Mit Ghoemas und Trompeten
Unter dem blauen Sommerhimmel blitzen und funkeln Goldstickerei, Pailletten, Glitter und hunderte von Blechblasinstrumenten in der Sonne. Überall glänzt Satin in vielen leuchtenden Farben. Ein Bus nach dem anderen bringt weitere Musikantengruppen in die Keizergracht. Am oberen Ende dieser Straße im berühmten District 6 beginnt der farbenfrohe Neujahrsumzug, der sich zu einer der großen Attraktionen der Kapstädter Festsaison entwickelt hat.
Kaum einer kann dem beschwingenden Ghoema-Sound und der unglaublich lebendigen, fröhlichen Atmosphäre widerstehen. Ab dem späten Vormittag sind verschiedene Straßen in der engen Innenstadt stundenlang gesperrt, denn die Klopse ziehen zu Tausenden durch die Stadt. Mit Trompeten, Posaunen und Tubas, Banjos und Gitarren, Maracas, Becken, Rührtrommeln und Ghoemas. Die Ghoema darf auf keinen Fall fehlen, sie ist eine durch und durch südafrikanische Trommel, ein Überbleibsel aus der Sklavenzeit. Eine Ghoema ist ein kleines Weinfass, über dessen obere Öffnung Ziegenfell gespannt ist.
Gleich vorweg: Kaapse Klopse hat rein gar nichts mit Fleischklößchen zu tun. Das Wort Klopse ist aus dem Niederländischen abgeleitet und bedeutet nichts anderes als Clubs. Tweede Nuwe Jaar, das Zweite Neujahr, wird jährlich mit einer großen Parade gefeiert, an der sich regelmäßig mehr als 70 Musikanten-Clubs beteiligen. Die Mitglieder stammen größtenteils aus den Farbigengemeinschaften der Cape Flats, den entlegeneren Wohngegenden am Indischen Ozean. In vielen Familien ist die Klopse-Mitgliedschaft eine Tradition, die von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Die Vorbereitungen auf den großen Auftritt im Januar schaffen Verbundenheit. Die Proben, die spätestens im August beginnen, und andere Vorbereitungen, die mit liebevoller Hingabe erledigt werden, fördern den Zusammenhalt. So auch das Nähen der Kostüme. Die Klopse-Truppen werden weitgehend von den Frauen der jeweiligen Gemeinschaft ausstaffiert. Was für die einen der Sportverein, ist für andere die Mitgliedschaft in Kaapse Klopse Vereinigungen.
Als Minstrel Carnival wird die Neujahrsveranstaltung in Englisch bezeichnet, auch wenn sie mit Karneval nicht mehr gemeinsam hat als den bunten, klangvollen Umzug durch die Stadt. Das Tweede Nuwe Jaar als festliche Veranstaltung hat seinen Ursprung in der Zeit, als am Kap noch Sklaverei erlaubt war. Wohlhabende Haushalte in Kapstadt und der näheren Umgebung hielten sich nach Möglichkeit ein eigenes Hausorchester, das zeitgenössische europäische Tanzmusik spielen konnte. Die Musiker waren Sklaven, und weil die Mehrheit der Sklaven aus der niederländischen Besitzung Batavia (heute Djakarta) stammte, floss auch indonesische Musiktradition ein, die sich mit weiteren Einflüssen aus Indien, Madagaskar, Mosambik und einheimischen Khoi-Klängen mischte. Daraus entwickelte sich mit der Zeit ein Klang und Rythmus, der als Ghoema bekannt wurde - wie die Weinfass-Trommel - und immer noch der Ursprungs-Sound der Kaapse Klopse ist.
Der Tag nach Neujahr war der einzige Tag im Jahr, an dem Sklaven frei hatten und einander besuchen konnten. Die Hausmusiker nahmen ihre Instrumente mit und musizierten unterwegs in den Straßen. Die geschickten Näherinnen der Herrschaften schneiderten ihnen dazu Anzüge aus Stoffresten von Ballkleidern. Damit begann die Vielfarbigkeit aus Seide und Satin. Am 1. Dezember 1834 wurden alle Sklaven in der Kap-Kolonie befreit, und die "Mutterstadt" erlebte ihren bis dahin größten Umzug.
