NNOC vergibt zehn Olympia-Tickets
Von Robby Echelmeyer
Windhoek
Am Samstag präsentierte Namibias Olympia-Komitee (NNOC) im Windhoeker Einkaufszentrum Maerua Mall seinen endgültigen Kader für die bevorstehenden Spiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August). Wie die AZ bereits verkündet hatte, entsendet das NNOC insgesamt zehn Akteure zur größten Sportveranstaltung der Welt. Das Aufgebot besteht aus sechs Frauen (Marathon: Alina Armas, Helalia Johannes, Beata Naigambo; Straßenradsport: Vera Adrian; Mountainbike: Michelle Vorster; Trapschießen: Gaby Ahrens) und vier Männern (Marathon: Mynhardt Kauanivi, Straßenradsport: Dan Craven; Boxen: Jonas Junias, Mathias Hamunyela).
Kurzstreckenläuferin Tjipekapora Herunga wurde dagegen wie erwartet nicht berücksichtigt. „Der Fall ist abgeschlossen. Für die Leichtathletikwettbewerbe war am 11. Juli Anmeldeschluss. Am 18. Juli haben wir den endgültigen Kader nominiert. Akkreditierungen sind jetzt gar nicht mehr möglich“, erklärte NNOC-Präsident Abner Xoagub am Rande der öffentlichen Veranstaltung gegenüber Medienvertretern.
Der Fall der 28-jährigen Herunga, die bei Olympia 2012 in London auf ihrer Paradestrecke über 400 Meter bis ins Halbfinale gestürmt war, hat das Verhältnis zwischen dem NNOC und dem nationalen Leichtathletikverband (AN) schwer belastet. Das seit April 2015 von Xoagub geleitete Komitee will die Rio-Qualifikation der Sprinterin nicht anerkennen, obwohl Herunga die vom Weltleichtathletikverband IAAF geforderte Norm (52,20 Sekunden) bei den All Africa Games 2015 in Kongo-Brazzaville (51,51 und 51,55) sowie bei einem Meeting in Jamaikas Hauptstadt Kingston am 9. April dieses Jahres (52,03) dreimal fristgerecht unterboten hat.
„Vor zwei Jahren wurde klar kommuniziert, dass die Norm zweimal geschafft werden muss und die All Africa Games kein Qualifikationsevent sind“, wiederholte Xaogub gebetsmühlenartig. Herunga war die letzte Hoffnungsträgerin der Verfechter des „Vision 2016“-Projekts. Das namibische Sportministerium hatte dieses im September 2013 gestartet. Geplant war, die Top-Sprinter des Landes auf Jamaika durch das gemeinsame Training mit Superstars der Szene wie Usain Bolt und Shelly-Ann Fraser-Pryce pünktlich für das Ringe-Spektakel in Rio auf Weltklasseniveau zu hieven. Stattdessen sind die Medaillenträume nun sogar bereits vor Beginn des internationalen Kräftemessens am Zuckerhut geplatzt. Zum zweiten Mal nach 2008 ist Namibia seit seiner Olympia-Premiere vor 24 Jahren in den Sprintdisziplinen der Leichtathletik nicht vertreten. Die letzten Silberläufe von Frank Fredericks (1992 in Barcelona sowie 1996 in Athen jeweils über 100 und 200 m) liegen mittlerweile zwei Jahrzehnte zurück. Ob und wann jemand in seine großen Fußstapfen treten kann, ist derzeit ebenso ungewiss wie ein Olympia-Comeback von Herunga 2020 in Tokio.
„Ich bin am Boden zerstört und weine jede Nacht. Es ist die schlimmste Zeit meines Lebens“, schrieb die dreifache Bronzemedaillengewinnerin bei Panafrikanischen Spielen (2011 in Maputo über 200 und 400 m sowie 2015 in Brazzaville über 400 m) in einer E-Mail, die ihr Trainer Letu Hamhola am 19. Juli nach einem Wettkampf in Padua an hiesige Medienvertreter schickte (AZ berichtete). Von ihrem endgültigen Rio-Aus erfuhr Herunga dann wenige Tage später während eines Trainingslagers im Badeort Lignano an der italienischen Adriaküste. Doch damit nicht genug: Neben der sportlichen Karriere droht auch ihre Hochschulausbildung ins Stocken zu geraten.
