Ein Klassenzimmer in der Wildnis

Spurensuche: Wie ein Umwelt-Bildungsprogramm Stadtkindern die Natur nahe bringt
Praktikant WAZon
Von Andrea Lindner, Windhoek

„Hey Jungs! Nicht in die Fußstapfen treten“, ruft Luca seinen Klassenkameraden zu. Schnell springen die Schüler zur Seite. Luca, Zoe und die anderen Kinder ziehen einen Kreis im Sand um jede Spur, die sie entdecken. Dann wird erforscht: Ist es eine Pfote oder ein Huf? Wie groß ist der Abdruck? Hat die Pfote drei oder zwei Einkerbungen? „Hier seht ihr den Abdruck eines Leoparden“, erklärt Rachel du Raan, die Koordinatorin des Projekts, die fast täglich Kinder durch die Natur führt. „Ihr erkennt das zum einen an der Größe und zum anderen daran, dass die Pfote drei Auskerbungen hat.“ Die Kinder sind begeistert! Die 4. Klasse der St. Pauls-Schule aus Windhoek ist heute auf Spurenjagd im Daan-Viljoen-Wildpark westlich von Windhoek.

Sie alle sind heute für einen Tag Tierdetektive. Sie lernen mit Hilfe eines Spurenbuches die Abdrücke, die die Tiere im Sand hinterlassen, zu lesen und sie untersuchen den Kot der Tiere. „Wenn ihr euch traut, den anzufassen und zu erforschen, könnt ihr viel über die Tiere lernen. Was sie essen, wie sie leben und wie es ihnen geht“, sagt Rachel. Die Schüler sind zunächst skeptisch. Doch dann trauen sich immer mehr, die Tiere auch Anhand ihrer Haufen, Häufchen und Bobbel zu benennen. Da gibt es zum Beispiel die Gnus, die für ihr Geschäft immer wieder an dieselbe Stelle kommen, um ihr Revier zu markieren. „Da staut sich dann schon ordentlich was an“, meint Rachel lachend. Oder die Leoparden, deren Kot am Ende spitz zuläuft und sehr schwer zu finden ist. Aber in dem Umwelt-Bildungsprojekt, das von der Giraffe Conservation Foundation (GCF) angeboten wird, geht es noch um viel mehr: Die Kinder besprechen auch Themen wie Wasserknappheit, Umweltverschmutzung und die natürliche Nahrungskette. „Uns geht es in erster Linie auch darum, dass die Kinder Spaß haben und eine Verbindung zu Natur entsteht“, erklärt Rachel, die das Projekt mit entwickelt hat. „Viele Kinder, die heute in der Stadt aufwachsen, haben keine Ahnung mehr von ihrer Umwelt, den Tieren und Pflanzen bei uns und wie wichtig es ist, dass wir all das beschützen.“ Ziel des Projektes ist es also auch, Bewusstsein zu schaffen und aufzuklären.

Ein Klassenzimmer in der Wildnis


Die Kinder lernen so, während sie mit leisen Stimmen durch den Busch schleichen, jede Menge. Tierdetektivin Zeo erklärt zum Beispiel: „Giraffen essen am Tag 70 Kilogramm, scheiden aber nur 15 Kilo wieder aus. Die haben echt ne gute Verdauung!“ Hannah ist davon beindruckt, dass „Klippschliefer die nächsten Verwandten von Elefanten sind“. Einige Jungs waren auch besonders von den Revier-Kämpfen der Männchen begeistert. „Ich wusste nicht, dass Paviane so laut brüllen können“, meint ein Schüler erschrocken.

Auch als Rachel von der großen Riesenschlange, einer südafrikanischen Fels-Phyton, erzählt, die sie jetzt suchen wollen, bekommen einige Schüler Angst. Aber Rachel kann sie beruhigen: „Ihr müsst keine Angst haben. Wenn wir ihr nicht zu nahe kommen und sie nicht angreifen, wird sie uns nichts tun.“ Trotzdem sollen alle Schüler in einer Reihe gehen und nicht abseits des Weges laufen. „Gerade ist Schlangensaison und es könnte sonst passieren, dass ihr auf eine Schlange tretet“, warnt Rachel die Kinder. Dass ihr die Arbeit mit den Kindern Spaß macht, merkt man ihr an. Sie beantwortet geduldig alle Fragen der Kinder, bleibt alle paar Meter stehen und erklärt Pflanzen, Tiere und Spuren und sorgt bei jeder Erklärung für einen Lacher.

