unter einem unverständlichen Singsang seinen Korb und entnahm ihm zu meinem Entsetzen eine etwa einen Meter lange, auffällig gemusterte Schlange.
Was sollte das denn werden? Schlangen gehörten zu den Tieren, die ich, wie zum Beispiel auch Spinnen und Skorpione, überhaupt nicht mag. Jetzt erst wurde mir bewusst, dass ich zum Mittelpunkt des Geschehens wurde. Der Medizinmann nahm die Schlange mit beiden Händen, hielt sie über seinem Kopf und tanzte unter dem mir unverständlichen Singsang um mich herum.
Vergifteter Tee
Nach einer quälend langen Minute hielt er ein, fasste die Schlange hinter dem Kopf und drückte mit Daumen und Zeigefinger kräftig zu. Die Schlange öffnete unter diesem Druck ihr Maul und unser Medizinmann hielt ihr einen zweiten kleinen Becher, den er ebenfalls in seiner unergründlichen Tasche mitgebracht hatte, zwischen die Kiefer. Geschickt strich er ihr seitlich über die Giftdrüsen, so dass das Gift in den Becher floss. Die Schlange kam daraufhin zurück in den Korb. Mit einem Holzstab rührte er den Inhalt des großen Bechers um und nahm die Kräuter heraus. Von dem Sud goss er ein wenig in den kleinen Becher mit dem Schlangengift, rührte ebenfalls um und goss den Inhalt des kleinen Bechers in den großen. Den Becher mit dem Kräuterextrakt und dem Schlangengift reichte er mir und bedeutete mir, alles auszutrinken. Ich zögerte verständlicherweise. Den vergifteten Tee wollte ich nun doch nicht trinken. Aber der schwarze Karl ließ keinen Zweifel aufkommen, der Medizinmann bestand darauf, ich müsse den Becher leeren. Die Zuschauer blickten gespannt auf mich.
„Ich möchte dann aber schnell vorher mein Testament machen“, rief ich, völlig von dem Ansinnen des Medizinmannes überrascht, Wagner zu. Der meinte jedoch, ich solle keine Angst haben, mit dem Testament hätte es noch Zeit. Schlangengift ist nur gefährlich, wenn es durch einen Biss direkt in die Blutbahn gelangt. In einem Cocktail getrunken ist es wesentlich ungefährlicher. Der Mann hatte gut reden, er musste das Zeug ja nicht trinken.
Ich sah mich noch ein vielleicht letztes Mal um. Es war eine malerische Kulisse. Die Sonne stand inzwischen tief über dem felsigen Horizont und tauchte die Basaltfelsen im Hintergrund bereits in ein rötliches Licht, während die Umstehenden mich interessiert musterten.
Das Leben war doch schön, dachte ich und hatte verständlicherweise keine Lust, gleich für immer zu gehen. Andererseits konnte ich die Wartenden jedoch auch nicht enttäuschen. In großer Selbstüberwindung, quasi den Tod vor Augen, leerte ich den Becher, wie einstmals vor mir Sokrates den Schierlingsbecher. Allerdings hatte der den sicheren Tod vor Augen. Meine Chancen waren da hoffentlich etwas besser. Der Medizinmann umkreiste mich noch einige Male und schwenkte dabei einen Wedel in der Luft.
Gehör und Sehschärfe verbessert
Nachdem ich den Becher geleert hatte, rechnete ich damit, gleich in Ohnmacht zu fallen. Doch zunächst passierte nichts. Dann durchströmte ein angenehmes Wärmegefühl meinen Magen und breitete sich aus. Es dauerte schätzungsweise vielleicht zehn Minuten, da ergriff mich ein eigenartiges Gefühl. Die Umgebung wurde so unwirklich. Mein Puls beschleunigte sich und meine Empfindungen veränderten sich. Es schien, als würden sich mein Gehör und meine Sehschärfe deutlich verbessern. Alle Geräusche waren überlaut und ich konnte die entferntesten Laute und Gespräche klar und deutlich vernehmen. Jetzt konnte ich, wie man so sagt, sogar die Flöhe husten hören. Ebenso hatte sich die Sehschärfe enorm gesteigert. Weit entfernte Objekte konnte ich wie ein Adler im Detail erkennen. Es war phantastisch. Das wäre etwas für Spione, ging es mir durch den Kopf. Gespräche aus großer Distanz belauschen und geheime Nachrichten am anderen Ende des Restaurants mitlesen, ausgezeichnet! Ansonsten ging es mir gut. Keine Übelkeit, kein Schwindelgefühl, und alle übrigen Körperfunktionen blieben offensichtlich normal.