„Wir sind kein Bildungsministerium, sondern für Sport, Jugend und nationalen Service zuständig“, betonte Vizeministerin Agnes Tjongarero bei der Vorstellung der namibischen Olympia-Starter. Herunga und die ebenfalls im Zuge des „Vision 2016“-Projekts nach Jamaika entsandten Lilianne Klaasman, Keshia Kalomo, Mberihonga Kandovazu, Globine Mayova, Gilbert Hainuca, Francis Uatema, Hitjivirue Kaanjuka, Jesse Uri-Khob und Adiel van Wyk haben parallel zum Trainingsprogramm auf der Karibikinsel an der University of Technology in der Hauptstadt Kingston studiert.
„Sie müssen zurückkommen und sich hier in Namibia um ein Stipendium oder einen Kredit bemühen, damit sie ihr Studium fortsetzen können“, sagte Tjongarero. Das Sportministerium werde die finanzielle Förderung der Sprinter zeitnah und komplett einstellen. Dem Vernehmen nach sind insgesamt mehr als zehn Millionen N$ an Steuergeldern in das Projekt geflossen. „Das Programm lief unter dem Titel ‚Vision 2016’. Nun sind wir im Jahr 2016 und nicht ein einziger dieser Athleten hat sich für Olympia qualifiziert“, polterte die ehemalige NNOC-Präsidentin. Eine Fortführung dieses „gescheiterten Projekts“ wäre Geldverschwendung. Tjongarero: „Sie haben ihre Chance bekommen und nicht genutzt. Jetzt müssen sie Platz machen für neue Talente.“ Projektleiter Hamhola zeigte sich angesichts der jüngsten Entwicklungen überrascht: „Ich wusste nicht, dass sie sofort den Stecker ziehen wollen, obwohl die Athleten ihr Studium noch nicht beendet haben.“ Weitere Kommentare ließ sich der AN-Coach nicht entlocken. Der Leichtathletikverband und das NNOC kommunizieren derzeit – offenbar aufgrund persönlicher Animositäten – nicht direkt miteinander.
Tjongarero richtet ihren Blick indes bereits in die Zukunft. „Ich arbeite gerade an einer Initiative, um die Basis zu stärken. Wir müssen in den Schulen ein solides Fundament legen“, erläuterte die langjährige Funktionärin. Ein Dorn im Auge ist ihr, dass sie bei den U20-Weltmeisterschaften der IAAF keine namibischen Teilnehmer sieht. „Wie können wir bei den Commonwealth-Spielen 2018 große Erfolge erwarten, wenn unsere Talente vorher im Gegensatz zu ihrer Konkurrenz keine internationalen Erfahrungen sammeln, fragte Tjongarero rhetorisch in die Runde. Sollte sich daran etwas ändern, könnte man Wunderdinge erwarten, ist die 70-Jährige überzeugt. An die Rio-Starter gewandt sagte die gebürtige Walvis Bayerin: „Man weiß nie, wie gut sich die Rivalen vorbereitet haben. Falls ihr ohne Goldmedaille zurückkehrt, werden wir euch nicht kreuzigen. Aber wir verlangen von euch, dass ihr beim Kampf um die ersten Plätze alles gebt. Seid stolz darauf, die Nation repräsentieren zu dürfen.“
Ihr Nachfolger an der NNOC-Spitze erwartet in Brasilien für namibische Verhältnisse einen wahren Medaillenregen. Xoagub: „Dieses Team hat das Potenzial, unsere beste Olympia-Bilanz aller Zeiten zu erzielen.“ Die Vorgabe lautet: „Mindestens dreimal Edelmetall.“ Es gilt, endlich die beiden Silberdoppelpacks des legendären „Frankie“ Fredericks zu übertrumpfen. Die größten Medaillenchancen räumte Xoagub gestern auf AZ-Nachfrage der Sportschützin Ahrens sowie den Boxern und Radsportlern ein. Im Marathon seien die Erfolgsaussichten hingegen eher gering. „Unsere Athleten sind aber alle gut drauf“, betonte der 55-Jährige abschließend.