Es gab auch eine Zeit, als sich die Minstrels verkleideten und einmal im Jahr die Gelegenheit nutzten, sich über ihre Herrschaft lustig zu machen. Später, noch vor rund 100 Jahren, kamen die Klopse als Gentlemen mit Zylinder und Spazierstock, Schwalbenschwanz, Weste und Fliege daher. Doch der Spazierstock wurde bald gegen den Sonnenschirm getauscht, was bei Stunden in der prallen Sommersonne sehr sinnvoll ist, und die Kostümierung besteht nun schon seit Jahrzehnten aus einem einfachen Anzug. Die Club-Mitgliedschaft ist nicht auf Männer beschränkt, die ganze Familie kann mitmachen. Auch Frauen und Kinder tragen den typischen Anzug. Der Schnitt mag einfach sein, aber auf die Farben kommt es an. Die Zusammenstellung ist so ausgeklügelt, dass sich mittlerweile sogar bekannte Modedesigner für die Klopse interessieren. Und jedes Jahr muss jeder Club neue Farbkombinationen wählen und die Truppe neu einkleiden. Denn mit dem Neujahrsumzug hört der Spaß für die Klopse nicht gleich wieder auf. Den ganzen Januar lang werden im Kapstädter Stadion Wettbewerbe zwischen den Gruppen ausgetragen: Musik, Tanzeinlagen und Kostümierung werden prämiert. Der eiserne Kern eines Clubs besteht häufig zwar nur aus einigen Dutzend Mitgliedern, aber am Tag des Umzugs und für die Wettbewerbe schwillt die Truppe leicht auf 600 bis 1000 Teilnehmer an. Die Route durch die Innenstadt zum Stadion ist immer dieselbe, und der stolzeste Moment ist die formelle Ankündigung jeder vorbeimarschierenden Truppe am alten Rathaus gegenüber der Parade, dem einstigen Exerzierplatz.
Halt, es gibt doch Kleider unter den leuchtenden Anzügen. Moffies nennen sich die Männer in Frauenkleidern, obgleich dieses afrikaanse Wort leicht abwertend für Homosexuelle verwendet wird. Und dann ist da noch der Atja Club, dessen Mitglieder als Indianer verkleidet und Tomahawk schwingend mit gräßlichen Masken und Kriegsgeschrei zwischen anderen Minstrel-Gruppen hindurchgestürmt kommen und die Zuschauer links und rechts am Straßenrand erschrecken, was ihnen bei Kindern denn auch besonders gut gelingt. Bisweilen werden die schauerlichen Atjas von roten Teufeln begleitet.
Immer wieder mal kündigt der Dachverband der Klopse an, dass der Umzug mangels finanzieller Unterstützung ausfallen müsse. Allein das Kostüm ist für viele Teilnehmer fast unerschwinglich, und wenn es endlich bezahlt ist, muss bereits das nächste her. Doch inzwischen gibt es verschiedene Sponsoren und öffentliche Förderung. Cape Town Tourism, der Fremdenverkehrsverband, hegt ehrgeizige Pläne, den Kapstädter Minstrel Carnival so bekannt zu machen wie den Karneval von Rio.
Mittlerweile findet der große Umzug nicht mehr am 2. Januar statt, sondern am Neujahrstag, was nicht zuletzt entscheidene verkehrstechnische Vorteile hat. Auch in der Sylvesternacht herrscht viel Leben in der Stadtmitte, wenn die Nagtroepers (Malaienchöre) durch die Straßen ziehen.
Kaum einer kann dem beschwingenden Ghoema-Sound und der unglaublich lebendigen, fröhlichen Atmosphäre widerstehen. Ab dem späten Vormittag sind verschiedene Straßen in der engen Innenstadt stundenlang gesperrt, denn die Klopse ziehen zu Tausenden durch die Stadt. Mit Trompeten, Posaunen und Tubas, Banjos und Gitarren, Maracas, Becken, Rührtrommeln und Ghoemas. Die Ghoema darf auf keinen Fall fehlen, sie ist eine durch und durch südafrikanische Trommel, ein Überbleibsel aus der Sklavenzeit. Eine Ghoema ist ein kleines Weinfass, über dessen obere Öffnung Ziegenfell gespannt ist.
Gleich vorweg: Kaapse Klopse hat rein gar nichts mit Fleischklößchen zu tun. Das Wort Klopse ist aus dem Niederländischen abgeleitet und bedeutet nichts anderes als Clubs. Tweede Nuwe Jaar, das Zweite Neujahr, wird jährlich mit einer großen Parade gefeiert, an der sich regelmäßig mehr als 70 Musikanten-Clubs beteiligen. Die Mitglieder stammen größtenteils aus den Farbigengemeinschaften der Cape Flats, den entlegeneren Wohngegenden am Indischen Ozean. In vielen Familien ist die Klopse-Mitgliedschaft eine Tradition, die von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Die Vorbereitungen auf den großen Auftritt im Januar schaffen Verbundenheit. Die Proben, die spätestens im August beginnen, und andere Vorbereitungen, die mit liebevoller Hingabe erledigt werden, fördern den Zusammenhalt. So auch das Nähen der Kostüme. Die Klopse-Truppen werden weitgehend von den Frauen der jeweiligen Gemeinschaft ausstaffiert. Was für die einen der Sportverein, ist für andere die Mitgliedschaft in Kaapse Klopse Vereinigungen.