Rachel bezieht die Kinder dabei immer mit ein. Frontalunterricht gibt es hier nicht: Die Kinder können einen Teil der Nahrungskette als Stellvertreter spielen, die Knochen einer Elenantilope den Körperstellen zuordnen, versuchen, wie eine Giraffe zu trinken oder sich Möglichkeiten zum Wassersparen überlegen. Langeweile gibt es hier beim Klassenzimmer in der Natur nie. „Können wir nicht jeden Tag hier Unterricht machen?“, fragt Sira ihre Lehrerin, die auch mit dabei ist. „Draußen ist es viel cooler. Wir könnten Steine zum Rechnen nehmen und beim Theater Tiere spielen.“

Viele Kinder wissen wenig

Rachel und ihre Praktikantin Naomi sind fast jeden Tag hier im Park. Das ganze Jahr über. Mehr als 1200 Schülern haben sie bisher die Natur ein Stück näher gebracht. Wie wichtig ihre Arbeit ist, wird ihnen dabei immer wieder deutlich: „Wir haben hier wirklich Schüler, die nichts über die Tiere in unserem Land wissen“, sagt Rachel. „Oft sind das gerade Kinder aus ärmeren Familien, die nicht die Mittel haben, um viele Ausflüge zu machen.“ Deshalb konzentriert sich das Projekt KEEP, das es seit diesem Jahr gibt, auf Klassen aus Katutura. Bisher sind die Organisatoren zufrieden: Das Programm wird gut angenommen, viele Schule haben Interesse und das Projekt ist bereits bis zum Ende des Jahres ausgebucht.

Aber es gibt auch noch Probleme, berichtet Stephanie Fennessy, Direktorin der GCF: „Bei unserer Zielgruppe, den Kindern aus Katutura und den öffentlichen Schulen, gibt es natürlich oft finanzielle Probleme.“ Die Kinder sollten eigentlich 100 N$ zahlen. Haben sie das Geld nicht, ist es aber auch kein Hindernis. „Wir möchten nicht, dass es am Geld scheitert. Wir finden dann schon immer einen Weg.“ Das größte Problem sei vor allem der Transport zum Park. „Hier hoffen wir noch darauf, einen Sponsor zu finden“, so Fennessy.

Die Kinder als Lehrer

Für die Viertklässler geht es nach einer vierstündigen Wanderung durch den Park als Forscher und Tierdetektive zurück in den schuleigenen Bus. Die meisten lassen sich einfach nur noch müde und schlapp in ihre Sitze fallen. „Ich habe viel gelernt, aber es war auch anstrengend in der Hitze“, resümiert Luca den Tag. Ob die anderen auch viel gelernt haben? „Jaaaaa!“, schreit die Klasse im Chor. „Dann könnt ihr ja jetzt selbst Umwelt-Lehrer sein“, fordert Rachel zum Schluss die Kinder auf. „Erzählt euren Geschwistern und Freunden, was ihr gelernt habt, und traut euch ruhig auch eure Eltern und Lehrer zum Mülltrennen und Wassersparen zu ermahnen. Ihr schafft das!“

Die große Riesenschlange hat die Klasse am Ende nicht gefunden, dafür haben sie Giraffen, Kudus und Antilopen gesehen und Spuren von Zebras und Leoparden entdeckt. Nächste Woche wird Rachel die Klasse noch einmal besuchen. Um zu sehen, was hängen geblieben ist. Doch morgen wartet erst einmal die nächste Klasse auf Rachel und Naomi. Und die Natur mit ihren vielen Abenteurern und spannenden Tieren und Pflanzen, die es zu entdecken gibt.

Über die Giraffe Conservation Foundation (GCF) und das Projekt KEEP

GCF ist die einzige NGO der Welt, die sich ausschließlich um den Schutz von Giraffen kümmert. Die Stiftung wurde gegründet, um das Bewusstsein der Menschen zu erhöhen, Giraffen zu unterstützen, ihre Zukunft zu sichern und ihre Lebensräume in Afrika zu erhalten. Also zum Beispiel Bedrohungen zu identifizieren, Probleme zu erkennen und diese zu lösen. Das Umwelt-Bildungsprogramm KEEP (Khomas Environmental Education Programme) will vor allem das Bewusstsein der Schüler erhöhen und Kinder zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur ausbilden. Sie sollen lernen, wie hoch der Einfluss ihres Lebensstils auf ihre Umwelt ist. Dabei ist das Programm an den Lehrplan der 3. und 4. Klasse angelehnt. Mehr Informationen zu KEEP und zur GCF gibt es unter giraffeconservation.org oder unter Tel. 081-6692666.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-04-20

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