Windhoek
Am Samstag präsentierte Namibias Olympia-Komitee (NNOC) im Windhoeker Einkaufszentrum Maerua Mall seinen endgültigen Kader für die bevorstehenden Spiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August). Wie die AZ bereits verkündet hatte, entsendet das NNOC insgesamt zehn Akteure zur größten Sportveranstaltung der Welt. Das Aufgebot besteht aus sechs Frauen (Marathon: Alina Armas, Helalia Johannes, Beata Naigambo; Straßenradsport: Vera Adrian; Mountainbike: Michelle Vorster; Trapschießen: Gaby Ahrens) und vier Männern (Marathon: Mynhardt Kauanivi, Straßenradsport: Dan Craven; Boxen: Jonas Junias, Mathias Hamunyela).
Kurzstreckenläuferin Tjipekapora Herunga wurde dagegen wie erwartet nicht berücksichtigt. „Der Fall ist abgeschlossen. Für die Leichtathletikwettbewerbe war am 11. Juli Anmeldeschluss. Am 18. Juli haben wir den endgültigen Kader nominiert. Akkreditierungen sind jetzt gar nicht mehr möglich“, erklärte NNOC-Präsident Abner Xoagub am Rande der öffentlichen Veranstaltung gegenüber Medienvertretern.
Der Fall der 28-jährigen Herunga, die bei Olympia 2012 in London auf ihrer Paradestrecke über 400 Meter bis ins Halbfinale gestürmt war, hat das Verhältnis zwischen dem NNOC und dem nationalen Leichtathletikverband (AN) schwer belastet. Das seit April 2015 von Xoagub geleitete Komitee will die Rio-Qualifikation der Sprinterin nicht anerkennen, obwohl Herunga die vom Weltleichtathletikverband IAAF geforderte Norm (52,20 Sekunden) bei den All Africa Games 2015 in Kongo-Brazzaville (51,51 und 51,55) sowie bei einem Meeting in Jamaikas Hauptstadt Kingston am 9. April dieses Jahres (52,03) dreimal fristgerecht unterboten hat.
„Vor zwei Jahren wurde klar kommuniziert, dass die Norm zweimal geschafft werden muss und die All Africa Games kein Qualifikationsevent sind“, wiederholte Xaogub gebetsmühlenartig. Herunga war die letzte Hoffnungsträgerin der Verfechter des „Vision 2016“-Projekts. Das namibische Sportministerium hatte dieses im September 2013 gestartet. Geplant war, die Top-Sprinter des Landes auf Jamaika durch das gemeinsame Training mit Superstars der Szene wie Usain Bolt und Shelly-Ann Fraser-Pryce pünktlich für das Ringe-Spektakel in Rio auf Weltklasseniveau zu hieven. Stattdessen sind die Medaillenträume nun sogar bereits vor Beginn des internationalen Kräftemessens am Zuckerhut geplatzt. Zum zweiten Mal nach 2008 ist Namibia seit seiner Olympia-Premiere vor 24 Jahren in den Sprintdisziplinen der Leichtathletik nicht vertreten. Die letzten Silberläufe von Frank Fredericks (1992 in Barcelona sowie 1996 in Athen jeweils über 100 und 200 m) liegen mittlerweile zwei Jahrzehnte zurück. Ob und wann jemand in seine großen Fußstapfen treten kann, ist derzeit ebenso ungewiss wie ein Olympia-Comeback von Herunga 2020 in Tokio.
„Ich bin am Boden zerstört und weine jede Nacht. Es ist die schlimmste Zeit meines Lebens“, schrieb die dreifache Bronzemedaillengewinnerin bei Panafrikanischen Spielen (2011 in Maputo über 200 und 400 m sowie 2015 in Brazzaville über 400 m) in einer E-Mail, die ihr Trainer Letu Hamhola am 19. Juli nach einem Wettkampf in Padua an hiesige Medienvertreter schickte (AZ berichtete). Von ihrem endgültigen Rio-Aus erfuhr Herunga dann wenige Tage später während eines Trainingslagers im Badeort Lignano an der italienischen Adriaküste. Doch damit nicht genug: Neben der sportlichen Karriere droht auch ihre Hochschulausbildung ins Stocken zu geraten.