Diese ungewöhnlichen Fähigkeiten hielten über eine Stunde an. Das Unangenehme in dieser Zeit war, dass alle Umstehenden nach meinem Empfinden einen Heidenlärm veranstalteten.
Wagner kam auf mich zu.
„Für seine Bemühungen möchte der Medizinmann dieses Mal eine ganze Flasche Rum und zwei Tüten Zucker dazu noch ein großes Messer und Streichhölzer. Die Schlange ist selten und so schwer zu fangen und bedingt den höheren Preis.“
„Soll er ja haben, aber brüll mich nicht so an!“, reagierte ich unbeherrscht.
„Tu ich doch gar nicht“, meinte Wagner irritiert.
„Entschuldigung“, sagte ich mit leiser Stimme, „aber Ihre Worte waren wie Donner in meinen Ohren. Der verflixte Trank hat meinen Hörsinn überempfindlich gemacht.“
Natürlich war ich damit einverstanden, den Medizinmann zufriedenzustellen. Schließlich hatte er sich sehr viel Mühe gegeben. Dafür musste ich aber erst zu meinem Store gehen, um die gewünschten Sachen zu holen. Unterwegs war es unheimlich. Überall hörte ich es knacken, zirpen und summen. Es gab vielfältige Geräusche, die ich früher nie gehört hatte.
Als ich zurückkam, nahm der Medizinmann gerade das Messer und tötete die Schlange durch einen Stich von oben direkt hinter den Kopf. Dann häutete er die Schlange sorgfältig und überreichte mir die Haut. Chefingenieur Wagner erklärte mir, ich könne die Schlangenhaut später mit Salz präparieren. So hätte ich ein schönes Andenken an diese denkwürdige Behandlung.
Inzwischen hatte der Medizinmann ein kleines Feuer entfacht und briet die gehäutete, auf einen Stock gespießte Schlange über den lodernden Flammen. Als sie gar war, reichte er mir ein Stück, das ich essen sollte. Ich wusste, das durfte ich nicht ausschlagen und überwand meinen Ekel. Schmeckte gar nicht schlecht! Es fehlte nur Salz und Pfeffer. Die geforderten Utensilien, den Rum, Zucker, das Messer und die Streichhölzer steckte der Medizinmann ein.
Wenn ich nur wüsste, was für Kräuter der Medizinmann verwendet hatte und wo man diese offenbar seltenere Schlange findet, man könnte sicher in der Heimat ein gutes Geschäft damit machen. Ich könnte in Deutschland als Wunderheiler auftreten oder den Geheimdienst beliefern. Doch der sture Medizinmann würde mir sein Rezept sicher nie verraten. Würde ich an seiner Stelle ja auch nicht.
Wagner sagte mir, als ich gehen wollte, ich solle die Schlangenhaut am besten heute noch einsalzen. Gesagt, getan! Ich habe die Haut sorgfältig von beiden Seiten mit Viehsalz eingerieben und die so präparierte Schlangenhaut in mei¬nem Store zum Trocknen in eine Ecke gelegt.
Als ich nach drei Tagen meine Trophäe vom Salz befreien wollte, fielen mit dem Salz alle Schuppen bei der geringsten Bewegung von der Unterhaut ab und die Musterung war futsch. Ich war enttäuscht. Mein schönes Dekorationsstück war hin. Ich erzählte dem Chefingenieur von diesem Malheur und der schüttelte nur den Kopf.
„Verstehe ich nicht. Was haben Sie denn da gemacht?“, wollte er wissen.
„Wieso? Ich habe die Haut nur gesalzen, wie Sie mir gesagt haben!“ Ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte.
„Und was für Salz haben Sie genommen?“
„Wieso was für Salz? Na Viehsalz, was denn sonst?“
„Wie konnten Sie denn Viehsalz nehmen?“
„Wie? Was heißt, wie konnten Sie Viehsalz nehmen?“
„Da hätten Sie doch normales, feines Kochsalz nehmen müssen, aber kein aggressives Viehsalz. Das hält die beste Schlangenhaut nicht aus.“
„Das haben Sie mir aber nicht gesagt! Wozu heißt denn das Viehsalz Viehsalz, wenn es für das Vieh, und Schlangen gehören doch wohl auch dazu, nicht geeignet ist?“, verteidigte ich mich.
„Das ist nun mal so. Es ist zu aggressiv“, war der nicht sehr aufschlussreiche Kommentar von Wagner. Was sollte ich dazu sagen? Hin ist hin.
Übrigens, die Behandlung mit dem Schlangengiftcocktail war ein voller Erfolg. Ich wurde nicht mehr von quälenden Pieptönen heimgesucht. Bis heute nicht.
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Allgemeine Zeitung
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