Als Minstrel Carnival wird die Neujahrsveranstaltung in Englisch bezeichnet, auch wenn sie mit Karneval nicht mehr gemeinsam hat als den bunten, klangvollen Umzug durch die Stadt. Das Tweede Nuwe Jaar als festliche Veranstaltung hat seinen Ursprung in der Zeit, als am Kap noch Sklaverei erlaubt war. Wohlhabende Haushalte in Kapstadt und der näheren Umgebung hielten sich nach Möglichkeit ein eigenes Hausorchester, das zeitgenössische europäische Tanzmusik spielen konnte. Die Musiker waren Sklaven, und weil die Mehrheit der Sklaven aus der niederländischen Besitzung Batavia (heute Djakarta) stammte, floss auch indonesische Musiktradition ein, die sich mit weiteren Einflüssen aus Indien, Madagaskar, Mosambik und einheimischen Khoi-Klängen mischte. Daraus entwickelte sich mit der Zeit ein Klang und Rythmus, der als Ghoema bekannt wurde - wie die Weinfass-Trommel - und immer noch der Ursprungs-Sound der Kaapse Klopse ist.
Der Tag nach Neujahr war der einzige Tag im Jahr, an dem Sklaven frei hatten und einander besuchen konnten. Die Hausmusiker nahmen ihre Instrumente mit und musizierten unterwegs in den Straßen. Die geschickten Näherinnen der Herrschaften schneiderten ihnen dazu Anzüge aus Stoffresten von Ballkleidern. Damit begann die Vielfarbigkeit aus Seide und Satin. Am 1. Dezember 1834 wurden alle Sklaven in der Kap-Kolonie befreit, und die "Mutterstadt" erlebte ihren bis dahin größten Umzug.
Es gab auch eine Zeit, als sich die Minstrels verkleideten und einmal im Jahr die Gelegenheit nutzten, sich über ihre Herrschaft lustig zu machen. Später, noch vor rund 100 Jahren, kamen die Klopse als Gentlemen mit Zylinder und Spazierstock, Schwalbenschwanz, Weste und Fliege daher. Doch der Spazierstock wurde bald gegen den Sonnenschirm getauscht, was bei Stunden in der prallen Sommersonne sehr sinnvoll ist, und die Kostümierung besteht nun schon seit Jahrzehnten aus einem einfachen Anzug. Die Club-Mitgliedschaft ist nicht auf Männer beschränkt, die ganze Familie kann mitmachen. Auch Frauen und Kinder tragen den typischen Anzug. Der Schnitt mag einfach sein, aber auf die Farben kommt es an. Die Zusammenstellung ist so ausgeklügelt, dass sich mittlerweile sogar bekannte Modedesigner für die Klopse interessieren. Und jedes Jahr muss jeder Club neue Farbkombinationen wählen und die Truppe neu einkleiden. Denn mit dem Neujahrsumzug hört der Spaß für die Klopse nicht gleich wieder auf. Den ganzen Januar lang werden im Kapstädter Stadion Wettbewerbe zwischen den Gruppen ausgetragen: Musik, Tanzeinlagen und Kostümierung werden prämiert. Der eiserne Kern eines Clubs besteht häufig zwar nur aus einigen Dutzend Mitgliedern, aber am Tag des Umzugs und für die Wettbewerbe schwillt die Truppe leicht auf 600 bis 1000 Teilnehmer an. Die Route durch die Innenstadt zum Stadion ist immer dieselbe, und der stolzeste Moment ist die formelle Ankündigung jeder vorbeimarschierenden Truppe am alten Rathaus gegenüber der Parade, dem einstigen Exerzierplatz.
Halt, es gibt doch Kleider unter den leuchtenden Anzügen. Moffies nennen sich die Männer in Frauenkleidern, obgleich dieses afrikaanse Wort leicht abwertend für Homosexuelle verwendet wird. Und dann ist da noch der Atja Club, dessen Mitglieder als Indianer verkleidet und Tomahawk schwingend mit gräßlichen Masken und Kriegsgeschrei zwischen anderen Minstrel-Gruppen hindurchgestürmt kommen und die Zuschauer links und rechts am Straßenrand erschrecken, was ihnen bei Kindern denn auch besonders gut gelingt. Bisweilen werden die schauerlichen Atjas von roten Teufeln begleitet.
Immer wieder mal kündigt der Dachverband der Klopse an, dass der Umzug mangels finanzieller Unterstützung ausfallen müsse. Allein das Kostüm ist für viele Teilnehmer fast unerschwinglich, und wenn es endlich bezahlt ist, muss bereits das nächste her. Doch inzwischen gibt es verschiedene Sponsoren und öffentliche Förderung. Cape Town Tourism, der Fremdenverkehrsverband, hegt ehrgeizige Pläne, den Kapstädter Minstrel Carnival so bekannt zu machen wie den Karneval von Rio.
Mittlerweile findet der große Umzug nicht mehr am 2. Januar statt, sondern am Neujahrstag, was nicht zuletzt entscheidene verkehrstechnische Vorteile hat. Auch in der Sylvesternacht herrscht viel Leben in der Stadtmitte, wenn die Nagtroepers (Malaienchöre) durch die Straßen ziehen.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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