„Wir sind kein Bildungsministerium, sondern für Sport, Jugend und nationalen Service zuständig“, betonte Vizeministerin Agnes Tjongarero bei der Vorstellung der namibischen Olympia-Starter. Herunga und die ebenfalls im Zuge des „Vision 2016“-Projekts nach Jamaika entsandten Lilianne Klaasman, Keshia Kalomo, Mberihonga Kandovazu, Globine Mayova, Gilbert Hainuca, Francis Uatema, Hitjivirue Kaanjuka, Jesse Uri-Khob und Adiel van Wyk haben parallel zum Trainingsprogramm auf der Karibikinsel an der University of Technology in der Hauptstadt Kingston studiert.
„Sie müssen zurückkommen und sich hier in Namibia um ein Stipendium oder einen Kredit bemühen, damit sie ihr Studium fortsetzen können“, sagte Tjongarero. Das Sportministerium werde die finanzielle Förderung der Sprinter zeitnah und komplett einstellen. Dem Vernehmen nach sind insgesamt mehr als zehn Millionen N$ an Steuergeldern in das Projekt geflossen. „Das Programm lief unter dem Titel ‚Vision 2016’. Nun sind wir im Jahr 2016 und nicht ein einziger dieser Athleten hat sich für Olympia qualifiziert“, polterte die ehemalige NNOC-Präsidentin. Eine Fortführung dieses „gescheiterten Projekts“ wäre Geldverschwendung. Tjongarero: „Sie haben ihre Chance bekommen und nicht genutzt. Jetzt müssen sie Platz machen für neue Talente.“ Projektleiter Hamhola zeigte sich angesichts der jüngsten Entwicklungen überrascht: „Ich wusste nicht, dass sie sofort den Stecker ziehen wollen, obwohl die Athleten ihr Studium noch nicht beendet haben.“ Weitere Kommentare ließ sich der AN-Coach nicht entlocken. Der Leichtathletikverband und das NNOC kommunizieren derzeit – offenbar aufgrund persönlicher Animositäten – nicht direkt miteinander.
Tjongarero richtet ihren Blick indes bereits in die Zukunft. „Ich arbeite gerade an einer Initiative, um die Basis zu stärken. Wir müssen in den Schulen ein solides Fundament legen“, erläuterte die langjährige Funktionärin. Ein Dorn im Auge ist ihr, dass sie bei den U20-Weltmeisterschaften der IAAF keine namibischen Teilnehmer sieht. „Wie können wir bei den Commonwealth-Spielen 2018 große Erfolge erwarten, wenn unsere Talente vorher im Gegensatz zu ihrer Konkurrenz keine internationalen Erfahrungen sammeln, fragte Tjongarero rhetorisch in die Runde. Sollte sich daran etwas ändern, könnte man Wunderdinge erwarten, ist die 70-Jährige überzeugt. An die Rio-Starter gewandt sagte die gebürtige Walvis Bayerin: „Man weiß nie, wie gut sich die Rivalen vorbereitet haben. Falls ihr ohne Goldmedaille zurückkehrt, werden wir euch nicht kreuzigen. Aber wir verlangen von euch, dass ihr beim Kampf um die ersten Plätze alles gebt. Seid stolz darauf, die Nation repräsentieren zu dürfen.“
Ihr Nachfolger an der NNOC-Spitze erwartet in Brasilien für namibische Verhältnisse einen wahren Medaillenregen. Xoagub: „Dieses Team hat das Potenzial, unsere beste Olympia-Bilanz aller Zeiten zu erzielen.“ Die Vorgabe lautet: „Mindestens dreimal Edelmetall.“ Es gilt, endlich die beiden Silberdoppelpacks des legendären „Frankie“ Fredericks zu übertrumpfen. Die größten Medaillenchancen räumte Xoagub gestern auf AZ-Nachfrage der Sportschützin Ahrens sowie den Boxern und Radsportlern ein. Im Marathon seien die Erfolgsaussichten hingegen eher gering. „Unsere Athleten sind aber alle gut drauf“, betonte der 55-Jährige abschließend.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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